Lernen und betriebliche Weiterbildung in Zeiten der Digitalisierung
Der fortschreitende technologische Wandel macht es für Betriebe und ihre Mitarbeiter erforderlich, beständig dazuzulernen. Die Beschäftigten mit passenden Rahmenbedingungen und den richtigen Konzepten beim Lernen zu unterstützen, gehört zu den wichtigsten Stellschrauben, um die anstehende Transformation zu bewältigen. Auch die Politik fördert dieses Bestreben im Rahmen ihrer Nationalen Weiterbildungsstrategie. Durch die digitalen Technologien und eine veränderte Arbeitskultur sind völlig neue Möglichkeiten entstanden, um betriebliche Qualifizierung zu konzipieren. Doch was davon ist wirklich relevant, um die Belegschaften für aktuelle und zukünftige Herausforderungen bestmöglich zu wappnen?
Durch den gegenwärtigen Umbruch treffen die Menschen in den Firmen regelmäßig auf Situationen und neue Aufgaben, die sie bisher noch nicht kannten. Um diese zu meistern und die daraus resultierenden Kompetenzanforderungen zu erfüllen, brauchen sie nicht nur neues Wissen und zusätzliche Fähigkeiten,
sondern müssen zudem bewährte Denk- und Handlungsmuster über Bord werfen. Lebenslanges Lernen wird vor diesem Hintergrund auch für die kleinen und mittelständischen Betriebe zu einer maßgeblichen
Grundhaltung für ihren Erfolg. Die Fähigkeit der Mitarbeiter, selbstverantwortlich dazuzulernen und sich beständig an Veränderungen anzupassen, gilt heutzutage als Schlüsselfertigkeit und sollte entsprechend gefördert werden.
Ob sich Mitarbeiter bei ihrem Arbeitgeber weiterentwickeln können, wird maßgeblich von dessen Unternehmenskultur und den organisatorischen Rahmenbedingungen bestimmt. Der Organisationspsychologe Lutz von Rosenstiel hat vier Faktoren beschrieben, die das Verhalten von Menschen – und damit auch das Lernen – in Organisationen beeinflussen: Zuallererst müssen die Mitarbeiter motiviert sein, etwas zu lernen (Wollen). Sie brauchen außerdem die Fähigkeit dazu, selbstverantwortlich zu lernen (Können). Auch das direkte Umfeld spielt eine wichtige Rolle. Führungskräfte und Kollegen sollten sie unterstützen und ihnen keine Steine in den Weg legen (Dürfen). Und schließlich muss die aktuelle Situation im Betrieb das Lernen auch zulassen und beispielsweise genügend zeitliche und finanzielle Ressourcen bereitstellen (Situative Ermöglichung).
Dort lernen, wo der Qualifikationsbedarf entsteht
Durch die gegenwärtige Transformation sind die Betriebe gezwungen, ihre Arbeitsabläufe in kurzen Zeitschleifen immer wieder zu hinterfragen und zusätzlich notwendiges Know-how möglichst schnell zu generieren. In der Praxis setzen sich deshalb vermehrt informelle Lernformate durch, bei denen das Lernen in den Berufsalltag integriert wird. Beim Training-on-the-Job oder in arbeitsplatznahen Lernfabriken lernen die Beschäftigten unter anderem, indem sie mit ihren Kollegen Erfahrungen austauschen, aktuelle Lösungsstrategien reflektieren und sich gegenseitig in neuen Fertigkeiten schulen. Gestützt werden solche Konzepte auch durch das „70-20-10-Modell“.
Neue Lernformen: effizient, flexibel, sinnvoll
Mit der Digitalisierung der Industrie ist die Idee vom „Lernen 4.0“ geboren. Sie setzt auf neue Technologien und stellt die Effizienz des Lernens in den Mittelpunkt. Digitale Lernplattformen haben das Ziel, die Lernenden auf der Basis vielfältiger Daten möglichst bedarfsgerecht und individuell zu unterstützen. Mithilfe von künstlicher Intelligenz erleichtern solche Systeme beispielsweise die Informationssuche, erinnern an Lernzeiten oder machen Vorschläge für neue Lerninhalte. Agiles Lernen zielt darauf ab, dass sich Organisationen permanent und flexibel an neue Rahmenbedingungen anpassen müssen. Es ist orientiert an konkreten Aufgaben aus dem Arbeitsalltag und erfolgt nach dem Prinzip: sich austauschen, ausprobieren, diskutieren, anpassen – zum Beispiel durch Prototyping oder Experimentieren. Strukturierte Abläufe schaffen einen stabilen Rahmen, in dem die Lerninhalte immer wieder neu an den aktuellen Bedarf angepasst werden können.
Soziale Aspekte gewinnen an Bedeutung
New Learning legt seinen Schwerpunkt auf sinnhaftes Lernen, also auf die Frage des „Warum“. Ein weiterer Aspekt ist die Zugehörigkeit zu einer (Lern-)Gemeinschaft, die die soziale Dimension des Lernens in den Vordergrund rückt. Zu den New-Learning-Ansätzen zählt auch das sogenannte „Service Learning“, bei dem Lernprozesse mit gesellschaftlichem Engagement verbunden werden. Welche Lernidee ein Unternehmen letztendlich in den Vordergrund stellt, hängt von seinen vorrangigen Zielen ab.
Blended Learning: Die Mischung macht’s
Die meisten Bildungsmaßnahmen finden trotzdem noch immer in Form von klassischen Seminaren oder Workshops statt. Immer mehr Personalentwickler bevorzugen allerdings Blended-Learning-Konzepte, die Präsenzveranstaltungen mit informellen Formaten und E-Learning- Konzepten kombinieren. Digitale Technologien machen es heute möglich, Lerninhalte zum Beispiel durch Videos, Podcasts, mobile Lern-Apps, Webinare oder in webbasierten Trainings (WBT) zu vermitteln oder zu ergänzen. Das Lernen kann so günstiger, zeitlich flexibel und standortunabhängig organisiert werden.
Zu den aktuellsten Trends gehört außerdem das „Microlearning“, das die Lerninhalte in kleine, überschaubare Einheiten, sogenannte „Learning Nuggets“ aufteilt. Dadurch entstehen beispielsweise kurze Texte, Podcasts oder Filmsequenzen, die nicht nur effizientes Lernen erleichtern, sondern es auch möglich machen, das Lernen in den Arbeitsalltag zu integrieren. Im Rahmen von digitalen Lernplattformen können sich die Nutzer mit solchen Learning Nuggets individuelle Lernpfade selbst zusammenstellen.
Neue Rollen und Aufgaben für Personalverantwortliche
Durch die neuen Technologien haben sich auch die Rollen und Aufgaben in der betrieblichen Weiterbildung verändert. Zukunftsgerichtete Personalentwickler brauchen einen Überblick über die aktuellen Lernformate und -technologien und müssen beurteilen können, was diese leisten. Als „Learning Designer“ kombinieren sie die besten Tools und schaffen so Trainingskonzepte, die individuelles Lernen für die Mitarbeiter ermöglichen und dadurch den bestmöglichen Lernerfolg bieten. Zum Auftrag der Führungskräfte gehört es, Lernprozesse zu initiieren und diese aktiv zu begleiten. Dazu muss zudem ein geeigneter Rahmen geschaffen werden, um den Einsatz digitaler Lernmedien und informeller Formate realisierbar zu machen. Mithilfe der neuen technischen Möglichkeiten werden die Mitarbeiter dabei unterstützt, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu lernen. Durch gezieltes und lebenslanges Lernen halten sie sich fit für die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt.
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