Prädikat wertvoll: Ältere Beschäftigte sind eine unterschätzte Ressource

Junge und ältere Frau arbeiten gemeinsam

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Das Alter hat keinen guten Ruf. Noch immer glauben die meisten, dass unsere Leistungsfähigkeit im Laufe des Lebens kontinuierlich nachlässt. Weniger innovativ, weniger produktiv, weniger belastbar sind deshalb auch die Vorurteile, mit denen sich ältere Beschäftigte konfrontiert sehen. Forscher haben dagegen herausgefunden, dass jedes Alter besondere Qualitäten hat und wir ein Leben lang Außergewöhnliches leisten können. Auch Unternehmen sollten deshalb ihre Sicht auf das Älterwerden überdenken.

Altern bedeutet Veränderung – betroffen sind Körper, Geist und Seele. Dass dabei automatisch alles schlechter wird, ist jedoch ein Irrtum. Manche Funktionen, wie unser Lungenvolumen oder die Nervenleitgeschwindigkeit, nehmen tatsächlich ab. Auch das Erinnerungsvermögen und die Reaktionsgeschwindigkeit leiden im Laufe der Jahre. Beide gehören zu unserer fluiden Intelligenz. Anderes dagegen wird stetig besser – bei manchen Menschen sogar ein Leben lang: Dazu zählen unser erworbenes Wissen und unsere Erfahrungen – die kristalline Intelligenz. Auch die emotionale Stabilität und unsere Fähigkeiten, strategisch zu denken, logisch zu argumentieren oder eine Situation ganzheitlich zu beurteilen, nehmen im Alter zu.

Unser Gehirn kann sich ein Leben lang an Neues anpassen

Eine der wichtigsten Entdeckungen der Gehirnforschung ist die sogenannte neuronale Plastizität. Sie bezeichnet die Fähigkeit unserer Synapsen, Nervenzellen oder ganzer Gehirnareale, sich ein Leben lang an neue Herausforderungen anzupassen – sofern sie regelmäßig und gezielt beansprucht werden. Fast alles, was wir uns vorstellen können, ist deshalb auch bis ins hohe Alter möglich. Einen überzeugenden Beweis dafür liefert der Inder Fauja Singh, der mit 100 Jahren noch einen Marathon lief.

Für Arbeitgeber ist das eine vielversprechende Nachricht. Mit den richtigen Rahmenbedingungen können sie die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter bis ins Rentenalter erfolgreich pflegen und fördern. Dazu tragen beispielsweise Sport- und Gesundheitsangebote bei, aber auch ergonomische Verbesserungen, um Fehlbelastungen zu verhindern. Besonders wichtig sind intelligente Weiterbildungsangebote, die die speziellen Fähigkeiten der älteren Beschäftigten stärken und ihnen gleichzeitig auch abverlangen, sich neue Kompetenzen anzueignen. Den größten Nutzen für beide Seiten hat eine Unternehmenskultur, in der es völlig selbstverständlich ist, auch im höheren Alter noch neue Rollen und Aufgaben zu übernehmen.

Vom besonderen Einfluss des Denkens

Um die wertvollen Ressourcen der älteren Beschäftigten zu nutzen, braucht es jedoch eine grundsätzlich positive Einstellung zum Alter. Die sogenannte Priming-Forschung belegt, wie stark sich das herrschende Altersbild in Firmen auf die Leistung älterer Mitarbeiter auswirkt. Priming beschreibt den Einfluss des ersten Reizes in einer Situation auf das nachfolgende Verhalten. Ein Experiment der Bremer Jacobs University zeigte beispielsweise, dass sich bei einer Gruppe älterer Studienteilnehmer, denen ein negatives Altersbild vermittelt wurde, die Anzahl innovativer Ideen zu einer Problemstellung anschließend halbierte. Eine zweite Gruppe, die positiv auf das Alter eingestellt wurde, verdoppelte dagegen die Anzahl ihrer Lösungsvorschläge nach dem Priming. Ein Leistungsunterschied von 400 Prozent. Besonders relevant ist die Rolle der Führungskräfte als Primingfaktor. Haben diese generell Zweifel an der Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter, verringert dies die Produktivität der Älteren nachweislich.

Vorurteile über das Alter führen häufig in die Irre. Ältere Beschäftigte deswegen womöglich frühzeitig abzuschreiben, wäre nicht nur wegen der demografischen Entwicklung ein strategischer Fehler. Mit ihren speziellen Talenten und einem reichen Erfahrungsschatz stellen sie ein außerordentlich wertvolles Kapital für die Unternehmen dar. Ganz besonders profitieren Firmen von den Stärken der erfahrenen Mitarbeiter, wenn diese gemeinsam mit jüngeren Kollegen an komplexen Fragestellungen arbeiten. Die Mischung aus Reife und frischen Ideen ist altershomogenen Gruppen oft überlegen – vorausgesetzt allerdings, die Teams pflegen ein Klima, das alle Mitglieder gleichermaßen wertschätzt.

Exzellent in jedem Alter

Unsere Realität bietet eine Vielzahl überzeugender Beispiele dafür, dass Alter so individuell, vielfältig und bunt ist wie die Menschen selbst. In allen Lebensphasen ist es möglich, Außergewöhnliches zu schaffen. Menschen wie die Jüdin Ingeborg Sylim-Rapoport, die im Alter von 102 Jahren ihre Promotionsprüfung ablegte, oder Frederick Salter, dem mit 100 Jahren ältesten Turniertänzer der Welt, belegen dies besonders eindrucksvoll. Es lohnt sich, unabhängig vom Alter, genau hinzuschauen, was der jeweilige Mensch tatsächlich leisten kann und will. Nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Unternehmen sollten solche Beispiele ein Ansporn sein, um mit der richtigen Einstellung und einer individuellen Förderung dafür zu sorgen, dass ihre Mitarbeiter in allen Lebensphasen zur Höchstform auflaufen können.

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