Vollzeitnahe Beschäftigung ist ein Gewinn für Betriebe und ihre Beschäftigten

In fast allen Unternehmen gibt es heutzutage Mitarbeiter, die in Teilzeit arbeiten. Noch immer verbinden viele mit diesen Beschäftigungsverhältnissen vor allem die Halbtagesjobs von Müttern, die nach der Elternzeit wieder ins Berufsleben zurückkehren. Tatsächlich gibt es in der gegenwärtigen Arbeitswelt jedoch eine Vielzahl von flexiblen Modellen, mit denen Männer wie Frauen ihre Arbeitszeit organisieren. An Bedeutung gewinnt dabei das Konzept der vollzeitnahen Beschäftigung, bei der die Beschäftigung auf höchstens 75 Prozent verkürzt wird, beispielsweise im Rahmen einer Vier-Tage-Woche oder von verkürzten Tagesarbeitszeiten. Diese Form der Arbeitszeitreduzierung ist beispielsweise für Führungskräfte und hochqualifizierte Fachkräfte interessant, die anspruchsvolle Aufgaben zu bewältigen haben und gleichzeitig mehr Zeit für private Angelegenheiten benötigen. Die Gründe, warum diese Beschäftigten in bestimmten Phasen ihres Lebens keine 100-Prozent-Stelle anstreben, sind vielfältig:

Für viele Mitarbeiter ist es bereits hilfreich, ihre Arbeitszeit nur um wenige Stunden zu reduzieren

Eine glückliche Familie

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Nach wie vor ist die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie einer der wichtigsten Anlässe für Teilzeitarbeit. Im Vergleich zu früher sind heute oft beide Elternteile gut ausgebildet und wollen auch während der Familienphase ihre Karrieren weiterentwickeln. Zudem hegt eine wachsende Zahl der Väter den Wunsch, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Die Pflegebedürftigkeit von Angehörigen ist ebenfalls ein häufiger Grund, warum Beschäftigte keiner Vollzeitbeschäftigung mehr nachgehen können oder wollen. Auch Arbeitnehmer, die sich durch eine berufsbegleitende Weiterbildung wie zum Beispiel ein Master- oder Aufbaustudium weiterqualifizieren wollen, brauchen dafür zeitliche Freiräume. Trotz ihrer privaten Zusatzbelastungen wollen alle diese Mitarbeiter beruflich nicht auf der Stelle treten. Für sie ist, es oft schon hilfreich, wenn sie morgens etwas später kommen oder abends früher gehen können beziehungsweise an einem Tag in der Woche die Möglichkeit haben, sich ganz ihrer Weiterbildung oder der Familie zu widmen. Geeignet sind vollzeitnahe Arbeitszeitmodelle auch für ältere Mitarbeiter, die sich in den Jahren vor ihrem Ruhestand schrittweise aus dem Berufsleben zurückziehen wollen.

Lange Zeit war es die herrschende Meinung, dass eine Führungsrolle oder besonders anspruchsvolle Tätigkeiten überhaupt nicht mit verkürzten Arbeitszeiten zu vereinbaren seien. Viele Personalverantwortliche befürchteten, dass solche Herausforderungen in einem Teilzeitverhältnis nicht angemessen zu bewältigen wären. In der Zwischenzeit hat die Praxis jedoch bewiesen, dass auch die sogenannten High Potentials nicht ständig im Betrieb anwesend sein müssen, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Die Verantwortlichen in den Unternehmen haben vielmehr erkannt, dass sie gerade mit flexiblen Arbeitszeitmodellen die besonders begehrten Fachkräfte gewinnen und gute Mitarbeiter halten können und dabei außerdem sogar ihre Produktivität erhöhen.

Viele Frauen mit Teilzeitverträgen würden ihre Arbeitszeit gerne erhöhen

Vollzeitnahe Beschäftigungsmodelle spielen deshalb unter dem Blickwinkel der Fachkräftesicherung ebenfalls eine bedeutende Rolle. In diesem Zusammenhang sind sie auch ein wichtiges Handlungsfeld der Fachkräfteallianz Baden-Württemberg. Diese hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, das Arbeitsvolumen und die Beschäftigungszeiten der zahlreichen hochqualifizierten Frauen in Teilzeit zu erhöhen und dadurch deren Potenziale für die Unternehmen im Land besser auszuschöpfen. 2011 arbeitete fast jede zweite Frau (48,3 Prozent) in Baden-Württemberg in einem Teilzeitverhältnis. Deutschlandweit war die Quote nur wenig geringer (rund 45 Prozent). Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des damit verbundenen drohenden Fachkräftemangels gilt es, diese Reserve in der Zukunft für die Volkswirtschaft verfügbar zu machen. Vollzeitnahe Beschäftigungsmodelle sind somit nicht nur interessant, wenn es um Arbeitszeitverkürzung geht, sondern ein ebenso wirkungsvolles Mittel, um Teilzeitmitarbeiter mit den typischen 20-Stunden-Verträgen schrittweise an die Vollzeit heranzuführen.

In der Regel lässt sich im Rahmen der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen relativ schnell eine passende Lösung finden, wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit an eine veränderte Lebenssituation anpassen will – vorausgesetzt das betroffene Unternehmen ist grundsätzlich dazu bereit. Vor allem kleinere Betriebe gehen hierbei oft sehr pragmatisch vor und orientieren sich an den konkreten Erfordernissen des Einzelfalles. Sie versuchen die Ziele des Beschäftigten bestmöglich mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen und somit für beide Seiten eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Selbstverständlich sind dafür auch gewisse organisatorische Rahmenbedingungen – wie beispielsweise eine angepasste Besprechungskultur – und ein sehr gutes Selbstmanagement der betroffenen Mitarbeiter notwendig.

Lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle verbessern Motivation und Mitarbeiterbindung

Dass sich diese Anstrengungen für Firmen und Arbeitnehmer lohnen, lässt sich leicht belegen. Arbeitszeitmodelle, die sich bewusst an den Lebensphasen der Beschäftigten orientieren, geben diesen das Gefühl, als Menschen wahrgenommen zu werden und nicht nur eine betriebliche Ressource zu sein. Das steigert nachweislich die Loyalität und die Betriebstreue der Teilzeitkräfte. Die Möglichkeit, berufliche und private Interessen bestmöglich zu vereinbaren, verbessert außerdem die Motivation und auch die individuelle Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter. Arbeitnehmer in Teilzeitverhältnissen sind in der Regel überdurchschnittlich sensibel für „Zeitfresser“ und uneffektive Arbeitsabläufe. Darüber hinaus kann durch den Einsatz von vollzeitnahen Teilzeitmodellen die betriebliche Arbeitszeit relativ flexibel an unterschiedliche Auftragsvolumina angepasst werden. Somit wird es für die Betriebe erheblich erleichtert, auf konjunkturelle Schwankungen und Krisen optimal zu reagieren.

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