Prof. Gerhard Drees, Foto: Jan Maier

Prof. Gerhard Drees, Foto: Jan Maier

Was müssen Menschen wissen und beherrschen, um in unserer modernen Arbeitswelt zurechtzukommen? Und wie lässt sich betriebliche Weiterbildung heute am besten organisieren? Experte für solche Fragen ist Prof. Dr. Gerhard Drees, Leiter der Abteilung „Erwachsenenbildung und berufliche Bildung“ an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg. Er forscht unter anderem darüber, wie sich gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen auf die berufliche Bildung auswirken. Der Bildungsexperte ist außerdem in der Jury des Innovationspreises Weiterbildung Region Stuttgart. Hier beschreibt er, wie sich die betriebliche Weiterbildung unter dem Einfluss der Digitalisierung verändert.

 

WRS: Herr Professor Drees, Sie sind Jurymitglied beim Innovationspreis Weiterbildung. Warum engagieren Sie sich für den Preis und welche Impulse können von der Auszeichnung für regionale Unternehmen ausgehen?

Prof. Dr. Gerhard Drees: Eigentlich bin ich solchen Preisen gegenüber skeptisch eingestellt, da ihre Anzahl in den vergangenen Jahren inflationär gestiegen ist. Den Innovationspreis Weiterbildung der Region Stuttgart halte ich allerdings für sehr sinnvoll, weil er Firmen prämiert, die sich tatsächlich auf vorbildliche Weise für die Qualifizierung und Entwicklung ihrer Mitarbeiter engagieren. Die  Preisvergabe stützt sich in diesem Fall zudem auf Kriterien und fundierte Sachargumente, die für mich als Bildungswissenschaftler nachvollziehbar sind. Dabei werden nicht prinzipiell die Konzepte  ausgezeichnet, die am weitesten entwickelt sind, sondern auch qualitativ gute Ansätze kleinerer Unternehmen, die erste sinnvolle Schritte beschreiten, um in das Thema einzusteigen.

Worauf achtet die Jury bei der Auszeichnung der Preisträger besonders?

Grundsätzlich geht es um innovative und originelle Lösungsansätze, die sich auch auf die Rahmenbedingungen anderer kleinerer Firmen übertragen lassen. Das Besondere kann zum Beispiel darin liegen, dass neue Technologien eine Rolle spielen, sinnvolle Methoden zum Einsatz kommen oder spezielle Zielgruppen angesprochen werden, die normalerweise keinen Zugang zu Weiterbildung haben. Die Preisvergabe soll regionale Firmen für die strategische Bedeutung von Weiterbildung sensibilisieren und ihnen Mut machen, konkrete Maßnahmen in Angriff zu nehmen – auch wenn sie bisher kaum Erfahrung in der betrieblichen Weiterbildung haben.

Gewinnt Weiterbildung in digitalen Zeiten an Bedeutung, wie von der Fachwelt und den Medien derzeit diskutiert?

Selbstverständlich müssen wir beständig dazulernen, wenn wir mit den Veränderungen einer zunehmend digitalisierten Welt zurechtkommen wollen. Digitalisierung ist die Leittechnologie der Gegenwart, sie betrifft alle Lebensbereiche und wird diese auch in den nächsten Jahren entscheidend beeinflussen. Pauschale Appelle reichen aber nicht aus. Es braucht vielmehr eine genaue Analyse: Warum wird überhaupt digitalisiert? Welche Veränderungen durch die Digitalisierung sind wirklich relevant? Und wie können Bildung und Weiterbildung darauf differenziert reagieren?

Welche Kompetenzen müssen sich Menschen und Unternehmen aneignen, um in unserer modernen Arbeitswelt zu bestehen?

Wichtig sind zunächst ein Bewusstsein von den Zwecken der Digitalisierung und die Fähigkeit jedes Einzelnen, die Konsequenzen der Digitalisierung für die eigene Situation zu analysieren. Weil Arbeit heute immer und überall stattfinden kann, steigen auch die Anforderungen an Selbstbestimmung und -verantwortung. Darüber hinaus benötigen wir ein grundlegendes technisches Verständnis für die digitalen Prozesse sowie Know-how über neue Formen der Zusammenarbeit und Vernetzung am  Arbeitsplatz. Auch moralisches Urteilsvermögen spielt eine Rolle, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Datenschutz.

Wie muss betriebliche Weiterbildung organisiert sein, um den Herausforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden?

In einer immer komplexer werdenden Arbeitswelt kann oft nur noch innerhalb der jeweiligen Arbeitsteams beurteilt werden, was an zusätzlichen Kompetenzen notwendig ist, um künftige Aufgaben zu lösen. Firmen müssen deshalb Freiräume und Rahmenbedingungen schaffen, in denen die Teams untereinander und auch gruppenübergreifend ihre Arbeit reflektieren und Erfahrungen austauschen können. Daraus können sich dann neues Wissen und notwendige Fertigkeiten entwickeln. Weiterbildung der Zukunft wird überwiegend ausgehend von den konkreten Arbeitserfahrungen stattfinden.

Was empfehlen Sie kleineren Betrieben, die ihre Weiterbildung auf die Anforderungen der Digitalisierung ausrichten wollen?

Es ist wichtig, dass sie das Thema überhaupt in den Fokus nehmen und ihre Mitarbeiter von Anfang an miteinbeziehen. Konkret heißt das: über die Digitalisierung und ihre Folgen aufzuklären, gemeinsam mit den Beschäftigten zu planen und auch vorhandene Sorgen aufzugreifen. Sich externe Experten dazuzuholen, die Bescheid wissen, wie Lernen funktioniert, und die sich mit der Digitalisierung auskennen, ist eine weitere Empfehlung.

Das Talente-Magazin und das Talente-Forum sind zwei kostenlose Services für Personalverantwortliche von kleinen und mittleren Unternehmen der Region Stuttgart.

Talente-Magazin

Talente-Hefte

 

Das Magazin “Talente: Personal gewinnen, entwickeln, binden – Arbeitswelt gestalten” informiert Personalverantwortliche und weitere am Thema Fachkräftesicherung und Arbeitswelt interessierte Personen über aktuelle Schwerpunktthemen in der Personalarbeit.

Im Mittelpunkt stehen Trends und Entwicklungen, betriebliche Handlungsansätze und Maßnahmen, Praxisbeispiele und entsprechende Umsetzungserfahrungen, Interviews, Arbeitshilfen und Veranstaltungstipps.

Das Heft erscheint dreimal im Jahr. Abonnieren Sie hier das Heft kostenlos: gedruckt per Post oder als PDF per E-Mail.

Das Talente-Forum

Die Veranstaltung Talente-Forum knüpft an das jeweilige Talente-Themenmagazin an. Das Forum bietet Gelegenheit, das jeweilige Schwerpunktthema zu vertiefen und mit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft ins Gespräch zu kommen. Die kompakten Themenvorträge, der Erfahrungsaustausch und die Vernetzung untereinander bieten Personalverantwortlichen wertvolle Impulse für die eigene Personalarbeit.

Hier finden Sie den WRS-Service für Unternehmen „Talente-Magazin und Talente-Forum“ im Überblick.

Ihre Ansprechpartnerin

Foto: oneinchpunch/Fotolia.com

In der bislang umfangreichsten deutschen Studie zur Mittelstandskommunikation untersuchte die Universität Leipzig 2016, wie sich die Kommunikationspraxis von Betrieben auf ihre Wertschöpfung auswirkt. 78,9 Prozent der 310 befragten mittelständischen Firmen waren sich einig: Der Einfluss gut geplanter und stimmiger Kommunikationsmaßnahmen ist außerordentlich hoch. Dennoch erfolgt die Unternehmenskommunikation bei mehr als der Hälfte der Mittelständler ohne Strategie und ist nur unzureichend mit Budgets ausgestattet.

In Workshops, Teamsitzungen oder bei Strategietagen geht es regelmäßig darum, wie man wirkungsvoll mit der eigenen Belegschaft, interessierten Bewerbern und der relevanten Öffentlichkeit kommuniziert. Viele Firmen haben die Notwendigkeit von mehr Austausch und Transparenz zweifelsohne erkannt. Trotzdem läuft die Kommunikation mit dem Personal in der Praxis nur selten wirklich geplant und gesteuert. Auf den Führungsebenen findet noch immer vieles hinter verschlossenen Türen statt. Es wird häufig zu spät, ungeschickt oder gar nicht mit den Mitarbeitern und externen Zielgruppen kommuniziert.

Interne Kommunikation wirkt auch nach außen

Zu wenig Kommunikation führt beispielsweise dazu, dass die Handlungen der Beschäftigten nicht zu den Strategien der Chefetagen passen, weil diese die Ziele und Pläne ihrer Führung gar nicht kennen. Wenn aber in Zeiten ständiger Veränderungen Informationen vor allem an der Kaffeemaschine oder beim Firmenausflug vermittelt werden, mischen sich Halbwahrheiten mit Emotionen. Es kommt zu Fehlern, Konflikten und Ängsten. Irgendwann läuft die Zusammenarbeit nicht mehr rund. Bei all dem sitzt immer die Öffentlichkeit mit im Boot. Denn Mitarbeiter haben Markt- und Kundenkontakt und – im Gegensatz zu ihren Chefs – oft keine Scheu, über ihre Arbeit zu kommunizieren. Schlechte interne Kommunikation hat somit sehr schnell auch negative Auswirkungen auf das externe Arbeitgeberimage.

Es gibt also gute Gründe, nicht nur über Personalkommunikation zu reden, sondern sie auch professionell umzusetzen. Denn mehr denn je hängt der Erfolg der Unternehmen davon ab, dass die besten Fachleute für sie arbeiten. Wer gefragte Mitarbeiter gewinnen und langfristig binden will, der muss sie fachlich ernst nehmen und als Menschen wertschätzen. Dazu gehört es auch, sich auf Augenhöhe mit ihnen auszutauschen. Gute Leute haben bei der Wahl ihrer Arbeitgeber immer eine Unternehmen entschieden haben, dann wollen sie informiert und einbezogen werden, damit sie sich auch sinnvoll einbringen können.

Sichtbar werden: Gute Personalarbeit als Pluspunkt

Hier kommen die Personalabteilungen ins Spiel. Denn ihre Experten wissen am besten, was Menschen brauchen, um motiviert zu arbeiten und sich mit einem Unternehmen nachhaltig zu identifizieren. Meist haben die HR-Bereiche ein umfangreiches Dienstleistungsportfolio und attraktive Rahmenbedingungen entwickelt, die bei Karriereentscheidungen den Ausschlag geben können. Wenn ihnen aber das Bewusstsein oder die Fähigkeiten fehlen, ihre Arbeit nach innen und außen zu kommunizieren, können oft weder die eigenen Mitarbeiter noch potenzielle Kandidaten die Stärken eines Arbeitgebers richtig einschätzen.

Wer also im Teich der interessanten Talente und erfahrensten Experten die Goldfische angeln will, muss seine Unternehmens- und Personalpolitik transparent machen, damit die richtigen Personen anbeißen. Die Personalarbeit wird deshalb zunehmend auch zur Marketingaufgabe und fordert, neben der Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung und den Führungskräften, vor allem eine enge Kooperation mit den übrigen Kommunikationsexperten im Betrieb. Die Chefetage sollte den Rahmen vorgeben, damit die Botschaften auch zu den Zielen des Unternehmens passen. Und die Marketing- und PR-Experten haben das Know-how, um die richtigen Medien und Kanäle im Innen und Außen zu bedienen. Spätestens wenn es nicht mehr nur um die Kernthemen der Personalarbeit geht, müssen auch die Mitarbeitervertretungen mit ins Boot geholt werden. Das gilt insbesondere in Krisensituationen oder bei grundlegenden Change-Prozessen.

Kontaktpflege: regelmäßig, gesteuert, digital

Um Wirkung zu erzielen, braucht es den ständigen Dialog mit den Menschen – es reicht nicht aus, nur in Ausnahmesituationen zu kommunizieren. Digitale, multimediale Plattformen bieten neue Möglichkeiten, um Inhalte ansprechend und verständlich zu präsentieren und interaktiv mit den Zielgruppen im Kontakt zu bleiben. Am besten funktioniert das, wenn HR- und PR-Experten näher zusammenrücken und beispielsweise der Social Media Manager dabei unterstützt, die Kommunikationsregeln der neuen Kanäle besser zu verstehen. Ob die Botschaften dann tatsächlich auch ankommen, bringen Mitarbeiterbefragungen oder auch die Feedbacks in den Sozialen Medien ans Licht. Letztendlich gibt es immer nur einen Gradmesser für den Erfolg von Kommunikation: Das sind die Menschen, an die sie gerichtet ist.

Wolfgang Jäger

Prof. Dr. Wolfgang Jäger, Hochschule Rhein-Main

Mitarbeiter und potenzielle Bewerber wollen wissen, wofür ein Arbeitgeber steht und was er ihnen zu bieten hat. Im Wettbewerb um die besten Köpfe müssen Unternehmen deshalb professionell über sich und ihre Personalpolitik informieren. Wie dies erfolgreich gelingen kann, weiß Prof. Dr. Wolfgang Jäger von der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden. Er forscht seit vielen Jahren zur Optimierung von personalwirtschaftlichen und kommunikativen Prozessen und hat zahlreiche Praxisprojekte begleitet. Im Gespräch mit ihm haben wir erfahren, warum Personalverantwortliche heute Whatsapp und Youtube beherrschen sollten und den persönlichen Kontakt trotzdem nicht vernachlässigen dürfen.

 

WRS: Herr Prof. Jäger, Sie plädieren dafür, dass die Unternehmen authentisch und auf Augenhöhe mit ihren Mitarbeitern kommunizieren und auch externe Zielgruppen systematisch über personalrelevante Themen informieren.

Prof. Dr. Wolfgang Jäger: Es geht darum, die Personalkommunikation als eigenständige Funktion zu erkennen, denn sie ist heutzutage ein kritischer Erfolgsfaktor. In Zeiten knapper werdender Fachkräfte muss ein Unternehmen deutlich machen können, warum es als Arbeitgeber besser ist als die Konkurrenz, und zwar nicht nur nach außen, sondern auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern. Die aktuellen oder potenziellen Leistungsträger interessieren sich für die Rahmenbedingungen und Inhalte der Arbeit, aber auch für die grundsätzliche Ausrichtung und zukünftige Pläne der Firma.

Aber investieren die Betriebe nicht bereits sehr viel, um sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren?

Die meisten wissen zwischenzeitlich, dass sie ein starkes Arbeitgeberimage brauchen, um erfolgreich zu sein. Nach außen hat sich die Personalkommunikation deshalb in den letzten Jahren tatsächlich verbessert. Ein Defizit besteht vor allem in der Kommunikation mit den eigenen Mitarbeitern. In Zeiten der Digitalisierung ist der Wandel zum Dauerphänomen geworden. Wer will, dass sich die Beschäftigten langfristig mit der eigenen Firma identifizieren, darf nicht nur über das nächste Mitarbeiterfest informieren, sondern muss beispielsweise solche Veränderungen schlüssig erklären.

Ist das Sache der Personalabteilung?

Geht es um ihre Kernthemen wie Vergütung, Aus- und Weiterbildung oder neue Arbeitszeitmodelle, haben die Personaler zweifelsohne die beste Expertise. Es macht deshalb Sinn, dass sie bei der Personalkommunikation den Hut aufhaben und die Maßnahmen steuern. Mitarbeiter wollen aber auch über Produktneuheiten, Veränderungen in der Führung oder strategische Grundsatzentscheidungen informiert werden. Hier kann die Themenhoheit auch in anderen Abteilungen liegen.

Personalkommunikation ist also eine Gemeinschaftsaufgabe?

Idealerweise sollten sich neben den Human Resources die Experten aus der Marketing- und Öffentlichkeitsarbeit und die Verantwortlichen für die strategische Geschäftsentwicklung daran beteiligen. Die kommunizierten Inhalte müssen mit den Unternehmenszielen abgestimmt sein und dürfen auch Produkt- und Markenbotschaften nicht widersprechen. Wichtig  ist es außerdem immer, die Führungskräfte mit einzubinden und, abhängig vom Thema, auch die Arbeitnehmervertreter.

Welche Rolle spielen digitale und smarte Medien?

Die Zielgruppen sind längst digital unterwegs. Nahezu jeder hat zwischenzeitlich ein Smartphone und nutzt privat Whatsapp, Facebook oder Youtube. Die Unternehmen dagegen leben technologisch noch in der Welt von „1.0”. Fast nirgendwo gibt es kostenfreies WLAN, die meiste Kommunikation mit ihren Mitarbeitern läuft per E-Mail oder über das Intranet. Vor allem die jüngeren, aber auch Beschäftigte im Außendienst oder auf Geschäftsreise wären über mobile Anwendungen viel besser ansprechbar. Wo es passt, sollten Informationen künftig audiovisuell aufbereitet sein. Auf dem Vormarsch sind zudem Virtual Reality- und Augmented Realitiy-Lösungen. Die Firmen müssen deshalb unbedingt technisch nachrüsten und die Personalverantwortlichen ihre Medienkompetenz verbessern.

Digitalisierung ist doch in den Betrieben in aller Munde, warum also hinken die Firmen gerade bei der Kommunikation so weit hinterher?

Es gibt bei uns kein Bewusstsein dafür, dass man in Kommunikation investieren muss. Die Firmen geben Geld aus für neue Maschinen und Anlagen, aber kaum für kommunikative Konzepte und Infrastruktur. Oft gibt es gar kein oder nur ein sehr geringes Budget für die Mitarbeiterkommunikation.

Welche Rolle spielt die Geschäftsführung? Werden die Beschäftigten ihre Firmenchefs künftig regelmäßig per Youtube-Video zu sehen bekommen?

Die persönliche Kommunikation muss weiterhin einen hohen Stellenwert haben. Vor allem bei schwierigen Themen wollen die Mitarbeiter den persönlichen Kontakt und immer auch das Gesicht hinter einer Botschaft sehen. Geschäftsführer sollten regelmäßig vor Ort präsent sein. Zu Hightech muss „Hightouch“ kommen – Kommunikation ist immer auch ein Stück Unternehmenskultur. Die Chefs müssen aber den digitalen Wandel auch vorleben. Warum sollte also ein Geschäftsführer zum Beispiel nicht regelmäßig twittern, um wichtige Nachrichten schnell und unkompliziert für alle zugänglich zu machen.

Arbeit im Wandel Titelgrafik

Arbeit im Wandel Titelgrafik

Die Veranstaltungsreihe „Arbeit im Wandel“ unterstützt Firmen dabei, ihre Personalarbeit an veränderten Rahmenbedingungen auszurichten.

Technisch-ökonomische Entwicklungen wie Digitalisierung, steigende Arbeitsdichte und höhere Komplexität treffen auf gestiegene Ansprüche der Mitarbeiter nach Arbeitsqualität, Individualisierung und Work-Life-Balance.

In verschienden Veranstaltungsformaten beleuchten wir deshalb mit Partnern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung Trends und praxiserprobte Ansätze der gegenwärtigen und zukünftigen Personalarbeit.

Im Mittelpunkt der Veranstaltungen stehen Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch und Vernetzung. Die Reihe richtet sich an Personalverantwortliche vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen.

Aktuelle Veranstaltungstermine bei den Terminen.

Hier finden Sie den WRS-Service für Unternehmen „Arbeit im Wandel“ im Überblick.

Junge und ältere Frau arbeiten gemeinsam

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Das Alter hat keinen guten Ruf. Noch immer glauben die meisten, dass unsere Leistungsfähigkeit im Laufe des Lebens kontinuierlich nachlässt. Weniger innovativ, weniger produktiv, weniger belastbar sind deshalb auch die Vorurteile, mit denen sich ältere Beschäftigte konfrontiert sehen. Forscher haben dagegen herausgefunden, dass jedes Alter besondere Qualitäten hat und wir ein Leben lang Außergewöhnliches leisten können. Auch Unternehmen sollten deshalb ihre Sicht auf das Älterwerden überdenken.

Altern bedeutet Veränderung – betroffen sind Körper, Geist und Seele. Dass dabei automatisch alles schlechter wird, ist jedoch ein Irrtum. Manche Funktionen, wie unser Lungenvolumen oder die Nervenleitgeschwindigkeit, nehmen tatsächlich ab. Auch das Erinnerungsvermögen und die Reaktionsgeschwindigkeit leiden im Laufe der Jahre. Beide gehören zu unserer fluiden Intelligenz. Anderes dagegen wird stetig besser – bei manchen Menschen sogar ein Leben lang: Dazu zählen unser erworbenes Wissen und unsere Erfahrungen – die kristalline Intelligenz. Auch die emotionale Stabilität und unsere Fähigkeiten, strategisch zu denken, logisch zu argumentieren oder eine Situation ganzheitlich zu beurteilen, nehmen im Alter zu.

Unser Gehirn kann sich ein Leben lang an Neues anpassen

Eine der wichtigsten Entdeckungen der Gehirnforschung ist die sogenannte neuronale Plastizität. Sie bezeichnet die Fähigkeit unserer Synapsen, Nervenzellen oder ganzer Gehirnareale, sich ein Leben lang an neue Herausforderungen anzupassen – sofern sie regelmäßig und gezielt beansprucht werden. Fast alles, was wir uns vorstellen können, ist deshalb auch bis ins hohe Alter möglich. Einen überzeugenden Beweis dafür liefert der Inder Fauja Singh, der mit 100 Jahren noch einen Marathon lief.

Für Arbeitgeber ist das eine vielversprechende Nachricht. Mit den richtigen Rahmenbedingungen können sie die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter bis ins Rentenalter erfolgreich pflegen und fördern. Dazu tragen beispielsweise Sport- und Gesundheitsangebote bei, aber auch ergonomische Verbesserungen, um Fehlbelastungen zu verhindern. Besonders wichtig sind intelligente Weiterbildungsangebote, die die speziellen Fähigkeiten der älteren Beschäftigten stärken und ihnen gleichzeitig auch abverlangen, sich neue Kompetenzen anzueignen. Den größten Nutzen für beide Seiten hat eine Unternehmenskultur, in der es völlig selbstverständlich ist, auch im höheren Alter noch neue Rollen und Aufgaben zu übernehmen.

Vom besonderen Einfluss des Denkens

Um die wertvollen Ressourcen der älteren Beschäftigten zu nutzen, braucht es jedoch eine grundsätzlich positive Einstellung zum Alter. Die sogenannte Priming-Forschung belegt, wie stark sich das herrschende Altersbild in Firmen auf die Leistung älterer Mitarbeiter auswirkt. Priming beschreibt den Einfluss des ersten Reizes in einer Situation auf das nachfolgende Verhalten. Ein Experiment der Bremer Jacobs University zeigte beispielsweise, dass sich bei einer Gruppe älterer Studienteilnehmer, denen ein negatives Altersbild vermittelt wurde, die Anzahl innovativer Ideen zu einer Problemstellung anschließend halbierte. Eine zweite Gruppe, die positiv auf das Alter eingestellt wurde, verdoppelte dagegen die Anzahl ihrer Lösungsvorschläge nach dem Priming. Ein Leistungsunterschied von 400 Prozent. Besonders relevant ist die Rolle der Führungskräfte als Primingfaktor. Haben diese generell Zweifel an der Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter, verringert dies die Produktivität der Älteren nachweislich.

Vorurteile über das Alter führen häufig in die Irre. Ältere Beschäftigte deswegen womöglich frühzeitig abzuschreiben, wäre nicht nur wegen der demografischen Entwicklung ein strategischer Fehler. Mit ihren speziellen Talenten und einem reichen Erfahrungsschatz stellen sie ein außerordentlich wertvolles Kapital für die Unternehmen dar. Ganz besonders profitieren Firmen von den Stärken der erfahrenen Mitarbeiter, wenn diese gemeinsam mit jüngeren Kollegen an komplexen Fragestellungen arbeiten. Die Mischung aus Reife und frischen Ideen ist altershomogenen Gruppen oft überlegen – vorausgesetzt allerdings, die Teams pflegen ein Klima, das alle Mitglieder gleichermaßen wertschätzt.

Exzellent in jedem Alter

Unsere Realität bietet eine Vielzahl überzeugender Beispiele dafür, dass Alter so individuell, vielfältig und bunt ist wie die Menschen selbst. In allen Lebensphasen ist es möglich, Außergewöhnliches zu schaffen. Menschen wie die Jüdin Ingeborg Sylim-Rapoport, die im Alter von 102 Jahren ihre Promotionsprüfung ablegte, oder Frederick Salter, dem mit 100 Jahren ältesten Turniertänzer der Welt, belegen dies besonders eindrucksvoll. Es lohnt sich, unabhängig vom Alter, genau hinzuschauen, was der jeweilige Mensch tatsächlich leisten kann und will. Nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Unternehmen sollten solche Beispiele ein Ansporn sein, um mit der richtigen Einstellung und einer individuellen Förderung dafür zu sorgen, dass ihre Mitarbeiter in allen Lebensphasen zur Höchstform auflaufen können.

Mit einem kompetenzorientierten Laufbahnmodell eröffnet Trumpf seinen Servicetechnikern zahlreiche Möglichkeiten, um nach ihrer Zeit im Außendienst in eine zweite Karriere zu starten. Unter dem Motto „Fit for Service“ hat der Laserspezialist neue Tätigkeitsfelder identifiziert, die das wertvolle Erfahrungswissen der älteren Mitarbeiter gewinnbringend nutzen und ihnen gleichzeitig attraktive Entwicklungswege aufzeigen. Das Konzept hat den European Excellence Award in Human Resources 2017 gewonnen.

Servicetechniker im Werkzeugmaschinenbau ist ein Job, den man in der Regel nicht bis zum Rentenalter ausübt. Niemand weiß das besser als Gerd Duffke, Programmleiter für Sonderprojekte in der Personalentwicklung bei Trumpf: Er hat selbst mehrere hundert Maschinen für Trumpf-Kunden repariert und installiert. „Diese Arbeit ist körperlich anspruchsvoll und erfordert oft kurzfristige Einsätze weltweit“, beschreibt er. In jüngeren Jahren war das genau die richtige Dosis Abenteuer für ihn. Irgendwann verschoben sich jedoch seine Prioritäten: Der Maschinenbautechniker wechselte in den Innendienst und baute in den darauffolgenden Jahren die Produkt- und Serviceschulung in Ditzingen auf.

Gerd Duffke

Gerd Duffke, Programmleiter für Sonderprojekte, Personalentwicklung, Fotos: Trumpf GmbH+Co.KG

„Welche Richtung die Mitarbeiter letztendlich einschlagen, hängt nicht nur von ihren Kompetenzen, sondern auch von ihren persönlichen Umständen ab. Möglich ist es beispielsweise, die Tätigkeit im Außendienst lediglich zu reduzieren und in der frei werdenden Zeit als Applikations- oder Installationsberater in der Nähe des Wohnorts zu arbeiten. Die Mitarbeiter können so Schritt für Schritt in ihre neuen Rollen hineinwachsen.“

Im Schnitt planen Servicetechniker nach zehn bis zwölf Jahren eine solche Veränderung, spätestens aber, wenn körperliche Beeinträchtigungen die Arbeit an den bis zu vier Meter hohen Maschinen zu beschwerlich machen. Die meisten sind dann Anfang 40. Mit dem Projekt „Fit for Service“ suchten die Personalentwickler bei Trumpf nach Beschäftigungsalternativen, die den Technikern für die neue Lebensphase interessante und altersgerechte Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Mit seinem Team identifizierte Gerd Duffke dazu verschiedene servicenahe Tätigkeitsfelder, in denen die Erfahrungen und Kompetenzen der Praktiker von großem Nutzen sein würden. Es entstanden vier neue Rollenbilder, zwischen denen sich die Mitarbeiter künftig entscheiden können. Möglich ist beispielsweise eine Weiterentwicklung zum Installationsberater, der als Schnittstelle zwischen Entwicklung und Kunde fungiert und mit seiner wertvollen Praxiserfahrung vor Ort dabei unterstützt, den reibungslosen Aufbau der Maschine zu gewährleisten. Weitere Optionen sind Tätigkeiten als Trainer beim Kunden, Produktions- und Applikationsberater oder Praxisausbilder für neue Servicetechniker. Trumpf geht davon aus, dass solche innovativen Service- und Beratungsleistungen in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden.

Kern des Konzepts „Fit for Service“ ist eine Qualifizierungsstrategie, die die älteren Mitarbeiter für ihre neuen Aufgaben befähigt. Die vier Funktionen wurden dazu jeweils mit ihren 10 bis 15 wichtigsten Kernkompetenzen beschrieben und mit dem Profil des Servicetechnikers abgeglichen. Darauf aufbauend wird im Dialog mit dem Vorgesetzten für jeden Mitarbeiter ein individueller Lernkatalog erarbeitet. Gemeinsam mit dem Steinbeis Institut Berlin hat Trumpf zudem einen zertifizierten Lehrgang zum Competence Service Berater (CSB) entwickelt, der auf neue Rollen im Servicebereich vorbereitet.

Aktuell nehmen zwölf Servicetechniker im Alter von 50 bis 63 an „Fit for Service“ teil. Dass sie dadurch zufriedener werden und ihre Beschäftigungsfähigkeit erhöhen, nützt den Mitarbeitern und dem Unternehmen gleichermaßen. Durch die zusätzlich entstandenen Karriereperspektiven punktet Trumpf auch bei der Rekrutierung von Nachwuchskräften im Service. Die Kunden des Unternehmens wiederum profitieren durch ein erweitertes und besseres Serviceangebot. Berechnungen zeigen zudem, dass beispielsweise ein Servicetechniker, der nach 15 Jahren seine Tätigkeit im Außendienst rechtzeitig reduziert und stattdessen zeitweise als Trainer beim Kunden arbeitet, bis zu seinem Renteneintritt einen siebenstelligen Eurobetrag zusätzlich erwirtschaften kann – vorausgesetzt es gelingt, sein Renteneintrittsalter durch eine frühzeitige Neuorientierung auf 67 Jahre zu erhöhen.

Dr. Christiane Grunwald,
Leiterin Personal- und Sozialwesen
Trumpf-Stammhaus

„Wir pflegen eine lebensphasenorientierte Laufbahnplanung und setzen darauf, dass unsere Mitarbeiter sich ständig weiterbilden, um bis ins hohe Alter flexibel zu bleiben. Trumpf hat sich in einer Betriebsvereinbarung darauf verpflichtet, Arbeit so zu gestalten, dass Gesundheit, Lern- und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter während ihrer gesamten Berufstätigkeit erhalten und gefördert werden. Die Erfahrung der älteren Beschäftigten ist für uns enorm wertvoll. Damit sie langfristig fit bleiben, ist es allerdings wichtig, dass Unternehmen und Mitarbeiter gemeinsam und rechtzeitig über eine altersgerechte Perspektive nachdenken.“

Wie die meisten privaten Arbeitgeber kämpft auch die Stadtverwaltung Ludwigsburg mit den verschiedenen Facetten des demografischen Wandels. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, kümmert sich die Kommune nicht nur um den Nachwuchs, sondern will auch ältere Mitarbeiter gezielt unterstützen und weiterentwickeln. Mit speziell geschulten Wissensmultiplikatoren sollen außerdem das Know-how der älteren Beschäftigten gesichert und der Dialog zwischen den Generationen gefördert werden.

Bereits 2011 waren 40 Prozent aller Mitarbeiter in der Ludwigsburger Stadtverwaltung über 50. Im Verhältnis dazu nahmen zu wenige Beschäftigte aus dieser Altersgruppe an den Fortbildungs- und Gesundheitskursen der Kommune teil. Dies veranlasste die Verantwortlichen im Bereich Personal und Organisation, sich intensiver mit den Bedürfnissen der älteren Arbeitnehmer zu beschäftigen. Unterstützt wurde das Vorhaben durch eine Förderung der Robert Bosch Stiftung im Rahmen des Projekts „Demografieorientierte Personalpolitik in der öffentlichen Verwaltung“.

Zunächst erhoben die Personalverantwortlichen ein allgemeines Stimmungsbild zum Aspekt „Älter werden“. Im Rahmen der regelmäßigen Mitarbeiterbefragung sollte die Belegschaft die Einbindung und Wertschätzung älterer Beschäftigter, die Zusammenarbeit zwischen Alt und Jung sowie das Wissensmanagement bewerten. „Zur Vertiefung haben wir alle Beschäftigten ab 50 Jahren persönlich zu Workshops eingeladen“, erläutert der Personalleiter Holger Heß. Die Resonanz darauf war unerwartet groß. 170 der insgesamt 540 Mitarbeiter dieser Altersgruppe nahmen daran teil. In den Treffen konnten die Teilnehmer aktuelle Angebote auf ihre Alltagstauglichkeit prüfen und Verbesserungen anregen. Außerdem sollten sie auch darüber hinausgehende Anforderungen und Wünsche formulieren. Wichtige Themen waren Gesundheit, Arbeitszeit und Personaleinsatz, Wissenstransfer, Lernen und Motivation.

Die Teilnehmer wünschten sich zum Beispiel zusätzliche Angebote in den Bereichen Ernährung, Sport und EDV und regten zudem an, die Kommunikation darüber zu verbessern. Viele Vorschläge wurden zeitnah realisiert. „Gut, dass sich die Stadtverwaltung mit dem Thema Altern befasst“ war die einhellige Rückmeldung der Beschäftigten, die sich schon durch die Workshops besser wahrgenommen und wertgeschätzt fühlten. Bei der konkreten Umsetzung lernten die Personalverantwortlichen, dass die älteren Beschäftigten kein Sonderprogramm 50+ haben wollten, sondern stattdessen individuell passende, altersunabhängige Entwicklungsmöglichkeiten.

Holger Hess

Holger Hess, Personalleitung, Stadt Ludwigsburg

„Wir pflegen eine Kultur der Wertschätzung für Mitarbeiter jeden Alters. Dass wir uns speziell um die Bedürfnisse älterer Kollegen kümmern, bedeutet nicht, die übrigen Altersgruppen zu vernachlässigen. Sowohl die Nachwuchskräfte als auch die Mitarbeiter im mittleren Alter haben spezielle Anforderungen, denen wir als Arbeitgeber gerecht werden wollen. Es geht darum, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.“

Die Ergebnisse aus der Mitarbeiterbefragung und den Workshops wurden in der Mitarbeiterzeitung veröffentlicht und auch in den Führungszirkeln diskutiert. Zusätzlich wurde der Leitfaden für Mitarbeitergespräche um altersspezifische Aspekte ergänzt. „Nur wenn unsere leitenden Kräfte für die individuellen Bedürfnisse und Problemlagen in den verschiedenen Lebensphasen sensibilisiert sind, kann eine gezielte Förderung stattfinden”, betont Christine Eckert-Schöck, die für die Personalentwicklung in Ludwigsburg verantwortlich ist.

Ihre intensive Auseinandersetzung mit der Altersgruppe 50+ führte den Personalverantwortlichen vor Augen, dass die älteren Beschäftigten sich häufig ein exklusives Wissen angeeignet hatten, auf das sonst niemand zugreifen konnte. In einer zweiten Projektphase ging es deshalb darum, dieses wertvolle Know-how professionell zu managen und auch für andere Kollegen verfügbar zu machen. Aus den verschiedenen Fachbereichen wurden dazu jüngere Mitarbeiter als Wissensmultiplikatoren ausgebildet. Im Rahmen von strukturierten Interviews oder moderierten Workshops sollen sie relevantes Wissen der erfahrenen Kollegen erfragen und dokumentieren. Anlässe für solche Wissenstransfergespräche können ein anstehender Ruhestand, aber auch ein Stellenwechsel oder die Elternzeit einer erfahrenen Arbeitskraft sein.

Christine Eckert Schöck

Christine Eckert Schöck, Stadt Ludwigsburg

„Wir legen Wert darauf, das Älterwerden nicht als defizitären Prozess zu betrachten. Stattdessen wollen wir unseren Mitarbeitern bewusst machen, wie viele wertvolle Ressourcen sie im Laufe ihrer bisherigen Berufstätigkeit erwerben konnten. Dazu haben wir die ProfilPASS-Methode zur Standortbestimmung 50+ weiterentwickelt. In einer Mischung aus angeleiteter Selbstreflexion und vertiefender individueller Beratung werden die Stärken der Mitarbeiter herausgearbeitet, gleichzeitig gewinnen wir wichtige Anhaltspunkte für die Personalentwicklung.“

Ey Alter, Daimler AG

Daimler AG

Bist du alt oder jung? Entscheide dich! Mit dieser Aufgabe begrüßt die Sonderausstellung „EY ALTER – Du kannst dich mal kennenlernen“ ihre Besucher im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart. Damit wird gleich zu Beginn etwas Wichtiges klar: Alter ist auch Kopfsache. Abhängig von der Tagesform oder einem Gesamtgefühl startet man durch das Tor für „Alt“ oder für „Jung“ in einen interaktiven Parcours, der die Chancen des demografischen Wandels auf kreative Weise erlebbar macht. Die gängigen Stereotype über das Alter kommen dabei schnell ins Wanken.

Die Ausstellung ist der öffentliche Teil der Demografie-Initiative „YES – Young and Experienced together Successful“ von Mercedes-Benz Cars, mit der das Unternehmen einen internen Kulturwandel anstrebt und auch über Firmengrenzen hinweg neue Perspektiven auf das Alter erreichen will. Jedes Alter hat seine eigenen Potenziale. Mit dieser Grundhaltung setzt der Automobilhersteller auf eine Firmenkultur, die junge und ältere Mitarbeiter zusammenbringt, um auf der Basis ihrer vielfältigen Erfahrungen und Talente die besten Autos zu bauen.

Weil für den angestrebten Paradigmenwechsel Führung eine entscheidende Rolle spielt, besuchen alle Führungskräfte von Mercedes-Benz Cars die Ausstellung und begleitende Workshops. Dort lernen sie wissenschaftliche Fakten aus der Altersforschung kennen und können am eigenen Leib erleben, dass jeder sein Alter selbst in der Hand hat. Der Fahrzeugbauer will das Thema Alter als zentralen Faktor in seine Führungskräfteschulungen integrieren und damit eine alterspositive Führungskultur unterstützen. Was er sonst noch unternimmt, um den Kulturwandel voranzubringen, besprachen wir mit Sylvia Hütte-Ritterbusch, die als Projektleiterin von EY ALTER die Ausstellung mit ihrem Team mitentwickelt hat. Sie leitet das Strategische Resource Management am Standort Bremen und hat seit vielen Jahren Erfahrung mit Demografieprojekten.

WRS: Frau Hütte-Ritterbusch, eine Ausstellung zum Alter im Mercedes-Benz Museum liegt nicht unbedingt auf der Hand. Was hat Sie dazu motiviert?

Sylvia Hütte-Ritterbusch, Daimler AG

Sylvia Hütte-Ritterbusch: Die Ausstellung entstand auf Initiative und nach Ideen von Mercedes-Benz in Zusammenarbeit mit der Jacobs University Bremen. Für das gesamte Unternehmen hat der demografische Wandel höchste Relevanz. Schon heute ist das Durchschnittsalter der Belegschaft an den Produktionsstandorten von Mercedes-Benz verhältnismäßig hoch. Deshalb ist es wichtig, unsere Schubladen „Jung“ und „Alt“ zu überdenken und den demografischen Wandel als Chance zu begreifen.

Mit EY ALTER setzen Sie interessante Impulse, die Ihre Führungskräfte und auch die Mitarbeiter zweifelsohne zum Nachdenken anregen. Für einen Kulturwandel braucht es jedoch mehr. Wie schaffen Sie es, die Erkenntnisse in den Alltag zu bringen?

Alter ist Einstellungssache – das führt uns die Ausstellung eindeutig vor Augen. In dieser Hinsicht legen wir bei den Besuchern eine wichtige Grundlage dafür, dass sie künftig anders über die Themen Alter und Altern denken und möglicherweise auch bereits anders damit umgehen. Das Feedback aus den begleitenden Workshops hat uns gezeigt: Wer die Mitmachstationen durchläuft, wird neugierig darauf, sich weiter mit Altersfragen zu beschäftigen. Unsere Führungskräfte beginnen damit, sich Gedanken zu machen, wie sie die gewonnenen Erkenntnisse in ihr Handeln integrieren und an ihre Mitarbeiter weitergeben können. Konkrete Praxismaßnahmen gehen wir dann mit dem sogenannten Demografie-Spiegel an – einem weiteren Baustein von YES.

Wie gehen Sie dabei vor?

Wir nutzen den Demografie-Spiegel als Mess- und Steuerungsinstrument, um transparent zu machen, wo unsere einzelnen Produktionsstandorte hinsichtlich demografierelevanter Projekte und Maßnahmen stehen. In einem standardisierten Prozess erheben wir den Ist- Zustand, definieren den Handlungsbedarf und verständigen uns gemeinsam mit den Fachbereichen auf gemeinsame Ziele. Darauf aufbauend werden dann notwendige Maßnahmen initiiert, die in regelmäßigen Check-Ups und einem abschließenden Review überprüft werden. Aktuell liegt der Schwerpunkt auf einem generationenübergreifenden Wissenstransfer und Ergonomiemaßnahmen. Unterstützt werden die Standorte durch unsere Demografie-Manager, die den Prozess begleiten.

Sie setzen auf das Miteinander von Jung und Alt. Führen altersgemischte Teams denn zwangsläufig zu besseren Leistungen?

Alt und Jung zusammen ergeben oft einen Mehrwert, aber eben nicht in allen Fällen. Ob es tatsächlich gelingt, hängt unter anderem von den Aufgaben und den Rahmenbedingungen im Team ab. Alt oder jung zu sein, gibt ja noch keinen Aufschluss über die Fähigkeiten eines Menschen. Es kommt darauf an, dass die Teams hinsichtlich der vielfältigen Talente und Potenziale ihrer Mitglieder gut zusammenarbeiten und das Gruppenklima insgesamt stimmt.

Besprechung

Fotos: Menold Bezler Rechtsanwälte

Die Stuttgarter Wirtschaftskanzlei Menold Bezler hat sich auf die Beratung mittelständischer Firmen und der öffentlichen Hand spezialisiert.  Mit ihren fast 160 Mitarbeitern, darunter 80 Rechtsanwälten und Notariatsassessoren, bietet die Sozietät das umfassende Leistungsangebot einer Großkanzlei und gleichzeitig eine besonders individuelle Betreuung ihrer Mandanten. Seit der Gründung im Jahr 2004 hat sich die Belegschaft der Kanzlei verdreifacht und dabei eine außergewöhnliche Firmenkultur entwickelt. Werte wie Hilfsbereitschaft, Vertrauen, Teamgeist und Fairness sind in den Kanzleileitlinien festgeschrieben – seit einiger Zeit ist auch der Grundsatz der Familienfreundlichkeit im Leitbild verankert. Damit will die renommierte Wirtschaftskanzlei ihren Mitarbeitern die Möglichkeit eröffnen, trotz hoher Anforderungen im Beruf ausreichend Freiräume für die Familie zu schaffen.

Auch bei Neueinstellungen spielt Familienfreundlichkeit eine immer wichtigere Rolle. Um im „war for talents“ die besten Absolventen für sich zu interessieren, setzt Menold Bezler deshalb zusätzliche Anreize, beispielsweise in Gestalt von Zuschüssen zur Kinderbetreuung. Ihre Leistungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie bringen der Stuttgarter Wirtschaftskanzlei bedeutende Pluspunkte gegenüber ihren Wettbewerbern ein und wurden bereits mit verschiedenen Auszeichnungen gewürdigt.

Flexible Arbeitszeitmodelle spielen bei Menold Bezler eine besondere Rolle. Von 20- bis 90-Prozent-Verträgen gibt es alle Varianten im Unternehmen, abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter. Eine Besonderheit für die Anwaltsbranche ist es aber vor allem, dass seit Kurzem auch auf Partnerebene eine flexible Arbeitszeitreduzierung möglich ist. Die Stuttgarter Anwaltspartnerschaft will damit ein deutliches Zeichen für gelebte Familienfreundlichkeit setzen. Nach Einführung der Teilzeit-Partnerschaft haben gleich mehrere Kollegen davon Gebrauch gemacht. Einer von ihnen ist der Spezialist für Insolvenzrecht und Sanierungen, Dr. Frank Schäffler (39). Wir sprachen mit ihm über seine Motive und die besonderen Herausforderungen für einen Partner in Teilzeit.

WRS: Herr Dr. Schäffler, bei der Arbeit in einer Wirtschaftskanzlei denkt man automatisch an 12-Stunden-Tage, Wochenendarbeit und eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit. Ist Menold Bezler hier die große Ausnahme?

Dr. Frank Schäffler

Dr. Frank Schäffler

Dr. Frank Schäffler: Wir haben in unserer Kanzlei eine hohe Serviceorientierung und sind immer für unsere Mandanten da. Es gilt die Maxime, dass der Teilzeitjob nicht auf Kosten des Mandanten gehen darf. In meinem Fachgebiet sind die Anforderungen dahingehend sogar besonders hoch, denn bei einer drohenden Insolvenz herrscht grundsätzlich ein außerordentlicher Zeitdruck und ist auch fast immer Gefahr in Verzug. Andererseits legen wir in der Kanzlei Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance.

Existiert Ihr Teilzeitjob dann nur auf dem Papier? Oder wie schaffen Sie es sonst, diese Anforderungen in der Realität zu erfüllen?

Nein. Ich habe auf 80 Prozent reduziert. Das bedeutet, dass ich montags und freitags früher gehe, um Zeit mit meinen drei Kindern zu verbringen. Das kann ich allerdings nur umsetzen, weil ich ein ganz hervorragendes Team habe. Meine Mitarbeiter sind zu einhundert Prozent in die Fälle eingearbeitet und unseren Mandanten auch bekannt. Trotzdem kommt es natürlich vor, dass ein Mandant unbedingt den Partner sprechen will – deshalb bin ich grundsätzlich immer erreichbar.

Das hört sich sehr anstrengend an. Was sind denn die besonderen Herausforderungen einer solchen Teilzeit-Partnerschaft?

Es verlangt Disziplin und natürlich ist der Organisations- und Kommunikationsaufwand deutlich höher als vorher. Ich muss für zahlreiche Situationen im Vorfeld eine Lösung planen. Für den Fall, dass die Mandatsarbeit meine Anwesenheit während meiner Kinderbetreuungszeit erfordert, bietet die Kanzlei seit Kurzem die Möglichkeit, meine Kinder in einem Spielzimmer zu betreuen oder betreuen zu lassen. Insgesamt hat sich die Tätigkeit durch die Arbeitszeitreduzierung verdichtet. Wenn ich früher gehe, kann es auch vorkommen, dass ich auf Rückrufe warte, die ich dann von unterwegs aus bearbeite. Auch die Beteiligung am sozialen Leben der Kanzlei, das ich sehr schätze, ist etwas zurückgegangen. Der Anspruch an die Selbstverantwortung meiner Mitarbeiter ist deutlich gestiegen. Darin sehe ich Vorteile, weil diese sich so besonders gut weiterentwickeln können.

Was waren denn Ihre Gründe für eine Reduzierung der Arbeitszeit? Und wie sind die Reaktionen Ihrer Partnerkollegen in der Kanzlei?

Ausgangspunkt war eine Vereinbarung mit meiner Frau, dass ich eben auch meinen Teil zur Familienorganisation beitrage. Sie ist Richterin und in ihrem Beruf ebenfalls sehr engagiert. Ich wollte außerdem Zeit mit meinen drei Kindern verbringen, solange diese noch klein sind. Die Reaktionen meiner Kollegen sind bisher ausnahmslos positiv. Wir haben ein sehr vertrauensvolles Klima unter den Partnern und ich schätze es sehr, dass mir diese Flexibilität ermöglicht wird.

Insgesamt bin ich froh, den Weg in die Teilzeit-Partnerschaft genommen zu haben. Dies gibt mir die Möglichkeit, meinen Beruf mit voller Kraft ausüben zu können, ohne dass ich Familie vernachlässigen muss.