Gut gelaunt und herzlich: Bei Reinert arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung Hand in Hand

Jürgen Hahn ist Eigentümer und Geschäftsführer der Reinert Kunststofftechnik GmbH & Co.KG in Bissingen/Teck. Seit das Unternehmen für sein soziales Engagement für Menschen mit Behinderung mit dem Mittelstandspreis 2012 ausgezeichnet wurde, steht sein Telefon nicht mehr still. Unternehmerkollegen ,Pressevertreter, Politiker und Verbandsmitglieder – sie alle wollen mehr darüber erfahren, wie es in der Firma des Wirtschaftsingenieurs gelingt, dass Menschen mit und ohne Behinderung so erfolgreich miteinander arbeiten. Der Unternehmer setzt darauf, dass er viele Nachahmer für seine Art der Unternehmensführung findet. Er macht aber auch keinen Hehl daraus, dass ihm der Rummel um seine ungewöhnliche Personalpolitik manchmal zu viel wird.

„Für uns ist das alles seit Jahren vollkommen normal“, betont er. Seit 1990 schon beschäftigt die Reinert GmbH Menschen mit Behinderung. Als junger Berufseinsteiger hatte sich Hahn damals dafür eingesetzt, dass der Sohn von Nachbarn seiner Eltern im Unternehmen eingestellt wurde. Insgesamt 20 Jahre blieb dieser Mitarbeiter bei Reinert – bis zu seiner Rente. In der Zwischenzeit hat Jürgen Hahn das Unternehmen im Rahmen einer Nachfolgeregelung gekauft. Heute sind 11 fest angestellte Menschen mit geistiger Behinderung unter seiner 135-köpfigen Belegschaft. Dazu kommt eine Außengruppe der Werkstätten Esslingen-Kirchheim (WEK) mit acht bis zehn Mitarbeitern, die unentgeltlich Räume und Infrastruktur von Reinert nutzen und sehr gut in den Betriebsablauf integriert sind.

»Es gibt zahlreiche Tätigkeiten, die auch von Menschen mit Handicap sehr gut und zuverlässig gemeistert werden können.«

Arbeiter

Reinert Kunststofftechnik GmbH & Co.KG

Reinert entwickelt und fertigt Kunststoffspritzgussteile für unterschiedlichste Bereiche, beispielsweise für die Automobilbranche, die Heizungstechnik oder Kindersicherheitssysteme. Es gibt zahlreiche Tätigkeiten wie das Prüfen, Montieren oder Verpacken der Kunststoffteile, die auch von Menschen mit einem Handicap sehr gut und zuverlässig gemeistert werden können. Ursprünglich hatte der Kunststoffspezialist Teile zum Sortieren in die Werkstätten nach Esslingen geschickt. Irgendwann fragte sich Jürgen Hahn, ob das nicht auch bei Reinert vor Ort funktionieren könnte. Von seinem Plan mussten anfangs vor allem die Eltern der behinderten Menschen überzeugt werden, die Werkstättenmitarbeiter selbst waren sofort Feuer und Flamme. Als die ersten zur Probe nach Bissingen kamen, war es für alle Beteiligten jedoch schnell zu erkennen, dass das Experiment erfolgreich sein würde. Im letzten Jahr hat das Unternehmen erstmals zwei Mitarbeiter aus der Außenarbeitsgruppe in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im normalen Schichtbetrieb übernommen.

»Mitarbeiter mit Behinderung sind alle hoch motiviert, das überträgt sich auch auf die restliche Belegschaft.«

„Unsere Mitarbeiter mit Behinderung sind aus dem Arbeitsprozess bei Reinert nicht mehr wegzudenken“, betont der Geschäftsführer. Er lobt deren hohe Zuverlässigkeit und Arbeitsqualität und ganz besonders auch die gute Laune und herzliche Stimmung, die diese Menschen verbreiten. „Sie sind alle hoch motiviert und kommen jeden Tag wirklich gerne zur Arbeit – das überträgt sich auch auf die restliche Belegschaft“ ,beschreibt Jürgen Hahn die Zusammenarbeit. Die Festanstellung bedeutet für die Beschäftigten mit Behinderung eine wirkliche Wertschätzung ihrer Fähigkeiten und ist ein wichtiger Schritt Richtung Autonomie, während den sogenannten „normalen“ Mitarbeitern bei diesen einfachen Tätigkeiten oft der Anreiz fehlt.

Der Einstieg in eine Festanstellung erfolgt bei Reinert in der Regel immer über Praktika und unter einer intensiven Betreuung durch die Integrationsfachdienste. Dies hat sich von Anfang an bestens bewährt. Die Fachdienste sind auch Ansprechpartner, wenn es mit der Festanstellung einmal nicht klappen sollte oder ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis aufgelöst werden muss. „Natürlich gibt es dieses Risiko auch”, berichtet der Bissinger Unternehmer und schildert einen Fall, bei dem man sich von einem Mitarbeiter letztendlich trennen musste. Dass Menschen mit Behinderung unkündbar seien, ist ein Vorurteil, dass er nicht bestätigen kann.

Die Einschaltung des Integrationsfachdienstes ist dabei allerdings Pflicht, ansonsten ist eine Kündigung nicht wirksam. Jürgen Hahn hat die Zusammenarbeit mit der Behörde als sehr angenehm empfunden. Im konstruktiven Dialog hatte man zunächst alle Möglichkeiten ausgelotet, um das Arbeitsverhältnis weiter aufrechtzuerhalten und sich schließlich einvernehmlich für eine Trennung entschieden. Der betroffene Mitarbeiter wurde auch in dieser Phase vom Integrationsdienst intensiv begleitet.

Bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung überwiegen für den Geschäftsführer von Reinert allerdings eindeutig die Chancen. Auch von seinen Kunden bekommt er sehr viel positive Rückmeldung dazu. Manchen Auftrag erhält das Unternehmen auch ausdrücklich aufgrund seines sozialen Engagements. Nicht zuletzt hat das Unternehmen einen ausgezeichneten Ruf als Arbeitgeber gewonnen. Deshalb ist unter den jährlichen Bewerbern für Arbeits- und Ausbildungsplätze auch eine Vielzahl, die sehr gerne in dem sozial verantwortlichen Betrieb arbeiten würde – und zwar mit und ohne Behinderung.

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