Mehr Demokratie wagen – HEMA verbindet Umorganisation mit Personalentwicklung

Marco Niebling

Marco Niebling

Eine Firmenkultur ohne Hierarchien – in den meisten Maschinenbau-Unternehmen ist das unvorstellbar. Der Bandsägenspezialist HEMA aus Frickenhausen hat es trotzdem gewagt: Bis auf die beiden Geschäftsführer und einen Projektmanager wurden in dem Familienunternehmen alle Führungsebenen abgeschafft und durch demokratisch gewählte Teamsprecher ersetzt. Die Meister übernahmen stattdessen wichtige Aufgaben in der Arbeitsvorbereitung und im Kundenservice. Das Familienunternehmen sollte durch die radikale Umorganisation schneller, flexibler und effizienter werden. Begleitet wurde der Veränderungsprozess durch die LEADaktiv UG aus Heidelberg und ein kluges Personalentwicklungskonzept, das die Eigenverantwortung der Mitarbeiter stärkte und ihre Potenziale und Talente in den Mittelpunkt stellte.

Firmenkultur ohne Hierarchien

Foto: HEMA

Heute sind die rund 50 Mitarbeiter in fünf dynamischen Teams organisiert, die sich selbst managen. Die Mitarbeiter legen unter anderem gemeinsam fest, wie viele Fertigungsstunden sie für eine Aufgabe brauchen, wann sie Urlaub nehmen und mit wem offene Stellen im Team besetzt werden. Durch regelmäßige Jobrotation sollen sie zukünftig noch flexibler werden und ihr Know-how erweitern.

Seit der Einführung des „agilen Projektmanagements“ ist die Produktivität bei HEMA um rund 17 Prozent gestiegen. Die Kunden bekommen schnellere und zuverlässige Lieferzusagen und die Mitarbeiter sind zufriedener und seltener krank. Die Jury des Innovationspreises honorierte diese besonders gelungene Kombination von Organisations- und Personalentwicklung mit einem Sonderpreis. Maßgeblich gesteuert hat den Veränderungsprozess der Projektmanager Marco Niebling. Wir sprachen mit ihm über die Meilensteine des Konzepts.

WRS: Herr Niebling, agiles Projektmanagement setzt auf Flexibilität und demokratische Entscheidungsprozesse. Was hat Sie zu dieser radikalen Veränderung bewogen?

Marco Niebling: 2012 bekam HEMA den Auftrag, für einen russischen Dämmstoffhersteller ein gesamtes Werk zu fertigen. Das Auftragsvolumen umfasste sechs Millionen Euro und entsprach damit unserem bisherigen Gesamtumsatz. Es war schnell klar, dass uns dieses Geschäft an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit bringen würde. Bereits ohne den zusätzlichen Auftrag hatte das Unternehmen damals mit Lieferverzögerungen zu kämpfen. Auf der Suche nach einem passenden Projektmanagement-Tool habe ich ein Unternehmen kennengelernt, das nach dem agilen Projektmanagement arbeitet.

Wie konnten Sie die Geschäftsführer und die Mitarbeiter davon überzeugen, die traditionellen Strukturen aufzugeben?

Durch Gespräche mit LEADaktiv und einen Unternehmensbesuch beim Referenzunternehmen konnte ich die beiden Geschäftsführer, die zunächst schon skeptisch waren, mit ins Boot holen. Schwieriger war es bei den Mitarbeitern, die zum Teil ja ihre Führungsaufgaben verlieren sollten. Deshalb haben wir ein durchdachtes Entwicklungsprogramm aufgesetzt, mit dem die Belegschaft schrittweise an die Veränderungen herangeführt wurde. Eine wichtige Rolle spielte der Startworkshop im August 2013, in dem die Geschäftsführung das Russlandprojekt und unsere Ziele erläuterte. Dort haben wir auch das agile Projektmanagement erstmals vorgestellt. Im Oktober ist dann die ganze Belegschaft zum Referenzunternehmen gefahren, um die Praxis kennenzulernen. Danach war auch für alle Mitarbeiter klar, dass wir uns verändern müssen.

Bereits fünf Monate nach dem Start haben Sie die neue Arbeitsorganisation eingeführt. Wie konnte das so schnell gelingen?

Noch Ende des Jahres organisierte ich mehrere Umsetzungsworkshops, in denen wir erarbeitet haben, wie sich das Konzept am besten auf unsere verschiedenen Unternehmensbereiche übertragen ließe. Damit hatten wir alle Voraussetzungen geschaffen, um ab 2014 ganz praktisch mit dem neuen Ansatz zu arbeiten. In den folgenden Monaten fanden ergänzende Schulungen zu Kommunikation und Selbstmanagement statt, um die Mitarbeiter bei ihren veränderten Aufgaben zu unterstützen. Mit Projekt- und Jahresrückblicken würdigten wir erste Erfolge und passten die Prozesse noch besser an unsere Rahmenbedingungen an. Ergänzend dazu führte ich mit allen Beschäftigten Entwicklungsgespräche, um sie entsprechend ihren Fähigkeiten und Wünschen bestmöglich in die neuen Strukturen einzubinden.

Was sind im Rückblick die wichtigsten Faktoren für den Erfolg?

Die Unternehmensleitung muss hinter dem Konzept stehen, man sollte mit allen Beteiligten sehr viel kommunizieren und die Mitarbeiter von Anfang an einbeziehen. Besonders wichtig ist es, Bedenken ernst zu nehmen und die Belegschaft während des gesamten Veränderungsprozesses gezielt zu unterstützen, das heißt auch die Mitarbeiter zu begleiten, damit sie sich nicht übernehmen. Nur so können die Teams auch den neuen Anforderungen gerecht werden. Dass es bei meiner Kollegin und mir eine ständige Anlaufstelle gibt, ist ebenfalls sehr hilfreich. Denn Zweifel, Fehler und Rückschläge sind Teil des Konzepts und brauchen Zeit sowie eine Plattform, um sie auch bearbeiten zu können. Neutrale, externe Unterstützung ist hilfreich, beschleunigt den Prozess, reduziert damit Zeit und Kosten und erhöht die Erfolgsquote.

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