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- Kathrin Limbacher
Statt Terminplänen und Budgets wollen Dimitrios Horozidis und Roberto Richter Menschen in den Mittelpunkt der Projektarbeit stellen. Weil ihr Arbeitgeber diese Idee nicht teilt, kündigen die beiden und starten ihr eigenes Projekt. Das ist im September 2009 – es wird die Geburtsstunde der GPI Consulting GmbH. Nur fünf Monate später beschäftigen sie bereits 22 Gleichgesinnte, die das Experiment wagen wollen, nicht nur Projektarbeit, sondern auch Führung anders zu denken.
Vom Anforderungsmanagement über den reibungslosen Betrieb einer Lösung bis zur Projektnachbereitung deckt das GPI-Team alle relevanten Aufgaben in der IT-Beratung ab. Zusätzlich entwickelt es spezielle Beratungsleistungen zur Kommunikation und dem Veränderungsmanagement in Projekten. „Wir verstehen uns als ganzheitlichen Begleitservice für IT-Projekte“, beschreibt Dimitrios Horozidis das Leistungsportfolio.
In der Zwischenzeit ist das Team auf 48 Mitarbeiter angewachsen, die sich auf die Standorte Stuttgart, München und Hamburg verteilen. Rund die Hälfte davon hat einen IT-Hintergrund, die anderen sind Betriebswirte, Psychologen, Pädagogen oder Geisteswissenschaftler. „Diese Artenvielfalt ist bewusst gewählt“, betont Sarah Ickert, die seit Mai 2016 das dritte Mitglied der Geschäftsleitung ist und sich insbesondere um den Vertrieb kümmert. Sie weiß genau, wie notwendig der Blick über den IT-Tellerrand ist, um die Kundensicht zu verstehen. Aber auch bei der Optimierung der internen Organisation oder strategischen Fragen zählt die GPI Geschäftsleitung darauf, dass die interdisziplinäre Belegschaft ihre fachlichen und persönlichen Perspektiven mit einbringt.
„Die Mitarbeiter zu Beteiligten machen“ ist eines der wichtigsten Credos und beschreibt gleichzeitig die Führungsphilosophie des Unternehmens. Die Geschäftsleitung setzt die strategischen Themen und überlässt deren konkrete Ausgestaltung dann oft vollständig der Belegschaft. Entstanden sind auf diese Weise unter anderem die Unternehmensleitlinien, in denen das GPI-Team zentrale Werte seiner Zusammenarbeit definiert. Aktuell kümmern sich die Mitarbeiter selbstorganisiert darum, wie sie ihr Wissen besser vernetzen und austauschen können.
Sarah Ickert, Fotos: GPI Consulting GmbH
„Wir steuern uns nicht über Regeln oder Hierarchien. Orientierung geben stattdessen Rollenbilder, in denen wir wichtige Aufgaben und Funktionen beschreiben. Sie definieren beispielsweise die Verantwortung für ein Projekt, ein strategisches Thema oder auch eine interne Organisationsaufgabe. Ist die Aufgabe erfolgreich erledigt, übernehmen die jeweiligen Mitarbeiter neue Rollen. Führungsverantwortung wird so immer auf diejenigen übertragen, die für ein Thema besonders kompetent sind und auch Lust darauf haben.“
Auf die Entwicklung der GPI Einfluss nehmen kann die Belegschaft auch in den internen Ressourcengruppen. Standortübergreifend bündeln hier Mitarbeiter, die ähnlich ticken, persönliche Stärken wie Disziplin, Überblick, Spaß oder Ehrgeiz, um sie dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die verschiedenen Gruppen geben sich einen Namen und bekommen ein definiertes Zeitbudget, über das sie frei verfügen können. „The Force“ sind beispielsweise einige Mitarbeiter mit besonderen Macherqualitäten. Sie engagieren sich dafür, dass gute Ideen nicht nur in den Köpfen von Geschäftsleitung und Belegschaft existieren, sondern auch tatsächlich Wirklichkeit werden.
Auch im Alltag lädt die Geschäftsleitung die Mitarbeiter ständig dazu ein, sich mit ihren Ideen und Verbesserungsvorschlägen einzumischen. Was der Einzelne zu Neuerungen im Unternehmen beiträgt, ist Bestandteil regelmäßiger Feedbackgespräche und beeinflusst, neben anderen Faktoren, seinen flexiblen Jahresbonus. Dass sich das gesamte Team für wichtige Zukunftsthemen verantwortlich fühlt, bestimmt nicht nur die Führungskultur, sondern schafft auch ein ganz besonderes Innovationsklima. Die Umsetzung der konkreten Ideen wird von einem speziellen Projektmanager für interne Projekte koordiniert, der sich eng mit der Geschäftsleitung abstimmt. Die GPI wurde dafür unter die Top 100 der innovativsten Mittelständler Deutschlands gewählt und trägt seit Juni 2016 den Titel „Top Innovator“.
Dimitrios Horozidis, Geschäftsführer
„Als Geschäftsleitung sehen wir unsere Aufgabe vor allem darin, Rahmenbedingungen zu setzen, die den Erfolg unserer Mitarbeiter und damit der GPI ermöglichen. Kommunikation spielt dabei die zentrale Rolle. Wer mitgestalten soll, muss Bescheid wissen und sich vernetzen können. Um gleichzeitig Kreativität und Innovationen zu fördern, haben wir verschiedene Austauschforen geschaffen. Eine jährliche GPI-Teamtagung gehört dazu, bei der die Belegschaft gemeinsam an strategischen Themen wie dem Wissenstransfer arbeitet. Eine wichtige Informationsplattform ist auch das vierteljährliche Standortmeeting, bei dem die Mitarbeiter aller drei Standorte gleichzeitig per Video zum Beispiel über Kennzahlen, neue Projekte oder Kundenfeedbacks informiert werden.“

YakobchukOlena/Fotalia.com
Es liegt im Eigeninteresse jedes Arbeitgebers, seine Belegschaft vor gesundheitlichen Risiken zu schützen: Gesunde Mitarbeiter sind engagierter, leistungsfähiger und fallen seltener aus. Im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) hat der Gesetzgeber die Unternehmen dazu verpflichtet, Gefährdungen am Arbeitsplatz zu beurteilen und gegebenenfalls zu beheben. Seit 2013 müssen nicht nur körperliche, sondern auch psychische Belastungsfaktoren analysiert werden. In vielen Firmen ist das jedoch noch immer ein Tabuthema.
Laut dem DEKRA-Arbeitssicherheitsbarometer 2015/16 legt bei der vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung bisher nur rund ein Viertel der deutschen Firmen das Augenmerk auf die psychische Beanspruchung seiner Mitarbeiter. Viele sehen darin die Büchse der Pandora, die – einmal geöffnet – unangenehme Wahrheiten zutage bringt und die Verantwortlichen unter Handlungsdruck setzt. In vielen Fällen scheuen die Betriebe auch den vermeintlich hohen Aufwand einer solchen Gefährdungsanalyse oder wissen einfach nicht, wie man sie richtig durchführt. Und nicht wenige bezweifeln, dass man psychische Belastungen überhaupt messen und beeinflussen kann.
Psychische Belastungen können anregen oder behindern
Es hilft zunächst, die Begriffe klar zu definieren: Unter psychischer Belastung versteht der Gesetzgeber „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“. Er benutzt den Begriff wertneutral und bezieht sich auf die Arbeitsbedingungen und nicht etwa auf Personenmerkmale. Ursachen für Belastungen sind beispielsweise in der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsorganisation, den sozialen Beziehungen oder der Arbeitsumgebung zu finden. Abhängig von ihrer Ausgestaltung können sie den Menschen unterstützen oder eben auch beeinträchtigen.
Ob sich Belastungsfaktoren positiv oder negativ auswirken, hängt davon ab, wie viele zusammenkommen und in welchem Ausmaß sie eine Person beeinflussen. So kann eine Vielzahl verschiedener Aufgaben durchaus motivierend wirken – müssen diese aber in einer lauten Umgebung erledigt werden, kommt es in Summe zu einer Fehlbeanspruchung und infolgedessen zum Beispiel zu einer zunehmenden Erschöpfung. Dabei spielt es auch eine Rolle, ob die betroffene Person Strategien kennt, um die Belastungen zu bewältigen – also beispielsweise Entspannungsmethoden beherrscht, die ihr helfen, sich zu erholen.
Ungünstige Bedingungen erkennen und verbessern
Wenn sie professionell umgesetzt wird, kann die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung große Chancen bieten. Sie liefert dem Arbeitgeber wertvolle Informationen darüber, wie seine Mitarbeiter die Rahmenbedingungen im Betrieb erleben. Er erfährt, wo sich die Beschäftigten in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt fühlen, wo Arbeitsabläufe unklar und Aufgaben ungleich verteilt sind oder wo organisatorische Voraussetzungen fehlen, die für eine erfolgreiche Erledigung der Arbeit notwendig wären. Die Ergebnisse lassen auch Rückschlüsse zu, wo es Teamkonflikte zu lösen gilt oder die Führungskompetenzen einer Leitungsperson verbessert werden sollten.
Zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (GBpsych) gibt es kein allgemeingültiges Verfahren – die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) empfiehlt hierzu unter anderem Mitarbeiterbefragungen mit der Hilfe von arbeitswissenschaftlich geprüften Fragebögen. Zumindest beim ersten Mal kann es sich lohnen, einen externen Experten hinzuzuziehen. Dieser kann bei der Auswahl des passenden Erhebungsinstruments helfen, die Befragung organisieren und auch als neutraler Moderator fungieren.
Solide Datenbasis für wirkungsvolle Veränderungen
Bei Bedarf unterstützen solche Dienstleister auch dabei, geeignete Gegenmaßnahmen zum Abbau der Gefährdungen zu entwickeln sowie den Prozess in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zu dokumentieren. In der Regel wecken die Ergebnisse der Analyse keine schlafenden Hunde, sondern sind meistens durch Rückmeldungen einzelner Mitarbeiter längst thematisiert worden. Auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung haben die Entscheider jetzt aber eine repräsentative Datenbasis, mit der sie die subjektiven Feedbacks besser einordnen können.
Um die richtigen Schritte in die Wege zu leiten, die tatsächlich zu Verbesserungen führen, ist eine professionelle Diagnostik Voraussetzung. In vielen Fällen sind die Lösungen dann gar nicht mehr so aufwendig, sondern solides Personalentwicklungshandwerk. So können beispielsweise eine Schulungsmaßnahme, die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder ein verändertes Stellenprofil schon sehr viel bewirken. Auch eine Teamentwicklungsmaßnahme kann Belastungen mindern, wenn etwa ungelöste Konflikte oder zu wenig Kommunikation die Ursachen sind. Richtig eingesetzt, ist die Gefährdungsbeurteilung keinesfalls nur gesetzliche Pflichtaufgabe, sondern vielmehr der Schlüssel für eine effektive gesundheitliche Prävention am Arbeitsplatz, von der Betriebe und Mitarbeiter gleichermaßen profitieren.

Foto: Karl-Heinz Rahm GmbH
Rund 337 Baustellen hat Axel Rahm im letzten Jahr mit seinen 62 Mitarbeitern betreut. Der Ingenieur ist Eigentümer der Cannstatter Karl-Heinz Rahm GmbH, die sich auf Altbausanierungen spezialisiert hat. Auf der Projektliste seiner Baufirma stehen komplexe Umbauaufträge in Millionenhöhe neben klassischen Sanierungsprojekten und vielen Kleinaufträgen wie zum Beispiel einfachen Wanddurchbrüchen. Um die vielfältigen Baudienstleistungen anbieten zu können, beschäftigt der Unternehmer unterschiedlichste Facharbeiter wie Maurer, Baggerführer, Beton- und Stahlbetonbauer und Kranführer, aber auch viele ungelernte Helfer. Dazu kommen Vorarbeiter, Werkpoliere, Meister, Techniker, Bauingenieure sowie Kaufleute und Bürokräfte.
In Zeiten einer boomenden Baukonjunktur sind qualifizierte Arbeitnehmer in der Branche heiß begehrt. Trotzdem hat das Familienunternehmen keinen Fachkräftemangel, betont der Firmenchef. Erforderliche Mitarbeiter rekrutiert Rahm regelmäßig aus dem persönlichen Umfeld seiner aktuellen Belegschaft und qualifiziert sie anschließend entsprechend dem Bedarf des Unternehmens weiter. Axel Rahm folgt damit einer Maxime seines Vaters, der schon immer die Auffassung vertrat, „gute Fachleute am besten selbst auszubilden“.
Mehr als 50 Prozent der Rahm-Mitarbeiter haben portugiesische oder italienische Wurzeln. „Oft haben Bewerber zwar handwerkliche Erfahrung, aber keine klassische Lehre aufzuweisen“, erläutert Axel Rahm. Schulnoten oder eine Abschlussurkunde sind ihm nicht so wichtig. Viel mehr zählen Engagement und Lernbereitschaft eines Kandidaten. Macht dieser einen guten Eindruck, bekommt er zunächst einen befristeten Arbeitsvertrag. Nach drei Monaten wird dann erstmals beurteilt, ob sich das positive Bild bestätigt hat und in welchen Bereichen der Arbeitnehmer gegebenenfalls zusätzlich qualifiziert werden muss. Fehlende Fertigkeiten werden dann Schritt für Schritt geschult, indem beispielsweise erfahrene Kollegen ihr Fachwissen weitergeben. Darüber hinaus sind auch externe Trainings und spezielle Einzelcoachings im Weiterbildungsprogramm.
»Es wurden verschiedene Karrierepfade definiert, die die schrittweise Kompetenzentwicklung von der Fach- zur Führungskarriere beschreiben.«
„Wir pflegen eine sehr persönliche Firmenkultur“, betont Axel Rahm. Er kennt alle seine 62 Beschäftigten mit Namen und von vielen auch die privaten Hintergründe. Deshalb verwundert es nicht, dass der Unternehmer die Weiterqualifizierung seiner Mitarbeiter sehr individuell betreibt. Dazu spricht er regelmäßig mit seinen Polieren, um jeden einzelnen Mitarbeiter hinsichtlich möglicher Perspektiven und des notwendigen Qualifizierungsbedarfs einzuschätzen. In anschließenden Einzelgesprächen mit den Beschäftigten werden dann die Weiterbildungsmaßnahmen für das kommende Jahr diskutiert. Gemeinsam mit externen Beratern hat der Firmenchef verschiedene Karrierepfade definiert, die eine schrittweise Kompetenzentwicklung vom Helfer und Facharbeiter zum Vorarbeiter über den Polier bis hin zum Bauleiter beschreiben.

Foto: Karl-Heinz Rahm GmbH
Wenn ein Beschäftigter positiv auf sich aufmerksam macht, setzt sich Axel Rahm oft besonders nachdrücklich dafür ein, dass sich der entsprechende Kandidat weiter entwickelt. Ismaele Amoruso ist ein solcher Fall. Bevor er zu Rahm kam, war er von seinem früheren Ausbildungsbetrieb im ersten Lehrjahr entlassen worden. Axel Rahm gab dem jungen Mann eine zweite Chance und kam zu der Einschätzung, dass in dem Lehrling sehr viel mehr steckt als dieser bisher gezeigt hatte. In einem intensiven Gespräch versuchte er dem Mitarbeiter mögliche Perspektiven, aber auch den Worst-Case klar zu machen – mit Erfolg. Ismaele Amoruso hat anschließend nicht nur seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und sich zu einem hochmotivierten Mitarbeiter entwickelt, sondern zwischenzeitlich außerdem berufsbegleitend seine Meisterprüfung abgelegt. Besonders stolz ist Axel Rahm aber darauf, dass Ismaele Amoruso seine positiven Erfahrungen auch an andere Kollegen weitergibt: So hat der Baufachmann ganz bewusst einen besonders engagierten, aber ungelernten Helfer in sein Team geholt, um diesen gezielt fördern zu können.
Auch die betriebsinterne Karriere von Iris Pihsarek ist beeindruckend. Ursprünglich als Büroschreibkraft eingestellt, konnte die gelernte Landschaftsgärtnerin schnell unter Beweis stellen, dass sie ein besonders gutes Gefühl für Kosten hat. Im Laufe der Jahre wurde sie Schritt für Schritt weitergebildet und ist heute, neben dem Firmenchef und und seinem Vater, eine der drei Kalkulatoren des Unternehmens.
Diese und ähnliche Erfahrungen bestärken Axel Rahm darin, dass noch sehr viel mehr Potenzial in seiner Belegschaft steckt. Sein Personalmanagement will er deshalb weiter professionalisieren. Dazu gehört beispielsweise eine langfristige Personalplanung, die auch das Ausscheiden älterer Mitarbeiter im Blick hat und rechtzeitig für Nachwuchs sorgt. Obwohl er künftig die Jahresgespräche schrittweise an seine Führungskräfte übertragen, will, wird die Weiterbildung seiner Belegschaft immer Chefsache bleiben – denn er hält sie für einen ganz entscheidenden Erfolgsfaktor seines Unternehmens.
Obwohl der Nutzen eines gezielten Arbeitgebermarketings zwischenzeitlich unbestritten ist, zweifeln die Verantwortlichen in kleineren Firmen noch häufig daran, dass sie davon profitieren können. Dabei wäre es gerade für diese Unternehmen lohnend, sich als Arbeitgeber professioneller zu vermarkten.
»Kleinbetriebe können knapp 23 Prozent der von ihnen ausgeschriebenen Stellen nicht besetzen.«
Sie haben es besonders schwer, neue Mitarbeiter zu finden, dies belegt eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Demnach bekommen Kleinbetriebe deutlich weniger Bewerbungen als ihre größeren Konkurrenten – knapp 23 Prozent aller ausgeschriebenen Stellen können sie gar nicht besetzen.
Missverständnisse verhindern Employer-Branding-Aktivitäten

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Experten empfehlen, eine eigene Arbeitgebermarke zu entwickeln, um im Fachkräfte-Wettbewerb entscheidend zu punkten. Die Instrumente dazu werden auch unter dem Begriff Employer Branding zusammengefasst. Sie gelten in großen Konzernen schon länger als der Königsweg, um neue Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Bei kleineren Unternehmen herrschen allerdings noch zahlreiche Missverständnisse vor, die sie davon abhalten, sich auf dem Arbeitsmarkt aktiv zu positionieren. Viele Entscheider im Mittelstand sind davon überzeugt, dass ihre Betriebe schon aufgrund der Größe zu wenig zu bieten hätten, um Markenpolitik zu betreiben. Auch der Irrglaube, man müsse als Unternehmen bereits als Marke bekannt sein oder Markenprodukte anbieten, um auch als Arbeitgebermarke wahrgenommen zu werden, ist ein häufiger Grund für das fehlende Engagement. Oft werden außerdem Kosten und Aufwand für entsprechende Maßnahmen falsch eingeschätzt. Tatsächlich gibt es jedoch gute Gegenargumente für diese Bedenken:
Mitarbeiterbindung durch Weiterentwicklung als Arbeitgeber
Um sich als Arbeitgeber ins rechte Licht zu rücken, muss sich ein Unternehmen zunächst darüber bewusst werden, für welche Werte und Arbeitsbedingungen es steht und wo die Pluspunkte liegen, die es von der Konkurrenz unterscheiden. Dies ist ganz unabhängig von der Betriebsgröße möglich. Ein erster Schritt könnte zum Beispiel darin bestehen, die eigenen Mitarbeiter und Führungskräfte zu befragen, was sie an ihrem Arbeitsplatz besonders schätzen. Der Prozess des Employer Branding führt automatisch dazu, sich intensiver mit den Bedürfnissen der Beschäftigten auseinanderzusetzen. Somit bietet er immer auch die Chance, die eigenen Qualitäten als Arbeitgeber weiterzuentwickeln. Werden die angestoßenen Diskussionen mit der Belegschaft offen und konstruktiv geführt, stärken sie zudem das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Identität einer Firma. Gerade für kleinere Betriebe ist Employer Branding deshalb ein sehr wirkungsvoller Ansatz, um ihre bereits beschäftigten Arbeitskräfte langfristig an das eigene Unternehmen zu binden.
Authentizität ist wichtig
Die Arbeitgebermarke verdeutlicht sowohl den eigenen Mitarbeitern als auch potenziellen Bewerbern, was ein Unternehmen zu bieten hat. Um seine Eigenschaften als Arbeitgeber nach innen und außen glaubwürdig zu kommunizieren, sollten sich kleinere Betriebe selbstbewusst auf ihre eigenen Stärken konzentrieren und keinesfalls versuchen, die Vorteile der größeren Konkurrenten nachzuahmen. Laut der TOP-JOB-Studie 2011 zeichneten sich die besten Mittelständler dadurch aus, dass sie eine besondere Führungs- und Vertrauenskultur haben. Eine gute Kommunikation mit den Mitarbeitern, individuelle Förderung und besondere Familienfreundlichkeit waren weitere Erfolgsfaktoren. Bei sämtlichen Aspekten müssen sich kleinere Unternehmen nicht verstecken Im weiteren Prozess kommt es deshalb entscheidend darauf an, vorhandene Stärken bei seiner Zielgruppe sichtbar zu machen. Dazu gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, auch wenn ein Unternehmen und seine Produkte bisher noch nicht so bekannt sind. In vielen Fällen schaffen erfolgreiche Personalmarketingaktivitäten sogar die Voraussetzung dafür, um anschließend auch die Produkte und das Gesamtimage besser zu vermarkten.
Angebote im Internet
Die Grundausstattung ist ein professioneller Firmenauftritt, der auch mit begrenztem Budget realisiert werden kann. Im Idealfall gibt es außerdem noch eine eigene Karriereseite, die das Unternehmen als Arbeitgeber vorstellt, spannende Projekte beschreibt und außerdem die aktuellen Stellenangebote enthält. Hier ist auch das passende Umfeld, um den Bewerbungsprozess transparent zu machen.
»Employer Branding bietet auch die Chance, seine Qualitäten als Arbeitgeber weiterzuentwickeln.«
Mit überschaubarem Aufwand lassen sich außerdem Blogs betreiben, in denen Mitarbeiter regelmäßig über ihren Alltag berichten und damit die Unternehmenskultur nach außen repräsentieren. Jüngere Bewerber werden am besten über die bekannten Social-Media-Kanäle wie Facebook, Twitter, YouTube oder auch Xing und LinkedIn angesprochen. Wer diese Wege wählt, sollte seine Angebote unbedingt aktuell halten und einen guten Umgang mit den Bewerbern pflegen. Relevant sind in diesem Zusammenhang auch Arbeitgeberbewertungsportale wie kununu, die die Personalverantwortlichen kennen und beobachten sollten.
Mitarbeiter und Praktikanten als Markenbotschafter
Zufriedene Mitarbeiter, ehemalige Beschäftigte oder Praktikanten sind die glaubwürdigsten Markenbotschafter für ein Unternehmen. Hier zahlt es sich besonders aus, dass die kleineren Arbeitgeber meist sehr persönliche Beziehungen pflegen.
»Wer Social-Media-Kanäle wählt, sollte regelmäßig interessante Neuigkeiten anbieten.«
Es ist deshalb unbedingt empfehlenswert, gute Kontakte auch nach Abschluss eines Praktikums und über die Firmenzugehörigkeit hinaus lebendig zu halten.
Zusammenarbeit mit Schulen und Hochschulen
Um sich bei potenziellen Nachwuchskräften aus der Umgebung bekannt zu machen, lohnt es sich außerdem, mit Schulen und Hochschulen zu kooperieren. Berufsorientierungswochen, Ferienjobs oder Studien- und Abschlussarbeiten bieten beste Möglichkeiten, einen Einblick ins Unternehmen zu gewinnen. Außerdem können sich Betriebe auf relevanten Ausbildungs- und Hochschulmessen präsentieren. Die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS) unterstützt kleinere Firmen mit verschiedenen kostenlosen Angeboten wie Career Walks, ihrer Job Wall, Firmenkontaktmessen oder den Career Talks dabei, mit Schülern und Studierenden in Kontakt zu kommen. Weitere gute Möglichkeiten, sich zu zeigen, sind auch ein „Tag der offenen Tür“ sowie das Sponsoring von Vereinsaktivitäten oder Hochschulevents.
Die beschriebenen Instrumente sind alle mit überschaubarem Aufwand realisierbar. Um Wirkung zu erzielen, ist es gar nicht notwendig, möglichst vieles zu tun. Es reicht vollkommen, wenige Aktivitäten auszuwählen, die auch wirklich zum Betrieb passen, und diese dann konsequent und langfristig umzusetzen.

Marbacher Zeitung v. 14.09.13 Dominik Thewes
2013 trafen sich Führungskräfte und alle Mitarbeiter der PROTEC GmbH aus Oberstenfeld in der Bildungsstätte Haus Steinheim. In angenehmer Umgebung und ohne Störungen wollte die Runde daran arbeiten, das Firmenleitbild des Röntgentechnologie-Spezialisten künftig mit mehr Leben zu füllen. Mit am Tisch saßen damals auch Jochen Haar und Dieter Raiser, die Rektoren der Matern-Feuerbacher-Realschule. Für die beiden Schulleiter stehen diese Stunden exemplarisch für die besondere Beziehung, die die Großbottwarer Schule mit dem mittelständischen Technologieunternehmen pflegt.
»Es war für uns ein großer Vertrauensbeweis, Kultur und Firmenphilosophie von PROTEC in dieser intimen Runde noch besser kennenzulernen«,
unterstreicht Jochen Haar. Besonders beeindruckt hat den Schulleiter, dass das Unternehmen die Aspekte „Team, Geist, Können“ in den Mittelpunkt stellt und sich damit an ähnlichen Werten orientiert, wie das Lehrerkollegium seiner Realschule. Seit September 2013 unterhalten die beiden Seiten eine Bildungspartnerschaft und haben in den darauffolgenden Monaten viele spannende Erfahrungen miteinander gemacht.

PROTEC GmbH & Co. KG
Wie wichtig es ist, dass die verantwortlichen Personen auf einer Wellenlänge liegen, weiß auch Tanja Fichtner. Die Ehefrau des Geschäftsführenden Gesellschafters Erhard Fichtner hat 2011 die Personalleitung bei PROTEC übernommen und engagiert sich seither dafür, der Aus- und Weiterbildung im Unternehmen mehr Gewicht einzuräumen. Gleich zu Beginn ihrer neuen Aufgabe hatte sie Kontakt zur Realschule in Großbottwar aufgenommen und darum gebeten, eine Stellenbeschreibung an der Schulpinnwand aufhängen zu dürfen. Kurze Zeit später hörte Tanja Fichtner zum ersten Mal von offiziellen Bildungspartnerschaften, die von der IHK Region Stuttgart unterstützt werden. Die Idee gefiel ihr, und sie organisierte ein Treffen mit der Schulleitung der Realschule und der IHK-Expertin Sabine Fiedler. Nach kurzer Bedenkzeit waren sich die Partner darüber einig, dass sie auf diese Weise kooperieren wollten.
»Wir bieten sehr innovative Projekte und ein tolles Betriebsklima. Aber unser ländlicher Standort macht es erforderlich, dass wir noch bekannter werden und junge Talente aktiv auf unser Potenzial aufmerksam machen«,
betont die Betriebswirtin. Den Auftakt bildete eine Schülervollversammlung bei der die Kooperation mit PROTEC offiziell vorgestellt wurde. Eine interviewte Schülerin stellte vor versammelter Mannschaft fest, dass es auch im Schulalltag darum gehe, Herausforderungen zu meistern, ständig dazuzulernen und sich dabei im Team zu unterstützen. „Gemeinsam stark fürs Leben“ lautet daher auch das Leitmotto der Realschule, das Schülern, Lehrern und Ehrenamtlichen als gemeinsame Richtschnur dient. In den ersten Monaten der Bildungspartnerschaft ging es zunächst darum, sich besser kennen zu lernen. Dazu haben Mitglieder des Lehrerkollegiums den Firmenstandort besucht. Seither kommen die Pädagogen regelmäßig ins Unternehmen, um vor Ort zu sehen, was ihre Schüler dort bei ihren Berufsorientierungspraktika BORS erleben. Ihre Beobachtungen werden auch beim künftigen Unterricht berücksichtigt: So übt eine Englischlehrerin zum Beispiel jetzt regelmäßig typische Situationen aus dem Ausbildungsalltag wie Telefonate oder geschäftliche Korrespondenz in ihrem Unterricht.
Im Gegenzug wurden PROTEC-Auszubildende in die Realschule eingeladen. Dort gaben sie den Schülern beispielsweise hilfreiche Hinweise zu deren Präsentationen, die diese zum Thema „Ersten Weltkrieg“ vorbereitet hatten. Besonders beeindruckt hat die Schüler auch der Vortrag eines Bachelor-Studierenden, der sehr anschaulich beschreiben konnte, auf was es im Studien- und Berufsalltag ankommt. PROTEC hat sich darüber hinaus an vielen weiteren Aktionen der Schule beteiligt. So wurde der Schultriathlon gesponsert, das Unternehmen engagierte sich bei der Traumjobbörse und war auch bei der Aufführung des traditionellen Schulmusicals präsent.
Dass sich die in die Bildungspartnerschaft investierte Zeit in jedem Fall lohnt, darüber sind sich die Beteiligten einig. Für die Realschüler ist der Übergang vom Schul- ins Berufsleben dadurch schon sehr viel leichter geworden und PROTEC muss keine Stellenanzeigen mehr schalten, um Auszubildende zu finden, die auch zum Unternehmen passen.
Studien belegen, dass Menschen in ästhetisch und funktional durchdachten Raumwelten motivierter arbeiten, mehr Ideen entwickeln und sich insgesamt wohler und gesünder fühlen. Im Projekt „Menschen in Räumen“ haben Stuttgarter Forscher beispielsweise herausgefunden, dass Mitarbeiter bei gedämmtem Licht kreative Aufgaben besser lösen können. Andere Untersuchungen zeigen, dass Beschäftigten in Großraumbüros oft die Privatsphäre fehlt und sie sich nur schlecht konzentrieren können.
Die Gestaltung des Arbeitsraums wirkt sich maßgeblich darauf aus, wie leistungsfähig und produktiv eine Belegschaft ist. Darüber hinaus kommunizieren Gebäude und Arbeitsräume die Kultur und Werte eines Unternehmens nach außen und beeinflussen somit unter anderem seine Attraktivität als Arbeitgeber.
Neue Arbeitswelten fördern Kommunikation und Konzentration
Amerikanische Unternehmen wie Google oder Airbnb haben Arbeitswelten geschaffen, in denen Job und Freizeit ineinanderfließen und die vor allem junge Nachwuchskräfte anlocken. Ihre Mitarbeiter lesen Konzepte in der Hängematte, besprechen sich in umgebauten Skigondeln und entspannen sich auf dem firmeneigenen Beachvolleyballfeld. Auch für viele deutsche Unternehmen ist der Arbeitsraum zwischenzeitlich ein wichtiger Einflussfaktor geworden, um wettbewerbsfähig und innovativ zu bleiben und bei Kunden, Mitarbeitern und potenziellen Bewerbern positiv wahrgenommen zu werden.
Die Adidas World of Sports in Herzogenaurach verbindet beispielsweise Landschaft und Arbeitswelt und gleicht einem hoch flexiblen Organismus, der unkompliziert an neue Arbeitsabläufe und Mitarbeiter-wünsche angepasst werden kann. Auch bei der Planung der neuen Siemens-Zentrale in München ging es längst nicht mehr bloß um die Entscheidung zwischen Einzel- und Großraumbüros. Ihre Räumlichkeiten sollen den Mitarbeitern vielmehr ermöglichen, sich intensiv auszutauschen, interdisziplinär zusammenzuarbeiten und gleichzeitig die Selbstorganisation und konzentriertes Arbeiten zu unterstützen. Beide Unternehmen setzen auf offene und flexibel nutzbare Bürolandschaften für jeweils unterschiedliche Tätigkeiten.
Moderne Raumkonzepte sind vielfältig, flexibel und vernetzt
In innovativen Konzepten arbeiten die Beschäftigten immer dort, wo es gerade am sinnvollsten ist. Ihre Routinearbeiten erledigen sie im Großraumbüro, Kundengespräche führen sie in repräsentativen Tagungsräumen und zur Entspannung treffen sie sich in bunt gestalteten Pausenzonen. Daneben gibt es geschützte Arbeitsorte für Teambesprechungen und kleine Rückzugsräume für konzentriertes Arbeiten. Der Wechsel zwischen den Bereichen führt zwangsläufig dazu, dass sich die Menschen auch mehr bewegen.
Die Arbeitsräume der Zukunft sind jedoch nicht nur vielfältig, sondern auch digital und vernetzt. Sie integrieren moderne Informationstechnologien und unterstützen Unternehmen und ihre Mitarbeiter dabei, flexibel und mobil zu arbeiten. Eine gut durchdachte technische Infrastruktur macht es zudem leichter, Arbeits- und Privatleben zu verbinden. Die Digitalisierung hat viel Gestaltungsfreiraum geschaffen. Wer heute ein neues Gebäude baut oder Arbeitsplätze umgestaltet, muss jedoch auch daran denken, dass die Anforderungen sich ständig weiterentwickeln. Die Arbeitsumgebungen sind somit ein Spiegel für technische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Trends.
Der Raum drückt aus, wofür ein Unternehmen steht
Wie die optimale Gestaltung aussieht, hängt letztendlich auch davon ab, was zur Unternehmenskultur und der Belegschaft passt. Einige Firmen setzen auf besonders hippe und extravagante Details, andere wiederum bevorzugen eher zeitloses Design und inszenieren ihre technologischen Kompetenzen oder die Nähe zu den Kunden. Der Esslinger Pneumatikspezialist Festo hat beispielsweise ein druckluftgesteuertes Dach für sein Technologiezentrum gebaut. Auf dem Gebäudedach des Helmherstellers Cratoni testen Kunden die Produkte des Rudersberger Unternehmens im eigenen Bikepark. Für viele Firmen spielen außerdem Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz eine sehr wichtige Rolle, wenn sie Arbeitsräume umgestalten oder einen Neubau planen. Es sollen sich bewusst nicht nur Berufseinsteiger, sondern die gesamte Belegschaft darin wohlfühlen.
Trotz der vielfältigen Anforderungen an eine moderne Arbeitsumgebung muss ein Unternehmen nicht gleich neu bauen, um positive Wirkung zu erzielen. Wer seine Mitarbeiter danach fragt, was sie brauchen, bekommt manchmal erstaunlich kostengünstige Anregungen dafür, wie sich Atmosphäre, Kommunikation und Prozesse verbessern lassen. Unabhängig vom Umfang der Maßnahmen ist es in jedem Fall wichtig, die Bedürfnisse der Mitarbeiter ernst zu nehmen, Entscheidungen transparent zu machen und zu erklären, warum manche Wünsche nicht berücksichtigt werden können.

Foto: Marienhospital Stuttgart
Obwohl das Stuttgarter Marienhospital aktuell noch keinen Fachkräftemangel zu verzeichnen hat, beschäftigt sich Sabine Bauknecht intensiv damit, wie die Versorgung der Klinik mit qualifiziertem Personal in der Zukunft gelingen kann. Die Diplom- Kauffrau leitet den Geschäftsbereich Personal der Vinzenz von Paul Kliniken gGmbH, zu dem auch das katholische Krankenhaus gehört. Ihr Wirkungskreis betrifft das ärztliche Personal genauso wie den gesamten Pflegebereich oder die Verwaltungsmitarbeiter der Klinik. Als Personalmanagerin versteht sie sich in erster Linie als Dienstleisterin für die 1700 Beschäftigten des Hauses und setzt sich engagiert dafür ein, möglichst attraktive Arbeitsbedingungen für die Klinikbelegschaft zu schaffen. Dadurch soll das Haus auch für potenzielle Bewerber attraktiv bleiben. Flexible Arbeitszeitmodelle sind ein zentrales Instrument für die erfahrene Personalverantwortliche – für sie spielen verschiedene Blickwinkel eine Rolle:
Um den künftigen Bedarf an Fachkräften im Gesundheitsbereich zu decken, wird es an Bedeutung gewinnen, die Ressourcen der vielen weiblichen Mitarbeiter im ärztlichen sowie im Pflegebereich noch besser auszunutzen. Mit individuellen Teilzeitregelungen schafft die Klinik deshalb die Voraussetzungen, um Frauen den Wiedereinstieg nach der Familienphase zu erleichtern. Eine wichtige Rolle spielen solche reduzierten Beschäftigungsverhältnisse zudem für Mitarbeiter, die sich berufsbegleitend weiterqualifizieren wollen. Auch untern dem Blickwinkel der Gesundheitsvorsorge und einer ausgeglichenen Work-Life-Balance wünschen sich immer mehr Beschäftigte der Klinik eine Reduzierung der Arbeitszeiten – dazu gehören zunehmend auch Fachkräfte und Ärzte. Hoch qualifizierte Spezialisten und Führungskräfte sind vor allem an vollzeitnahen Teilzeitmodellen interessiert, um mehr Freiraum für Privatleben und Erholung zu gewinnen.
»Die leitenden Mediziner stellen eine überdurchschnittliche Motivation ihrer Teilzeitmitarbeiter fest.«
Aktuell arbeiten rund 19 Prozent der Ärzte, 36 Prozent der Verwaltungsmitarbeiter und 44 Prozent der Pflegekräfte in Teilzeit. Besonders stolz ist Sabine Bauknecht darauf, dass es zwischenzeitlich auch Oberärzte im Klinikverbund gibt mit einem 80-Prozent-Vertrag. Die intensive Überzeugungsarbeit der Personalreferentinnen und der Personalleiterin der letzten Jahre trägt Früchte. Die leitenden Mediziner schätzen heute an den Teilzeitmöglichkeiten den zusätzlich gewonnenen Spielraum, um ihre besten Spezialisten zu binden und begehrte Nachwuchsmediziner zu rekrutieren, und stellen eine überdurchschnittliche Motivation ihrer Teilzeitmitarbeiter fest.
Vor Jahren vertrat Sabine Bauknecht selbst die Auffassung, dass Führung nur in Vollzeit erfolgreich gelingen kann. Dies hat sich geändert und wurde durch eine persönliche Erfahrung, die sie nicht ganz freiwillig gemacht hat, bestätigt. Ende 2013 hatte die Personalchefin aufgrund einer Erkrankung fast noch ihren halben Jahresurlaub zur Verfügung. Um eine längere Abwesenheit zu vermeiden, entschied sie sich dafür, diese Urlaubstage im Rahmen einer 4-Tage-Woche abzubauen. Über mehrere Monate leitete sie ihr 40-köpfiges Team daraufhin in Teilzeit. Heute kann sie deshalb ganz praktisch beurteilen, wie Führung in Teilzeit gelingen kann. Sie betont, wie wichtig es dabei ist, Verantwortung zu delegieren und die Rahmenbedingungen klar zu regeln. Denn nur, wenn auch das Umfeld die reduzierte Anwesenheit der Führungskraft mitträgt, wird die Teilzeitregelung zum Erfolg.
Stephan Brunnet hat vielfältige Führungserfahrung. Er war Projektleiter, Teamleiter und ist jetzt geschäftsführender Gesellschafter von softwareinmotion (swim). Als solcher führt er gegenwärtig in einem besonders anspruchsvollen Umfeld. Denn fast 90 Prozent seiner Mitarbeiter sind Softwareentwickler.
IT-Spezialisten sind äußerst gefragte Fachleute, die sich ihren Arbeitgeber aussuchen können. Sie haben in der Regel hohe Ansprüche an Flexibilität, Mitgestaltung und Freiraum. „In diesem Spannungsfeld zu führen, ist eine sehr herausfordernde Aufgabe“, betont Stephan Brunnet. Bevor er 2010 softwareinmotion gründet, ist der Diplom-Informatiker bei Beratungsunternehmen und einem Automobilzulieferer tätig. Schon als junger Projektleiter lernt er viel darüber, wie gute Führung gelingt. Seine Erfahrung nach 18 Berufsjahren fasst er in einem Satz zusammen: „Es fängt alles beim Menschen an.“ Wer nur an wirtschaftliche Kennzahlen denkt, wird nach seiner Meinung keinen Erfolg haben. Für den Geschäftsführer der Urbacher Softwareschmiede müssen die Mitarbeiter mit ihren individuellen Bedürfnissen im Fokus stehen, denn sie sind die wichtigste Ressource.
„Wir pflegen dementsprechend einen sehr persönlichen Umgang, kümmern uns intensiv um jeden Einzelnen und geben gleichzeitig sehr viel Freiraum“, beschreibt Stephan Brunnet den Führungsstil von sich und seinem Mitgesellschafter George Azar. Einen besonderen Schwerpunkt legen die beiden darauf, Aufgaben an die Mitarbeiter zu übertragen, die diese als sinnstiftend bewerten. „Softwareentwickler motiviert man nicht über das Gehalt“, sagt er. „Viel wichtiger ist es, ein gutes Team zu bieten, interessante Projekte, die richtige Infrastruktur und Möglichkeiten zur fachlichen Weiterentwicklung.“ Dafür zu sorgen, sieht der Firmenchef als eine seiner wesentlichen Führungsaufgaben.
Stephan Brunnet, geschäftsführender Gesellschafter, Foto: softwareinmotion GmbH
„Wer bei uns Führungsaufgaben übernimmt, muss die Fähigkeit haben, Sensibilität für die Kollegen aufzubringen und das Beste aus jedem Einzelnen rauszukitzeln. Der eine Mitarbeiter braucht dafür konkretes Lob, der andere will sich mehr austauschen, ein dritter wiederum wünscht sich eine andere Aufgabe. Eine zusätzliche Herausforderung sind die vielfältigen kulturellen und religiösen Hintergründe im Team, die es zu verstehen und zu moderieren gilt. Um in unserem Sinne gut zu führen, sind deshalb vor allem Menschenkenntnis, Kommunikationsfähigkeit und Empathie erforderlich.“
Es läuft gut für das Urbacher Unternehmen: softwareinmotion beschäftigt zwischenzeitlich 42 Mitarbeiter, Umsatz und Gewinn sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Das rasante Wachstum bedeutet aber gleichzeitig eine Herausforderung für die Führung. „Je mehr Mitarbeiter wir werden, umso schwieriger ist es, unseren individuellen Stil beizubehalten“, beschreibt Brunnet das Dilemma. Die beiden Gesellschafter erkennen irgendwann, dass sie nicht mehr alles selber machen können. Für das Tagesgeschäft übertragen sie deshalb die fachliche Führung an Projektleiter und beschränken sich von nun an darauf, den Überblick über alle Projekte zu haben.
Die Hierarchien bleiben auch in den kommenden Jahren flach. Für Mitarbeiter, die mehr Verantwortung übernehmen wollen, bieten sich neben der Projektleiter-/Projektmanager-Karriere zwei weitere Wege der fachlichen Weiterentwicklung: Wer sich mehr im technischen Bereich zu Hause fühlt, kann sich vom Software-Architekten zum Technical Consultant weiterentwickeln. Und Mitarbeiter, die ihre Stärken im Umgang mit Kunden sehen, können als Requirements Engineer das Anforderungsmanagement von einem oder mehreren Projekten übernehmen.
Am Beginn der fachlichen Führungsverantwortung steht immer ein Basiscoaching mit einem externen Coach. Darüber hinaus geben die beiden Geschäftsführer ihr Wissen aus unzähligen eigenen Führungsworkshops weiter und unterstützen die Mitarbeiter durch regelmäßiges persönliches Feedback. Wem sie aus ihrem Team Führungsverantwortung zutrauen, entscheiden sie anhand ihrer konkreten Beobachtungen im Alltag. Eine Rolle spielt auch, wer von sich aus Ambitionen zeigt.
Eine besondere Bedeutung für die Mitarbeiter- und Unternehmensentwicklung hat die jährliche Klausurtagung „swimEnergy“. Sie ist eine zentrale Plattform, auf der die Belegschaft Ideen zu Produkten, Prozessen und der Unternehmensorganisation einbringen kann. Außerdem geht es immer auch um die Kommunikation und Selbstreflexion der IT-Experten. Als Anregung dienen spezielle Teamaufgaben, die gemeinsam mit einem externen Moderator entwickelt werden. Im letzten Jahr sollten sich beispielsweise alle Mitarbeiter mit einem Gegenstand präsentieren, der sie besonders geprägt hat. Solche Übungen schulen nicht nur die kommunikativen Fähigkeiten, sondern beeinflussen auch die gegenseitige Wahrnehmung und das Verständnis füreinander positiv.
Um gesuchte Fachkräfte für die Region Stuttgart zu gewinnen, kümmert sich das Dual Career Center Region Stuttgart (DCCRS) auch um die berufliche Karriere der jeweiligen Lebensgefährten. Mit den Coaches Birgit Steinhardt und Anna Bronner sprachen wir über die Bedeutung von Dual Career und welche Themen für die Lebenspartner eine Rolle spielen.
WRS: Frau Bronner, Frau Steinhardt, ist der Dual-Career-Ansatz bei Unternehmen in den kleineren und mittelständischen Unternehmen in der Region und deren Bewerbern überhaupt ein Thema?

Birgit Steinhardt, Fotos: Susanne K. Baur
Birgit Steinhardt: Beim Mittelstand ist Dual Career noch nicht wirklich angekommen, viele kleinere Betriebe können mit dem Begriff wenig oder auch gar nichts anfangen. Bisher sind es vor allem die Hochschulen und global agierende Konzerne, die bei ihren Rekrutierungsbestrebungen auch Dual-Career-Services miteinbeziehen. Da es jedoch immer mehr Paare gibt, bei denen beide Partner berufliche Karriere machen wollen, spielt das Thema auf der Bewerberseite eine zunehmend wichtige Rolle.
Anna Bronner: Bei den Bewerbern ist es auch entscheidend, woher sie kommen. Im angelsächsischen Raum und in den skandinavischen Ländern ist eine Dual-Career-Beratung häufig selbstverständlicher Bestandteil von Jobangeboten. Dementsprechend kommen Kandidaten aus diesen Ländern auch mit der Erwartung nach Deutschland, dass die berufliche Perspektive ihrer Partner durchaus Thema sein wird. Deutsche Paare sind in der Regel positiv überrascht, wenn bei berufsbedingten Umzügen von den potenziellen Arbeitgebern auch Unterstützung für die weitere Karriereplanung des mitziehenden Partners angeboten wird.
In welchen Situationen befinden sich die mitziehenden Lebenspartner üblicherweise? Mit welchen Themen kommen sie zu Ihnen in die Beratung?

Anna Bronner
AB: Nach wie vor sind es noch immer überwiegend die Frauen, die ihre Ehemänner oder Lebenspartner bei deren Stellenwechsel begleiten. Viele dieser Frauen haben in den zurückliegenden Jahren wegen der gemeinsamen Kinder nur Teilzeit gearbeitet oder kommen direkt aus der Elternzeit. Fast alle haben einen akademischen Abschluss. Es geht somit in vielen Fällen um klassische Fragen des Wiedereinstiegs– verbunden natürlich mit den Herausforderungen des neuen, unbekannten Umfelds. Sie wollen beispielsweise ihr Fachwissen aktualisieren und an die Anforderungen in Deutschland anpassen oder suchen eine Tätigkeit in Teilzeit oder mit besonders flexiblen Arbeitszeiten.
BS: Mit welchen Vorstellungen diese Frauen kommen, hängt auch stark davon ab, wie sie sozialisiert wurden. Ich hatte beispielsweise eine Französin in der Beratung, für die war es trotz mehrerer Kinder vollkommen selbstverständlich, nach den Geburten schnell wieder Vollzeit in den Beruf einzusteigen, wie in Frankreich üblich. Eine andere Klientin war Ärztin, die künftig eine Verwaltungstätigkeit anstrebte. Mit dem anstehenden Umzug wollte sie deshalb eine entsprechende berufliche Umorientierung verbinden. Wichtige Fragen der Coaches betreffen auch die Mentalität und Gepflogenheiten in deutschen Unternehmen.
In welchen Bereichen unterstützen Sie konkret?
AB: Bei der Erarbeitung eines Lebenslaufs ist es wichtig, die besonderen Anforderungen des deutschen Arbeitsmarkts zu verdeutlichen. Das gilt auch für das Verhalten und typische Fragen in künftigen Bewerbungsgesprächen. Ein wichtiger Punkt ist zudem, die Bedeutung der deutschen Sprache zu vermitteln. Generell geht es darum, den Such- und Bewerbungsprozess der Klienten zu strukturieren. Darüber hinaus besprechen wir auch, wie die Betroffenen ihr Kontaktnetz ausbauen und sich mit Personen in vergleichbaren Situationen besser vernetzen können.
Wie würden Sie den Nutzen eines Dual- Career-Services zusammenfassen?
AB: Dual-Career-Beratung ist oft das Zünglein an der Waage. Ist die berufliche Neuorientierung beispielsweise des Mannes mit einem Ortswechsel verbunden, dann ist die mögliche Perspektive der Frau am neuen Lebensmittelpunkt oft maßgeblich dafür, ob eine Stelle letztendlich zu- oder abgesagt wird.
BS: Wir erreichen mit unseren Angeboten zudem, dass die gewonnenen Arbeitskräfte auch langfristig im Unternehmen bleiben. Fühlt sich nämlich einer der beiden Lebenspartner nicht wohl, zieht es vor allem ausländische Paare nicht selten wieder zurück in ihr Heimatland.

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In großen Betrieben und weltweit agierenden Konzernen ist es längst an der Tagesordnung, dass Menschen verschiedener Nationalitäten in multikulturellen Teams erfolgreich zusammenarbeiten. Viele dieser Firmen haben Kunden und Niederlassungen auf der ganzen Welt und beschäftigen demzufolge ganz selbstverständlich auch international gemischte Belegschaften. Weil sie ihren Bedarf an Fachkräften im Inland nicht mehr ausreichend decken können, richten jedoch auch kleinere und mittelständische Unternehmen bei der Personalrekrutierung immer häufiger ihren Blick über die Ländergrenzen hinweg. Die Einstellung ausländischer Mitarbeiter ist für die Mittelständler ein möglicher Weg, um offene Stellen mit geeigneten Spezialisten zu besetzen.
»Mitarbeiter mit verschiedenen Nationalitäten und kulturellen Hintergründen bringen einen Fundus an Fähigkeiten und Erfahrungen in die Unternehmen ein.«
Die Chancen, die sich aus der Rekrutierung ausländischer Fachkräfte ergeben, sind jedoch nicht allein auf die Sicherung des Personalbedarfs beschränkt. Vielmehr bringen Mitarbeiter mit verschiedenen Nationalitäten und kulturellen Hintergründen einen Fundus an Fähigkeiten und Erfahrungen in die Unternehmen ein, die sich in vielfältiger Hinsicht gewinnbringend nutzen lassen. Zahlreiche Studien belegen, dass Firmen, die die Unterschiede ihrer Arbeitnehmer positiv wahrnehmen und pflegen, flexibler, kreativer und kundenorientierter sind als ihre Wettbewerber.
Wertvolle Impulse entstehen vor allem dann, wenn die besonderen Kompetenzen der Beschäftigten systematisch eingesetzt werden, beispielsweise in der Produktentwicklung, im Marketing oder bei der Kundenbetreuung. So können Unternehmen, deren Mitarbeiter die Kultur und Sprache ausländischer Kunden verstehen, diese viel besser bedienen und sich dadurch von der Konkurrenz abheben. Vielfältige Perspektiven zu nutzen hilft zudem dabei, neue und kreative Lösungen für aktuelle Problemstellungen zu finden. Betrieben mit gemischten Teams gelingt es außerdem sehr viel leichter, hochtalentierte Mitarbeiter, zu gewinnen und dauerhaft zu halten.

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Dass aus vielfältigen Talenten und Erfahrungshintergründen auch tatsächlich ein Erfolgsmodell wird, setzt eine Führungskultur voraus, die Offenheit, Toleranz und Wertschätzung vorlebt. Unterschiedliche Denk- und Handlungsweisen zuzulassen und die Mitarbeiter möglichst individuell zu fördern, ist dafür ganz wesentlich.
Die Vorgesetzten vielfältiger Belegschaften brauchen spezielle Kompetenzen, um die Menschen mit ihren unterschiedlichen Ausbildungs-, Erfahrungs- und Lebenshintergründen zielgerichtet zu begleiten und zu steuern. Dazu gehört es auch, die neuen Teammitglieder bei Firmeneintritt angemessen willkommen zu heißen und sie bei der Integration im neuen, unbekannten Umfeld zu unterstützen.
Für ausländische Fachkräfte gibt es in der Region Stuttgart deshalb seit Oktober 2014 den Welcome Service, der Neuankömmlingen aus dem Ausland und ihre künftigen Arbeitgeber bei allen Fragen zum Arbeiten und Leben in der Region berät und mit hilfreichen Angeboten bei ihren ersten Schritten begleitet.