Adaptive Lernprozessgestaltung bringt nachhaltigen Erfolg

Talente 1/2020 Titelgrafik, Grafik: WRS // Lernen und Weiterbildung im Arbeitsalltag

Talente 1/2020 Titelgrafik, Grafik: WRS

Inmitten der digitalen Transformation stellt der Motorsägenhersteller Stihl unter dem Leitmotto „Miteinander füreinander“ ganz bewusst den Menschen ins Zentrum eines neuen kreativen Lernkonzepts. Beim Waiblinger Unternehmen lernen die Mitarbeiter, indem sie ihren Lernprozess aktiv mitgestalten und ihre ganz persönlichen  Einstellungen, Erfahrungen und Lernziele einbringen. Als Ergebnis ihres Erfahrungslernens entstehen – quasi nebenbei – selbst konzipierte und produzierte digitale Lernmaterialien. 

Seit er die technische Weiterbildung bei Stihl verantwortet, treibt den Personalentwickler Johannes Guischard die Frage um, wie sich Bildungsmaßnahmen wirksamer gestalten lassen. Auf der Suche nach den besten Konzepten lernt er den Kreativtrainer Valentin Hennig kennen. „In den Diskussionen mit ihm wurde mir klar, dass Kreativität beim Lernen eine zentrale Rolle spielt“, erzählt er. Die beiden sind sich schnell einig: Für gute Lernergebnisse reicht es nicht aus, Inhalte zu konsumieren. Stattdessen wollen sie die Lernenden an einem kreativen Prozess beteiligen.

Im gemeinsamen Brainstorming entwickeln die Bildungsexperten das Konzept der adaptiven  Lernprozessgestaltung (ALP): Mitarbeiter sollen einen Lerninhalt durchdringen, indem sie im intensiven Austausch mit Kollegen zum Beispiel einen Film, ein Plakat oder einen Podcast dazu entwickeln. Es geht nicht vorrangig darum, Lernmaterial zur Weiterverwendung zu produzieren. Vielmehr soll die kreative Auseinandersetzung mit einem Thema dazu führen, dass sich die Lernenden die Inhalte nachhaltig aneignen.

Das Lernen erfolgt, indem die Mitarbeiter ein sichtbares Lernergebnis produzieren, das sie anschließend diskutieren und weiterentwickeln. In betreuten Lernteams können sie ihre Ziele einbringen und sowohl den Lernprozess als auch das -ergebnis passend zu den Rahmenbedingungen im Betrieb mitgestalten. ALP ermöglicht so nicht nur selbstbestimmtes Lernen, sondern führt ganz nebenbei dazu, dass sich die Beschäftigten eine umfassende Lernkompetenz aneignen. Nach und nach werden sie selbst zu Lernprozessbegleitern, die ihr Wissen an Kollegen weitergeben können.

Valentin Hennig, Kreativtrainer und freischaffender Künstler, Art Based Learning

Valentin Hennig, Kreativtrainer und freischaffender Künstler, Art Based Learning / Foto: David Heitz

Für den Lernerfolg ist es absolut entscheidend, dass wir von Beginn an einen sicheren Raum für die Lernenden schaffen und vertrauensvolle Beziehungen zwischen allen Beteiligten fördern. Dazu trägt bei, dass wir gemeinsam die unterschiedlichen Haltungen und Erfahrungen zum Thema Lernen und zur Arbeitssicherheit reflektieren und berücksichtigen.

Arbeitssicherheit mal ganz anders

Das Thema „Arbeitssicherheit“ bietet sich als eines der ersten Pilotprojekte an. Konkret geht es um die Herausforderung, unaufmerksames Verhalten beim Laufen durch die Produktion infolge der Nutzung von Handys zu verhindern. Das heterogene Lernteam setzt sich aus Bandarbeitern, Vorgesetzten und Arbeitssicherheitsbeauftragten zusammen. Ihr Auftrag lautet: gemeinsam einen Kurzfilm zur Arbeitssicherheit zu erstellen und auf diese Weise das erwünschte sicherheitsrelevante Verhalten zu verinnerlichen.

Johannes Guischard und Valentin Hennig steuern das Projekt methodisch und didaktisch. In einem Kick-off führen sie in die Methode ein und bieten konkrete Hilfestellung während der Videoproduktion an. In Boxenstopps werden Zwischenergebnisse gemeinsam mit dem Lernteam diskutiert und weitere Schritte beschlossen. Dabei unterstützen erfahrene Kollegen aus dem betroffenen Fachbereich als zusätzliche Lernbegleiter sowie interne Experten zum Thema Arbeitssicherheit. Die Abnahme des Videos erfolgt in einer Abschlussveranstaltung mit allen Beteiligten.

Gemeinsames Lernen auf Augenhöhe führt zum Erfolg

Johannes Guischard, Abteilungsreferent Technische Weiterbildung, ANDREAS STIHL AG & Co. KG

Johannes Guischard, Abteilungsreferent Technische Weiterbildung, ANDREAS STIHL AG & Co. KG / Foto: ANDREAS STIHL AG & Co. KG

Damit wir auch skeptische oder introvertierte Kollegen für diese Form des kreativen Lernens gewinnen, machen wir von Anfang an transparent, was wir vorhaben. In kurzen Abständen fragen wir immer wieder nach, wie die einzelnen Schritte bei den Lernenden ankommen und beziehen ihre Rückmeldungen in die nächsten Schritte ein. Durch einen ständigen Austausch und die Möglichkeit, den Prozess jederzeit aktiv beeinflussen zu können, schaffen wir gemeinsames Lernen auf Augenhöhe.

Der entstandene Kurzfilm „Handy oder Laufen“ kommt nicht nur innerhalb des Lernteams sehr gut an, sondern wird im ganzen Unternehmen positiv kommentiert. Auf diese Weise bleibt das Thema Arbeitssicherheit langfristig präsent. Als weiteren Nutzen kann das Video auch in anderen Fachbereichen eingesetzt werden. Inzwischen hat sich ALP bei Stihl etabliert und wurde bereits mehrfach umgesetzt, beispielsweise in der Forschung, im IT-Bereich und auch in der Ausbildung. Dabei hat sich bestätigt: Für wirksames Lernen spielen gute Beziehungen der Lernenden untereinander, die Berücksichtigung der Haltungen zum Lernthema und das praktische Handeln während des Lernprozesses eine entscheidende Rolle.

Mehr zum Thema Lernen und betriebliche Weiterbildung?

Was Personalverantwortliche wissen sollten und wie sie dazu beitragen können, damit Lernen und betriebliche Weiterbildung gelingt.

Gute Praxis von Unternehmen für Unternehmen: Wissen und Werte für eine digitale Zukunft

Im WRS-Experteninterview erfahren Sie, welchen Einfluss Führungskräfte als Lernbegleiter auf den Lernerfolg ihrer Mitarbeiter haben.

Fehler: Could not authenticate you.