Lebensphasenorientierte Personalarbeit wird Mitarbeitern aller Generationen gerecht.

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Rudolf Kast

Rudolf Kast war mehr als 15 Jahre lang Mitglied der Geschäftsführung und Leiter des Bereichs Human Resources des Waldkirchner Sensorenherstellers Sick. Unter seiner Personalführung wurde das Unternehmen zu einem der Top 100 Arbeitgeber in Deutschland und mit mehreren Sonderpreisen prämiert. Heute gibt er seine Erfahrung als Unternehmensberater weiter und engagiert sich darüber hinaus auch als Vorstand des Demographienetzwerks für eine generationengerechte Personalarbeit. Wir sprachen mit ihm darüber, welchen Nutzen Betriebe durch eine konsequente Lebensphasenorientierung zu erwarten haben.

 

WRS: Herr Kast, bei einer lebensphasenorientierten Personalpolitik geht es um die flexible Gestaltung von Arbeitszeiten, eine individuelle Personalentwicklung oder Maßnahmen der Gesundheitsförderung. Ist sie also nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen?

Rudolf Kast: Das Konzept baut auf den klassischen personalpolitischen Instrumenten auf, das ist richtig. Eine konsequente Orientierung an Lebensphasen bedeutet allerdings, sämtliche Maßnahmen daraufhin zu überprüfen, inwieweit diese zu den vielen verschiedenen Lebenslagen der Beschäftigten passen und bei Bedarf zusätzliche Angebote zu schaffen. Ziel ist es, für alle Mitarbeitergenerationen geeignete Lösungen anbieten zu können. Dies erfordert ein hohes Maß an Flexibilisierung und verändert das Wertegerüst und die Kultur eines Unternehmens oft maßgeblich.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Instrumente einer lebensphasenorientierten Personalpolitik?

Die Grundlage ist immer eine flexible Arbeitszeitregelung, die es ermöglicht, den vielfältigen Wünschen gerecht zu werden. Arbeitszeitkonten sind hier ein hervorragendes Mittel. Die Flexibilität muss jedoch zum Unternehmen und seinen Kunden passen. Deshalb sind klare Regelungen wichtig: Wann kann flexibel gearbeitet werden, wann eben auch nicht? Man sollte sich hinsichtlich der Flexibilität nicht überfordern.

Wie könnten denn erste Schritte konkret aussehen, gerade auch bei kleineren Unternehmen, die nur begrenzte Ressourcen im Personalbereich haben?

Die Verantwortlichen sollten sich zunächst einen Überblick verschaffen: Was sind typische Themen bei uns, wo gibt es den Wunsch nach flexiblen Regelungen? Was haben wir bereits im Angebot, wo gibt es Bedürfnisse, denen wir nicht gerecht werden? Generell hat es sich bewährt, einen Pilotbereich auszuwählen, um auszutesten, wie sich die flexiblen Bedingungen in der Praxis bewähren.

Die Lebensphasenorientierung ist somit vor allem als Mittel geeignet, um Mitarbeiter zu binden?

Die Zufriedenheit der aktuellen Beschäftigten ist ein wichtiger Aspekt. Da die Arbeitnehmer künftig einige Jahre länger arbeiten müssen als bisher, können altersgerechte Rahmenbedingungen dazu beitragen, dass diese über ihre gesamte Lebensarbeitszeit hinweg motiviert und leistungsfähig bleiben. Es lohnt sich aber auch, über eine angebotsorientierte Vorgehensweise nachzudenken. In diesem Fall stehen nicht nur die aktuellen Bedürfnisse der Belegschaft im Fokus, sondern die Frage, wie man mit einer vorausschauenden Personalpolitik als Arbeitgeber grundsätzlich attraktiver werden kann. Vor allem junge Bewerber fragen heute aktiv danach, welche Rahmenbedingungen ein Unternehmen zu bieten hat, um Berufs- und Privatleben zu vereinbaren.

Flexible Rahmenbedingungen führen zu individuellen Vereinbarungen und damit zwangsläufig auch zu einem höheren Abstimmungsbedarf. Ist deshalb nicht mit deutlichen Vorbehalten bei den Führungskräften zu rechnen?

Selbstverständlich gibt es Befürchtungen hinsichtlich des Aufwands und damit verbunden auch die berechtigte Frage nach dem Nutzen des Ansatzes. Gerade deshalb ist es besonders wichtig, die Führungsebene und auch den Betriebsrat von Anfang an in die Entwicklung des Konzepts miteinzubeziehen. Viele Führungskräfte wissen aber auch, was es an Aufwand bedeutet, wenn Mitarbeiter aufgrund eines Erschöpfungssyndroms oder wegen Überforderung längere Zeit ausfallen. Sie sind deshalb grundsätzlich offen für Maßnahmen, die diesem Risiko entgegenwirken.

Erfolgsentscheidend ist, den Nutzen einer Lebensphasenorientierung an alle Interessengruppen aktiv und klar zu kommunizieren. Hier sind die Personalverantwortlichen oft viel zu zurückhaltend.

Können Sie die Vorteile konkretisieren und Anhaltspunkte dafür geben, wie sich diese am besten im Betrieb vermitteln lassen?

Zu einer guten Informationspolitik gehören beispielsweise Veranstaltungen, Handouts, die Beantwortung wichtiger Fragen (FAQs) im Intranet und generell die konsequente Einbeziehung der Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens. Den Verantwortlichen sollte es leicht fallen, positive Botschaften zu formulieren, denn der Nutzen des Konzepts ist vielfältig und in den meisten Aspekten auch sehr gut messbar:

Das Unternehmen verschafft sich beispielsweise spürbare Vorteile bei der Rekrutierung, was sich konkret an den Bewerberzahlen ablesen lässt. Nachweislich werden zudem Bindung und Loyalität der Mitarbeiter verbessert. Eine niedrige Fluktuationsrate spricht hier eine klare Sprache und beeinflusst gleichzeitig die Wiederbeschaffungskosten. Der finanzielle Aufwand sinkt auch, wenn Beschäftigte nach der Elternzeit schneller wieder ins Unternehmen einsteigen, weil sie die passenden Rahmenbedingungen dafür haben. In vielen Fällen lassen sich zusätzliche Maßnahmen deshalb kostenneutral realisieren. Können sich die Mitarbeiter durch flexible Arbeits- und Auszeiten gut regenerieren, steigt erwiesenermaßen auch die Produktivität. Positive Auswirkungen lassen sich darüber hinaus an verringerten Krankheitstagen ablesen.

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