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Die Candidate Journey beschreibt sechs Etappen, die alle Jobsuchenden auf dem Weg zu einer neuen Stelle durchlaufen. Aus Firmensicht bieten die verschiedenen Phasen zahlreiche Ansatzpunkte, um das Recruiting zu optimieren:
- Unterstützen Sie Jobsuchende bei ihrer Recherche mit passenden Informationen
Suchen Sie die passenden Kanäle aus. Formulieren Sie aussagekräftige Jobtitel und informieren Sie ausführlich über die Anforderungen und Aufgaben. Wichtig sind zudem allgemeine Fakten zum Unternehmen, beispielsweise zu Kultur, Werten, Weiterbildungsangeboten, Benefits etc. Zusatznutzen bieten Tests zur Selbsteinschätzung (Self-Assessments), beispielsweise ob ein Kandidat zur Unternehmenskultur passt. - Ermöglichen Sie eine einfache Übermittlung der Bewerbungen
Die meisten Bewerber bevorzugen es, ihre Unterlagen per E-Mail zu übermitteln. Im Kommen sind One-Klick-Bewerbungen, die es ermöglichen, Profile aus Business-Netzwerken per Mausklick in die Datenbanken des Unternehmens zu importieren. Wichtig ist ein Ansprechpartner, der namentlich genannt wird. - Gestalten Sie den internen Auswahlprozess als positive Erfahrung
Bestätigen Sie den Bewerbungseingang innerhalb von 24 Stunden und behandeln Sie die Kandidaten mit Wertschätzung. Diese erwarten eine regelmäßige Rückmeldung über den Stand des Verfahrens und wünschen sich frühzeitig die Gelegenheit, das Team kennenzulernen. - Auch Absagen können einen positiven Eindruck hinterlassen
Halten Sie die Zeit bis zur Entscheidung möglichst kurz, ein Auswahlverfahren sollte nicht länger als sechs Wochen dauern. Durch ein faires, persönliches Feedback lassen sich auch abgelehnte Kandidaten als positive Markenbotschafter gewinnen. - Heißen Sie Ihre neuen Mitarbeiter willkommen und bieten Sie Starthilfe an
Die ersten Wochen (Onboarding) im Betrieb sind besonders prägend. Neue Mitarbeiter wünschen sich das rechtzeitige Vorliegen des Vertrages sowie einen festen Ansprechpartner, der alle aufkommenden Fragen beantwortet. - Bleiben Sie im Dialog und binden Sie neue Mitarbeiter aktiv in das Unternehmensgeschehen ein
Ob aus dem neuen Arbeitnehmer ein loyaler Mitarbeiter wird, entscheidet sich meist im ersten Jahr. Ein ständiger Dialog und die aktive Beteiligung am Unternehmensgeschehen sind unabdingbar, um neue Kollegen gut zu integrieren.
Die IT-Spezialisten der SSC-Services GmbH beschreiben sich selbst als leidenschaftlich, zuverlässig, freundlich und vor allem als ganz normal. Um neue Kollegen zu finden, die fachlich und menschlich zu ihnen passen, investieren sie außergewöhnlich viel Zeit und Geld und haben das Personalthema zur Chefsache gemacht.
Die Böblinger Softwarefirma unterstützt bei der digitalen Integration und sorgt dafür, dass der Datenaustausch zwischen Geschäftspartnern in höchster Qualität und Sicherheitsstufe abläuft. Zur Belegschaft gehören 135 Mitarbeiter, die überwiegend IT-Hintergrund haben. Wie das Unternehmen, trotz großer Konkurrenz in der Region, begehrte Fachleute für sich gewinnen kann, darüber hat sich die Führungsriege umfassend Gedanken gemacht.
Was macht uns überhaupt aus? Warum arbeiten unsere Mitarbeiter bei uns? Aus welchen Gründen werden wir von unseren Kunden beauftragt? Ein Jahr lang haben sich die Verantwortlichen mit solchen Fragen beschäftigt. Sie wollten die besondere Firmenkultur so beschreiben, dass sie nach außen glaubwürdig präsentiert werden kann. Auch das Recruiting konnte davon in großem Maße profitieren.
Mitarbeiter werden als Experten und Menschen wertgeschätzt
Einig waren sich alle, dass ein außergewöhnlich wertschätzendes Miteinander die Kultur des Unternehmens prägt. Jeder Mitarbeiter wird mit seiner Einzigartigkeit und seiner persönlichen Situation gesehen. Dazu gehören beispielsweise Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, Arbeit, Familie und private Interessen in den verschiedensten Lebensphasen unter einen Hut zu bekommen. Spaß an der Arbeit und das hohe Engagement jedes Einzelnen für seine Aufgabe sind weitere Stärken von SSC. Mitgründer Matthias Stroezel bringt es auf den Punkt: „Wir sind ganz normale Menschen, die freundlich miteinander umgehen, sehr professionell arbeiten und gemeinsame Werte teilen. Das klingt einfach, aber genauso ist es eben.“
Franziska Richter, Foto: Nikolaus Grünwald
„Als Symbol für unsere Werte haben wir das Moos ausgewählt, weil es vieles verkörpert, was uns wichtig ist. Es wächst kontinuierlich und bildet vielfältige, netzwerkartige Strukturen aus. Gleichzeitig ist es anpassungsfähig, flexibel und bleibt in seiner Grundnatur immer erkennbar. Mit echten Moospflanzen gelingt es uns auf den Recruitingmessen regelmäßig, Aufmerksamkeit zu erregen.“
Einer, der den Reiz des IT-Dienstleisters auch noch sehr gut von außen beurteilen kann, ist Tobias Rohde. Er wechselte vor zwei Jahren zu SSC und ist heute als Teil der Geschäftsführung für Personal, Organisation und Finanzen verantwortlich. Die Annehmlichkeiten eines großen Automobilkonzerns hat er gerne gegen den besonderen Geist der Firma und die hohe Flexibilität eingetauscht. Ausschlaggebend für den Wechsel war für den Vater einer dreijährigen Tochter auch die Familienfreundlichkeit, die sich SSC regelmäßig durch das Audit „berufundfamilie“ bestätigen lässt.
Virtuell und klassisch: Auf vielen Kanälen präsent
Um auf sich aufmerksam zu machen, haben die Böblinger Experten für Datenmanagement die Kampagne „Catch the Key“ gestartet: Wer ein virtuelles Rätsel löst, wird sicher zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Unter www.schluesselerlebnis.de lernen die Interessenten gleichzeitig Level für Level mehr über SSC kennen. Am Ende wissen beide Parteien, ob sie zueinander passen. Auch mit klassischen Recruitinginstrumenten arbeitet das Unternehmen intensiv daran, präsent und sichtbar zu sein. Es betreibt aktives Hochschulmarketing, schaltet Anzeigen in den relevanten Jobbörsen und hat einzelne Stellen dauerhaft auf der Homepage ausgeschrieben.
Tobias Rohde, Foto: Nikolaus Grünwald
„Um als Mittelständler an gute Leute zu kommen, muss man kontinuierlich suchen und präsent sein. Wenn jemand in unser Profil passt, dann stellen wir auch schon mal über den aktuellen Bedarf ein. Bei dem Bewerbungsprozess ist immer einer der Geschäftsführer dabei, zudem werden die Mitarbeiter beteiligt. Wir sind sehr offen, geben ehrliches Feedback und versuchen eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Dadurch hoffen wir, dass sich auch die Bewerber möglichst unverstellt präsentieren.“
Nach besonderen Spezialisten suchen die SSC-Personaler auch aktiv in den sozialen Medien und vor allem über Mund-zu-Mund-Propaganda – erst jüngst hat eine Kollegin sogar ihren eigenen Lebensgefährten ins Unternehmen vermittelt. Das Recruiting zielt auf eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Kräften – und auch Persönlichkeiten, die sich nicht entsprechend dem Mainstream präsentieren, haben eine Chance. Im Vorfeld der Gespräche überlegen sich die Personalexperten sehr genau, welche Charaktere das Team in der Zukunft weiterbringen werden.

Vector Informatik GmbH
Gute Softwareentwickler zu verpflichten, gehört zu den Königsdisziplinen im Recruiting, denn unter den begehrten IT-Fachleuten herrscht gegenwärtig Vollbeschäftigung. Um interessante Kandidaten zu überzeugen, setzt die Vector Informatik GmbH vor allem auf Offenheit, Vertrauen und den persönlichen Kontakt.
Das Unternehmen unterstützt die Automobilindustrie und verwandte Branchen bei der Entwicklung von elektronischen Systemen und deren Vernetzung. Es trägt maßgeblich dazu bei, dass bis zu 100 Steuergeräte in Fahrzeugen reibungslos zusammenarbeiten. Aktuell sind rund 2.000 Mitarbeiter für den schwäbischen IT-Spezialisten tätig. Er beschäftigt vor allem Elektroingenieure und Informatiker, aber auch Mathematiker und Physiker gehören zum Team. Beim Recruiting wirft Vector eine außergewöhnliche Mischung in die Waagschale: Das Unternehmen bietet reizvolle Projekte, beispielsweise zum autonomen Fahren, ähnlich wie bei einem großen Konzern. Gleichzeitig pflegt es nach wie vor das vertrauensvolle und familiäre Miteinander eines Mittelständlers.
Marcell Amann, Vector Informatik GmbH
„Wir haben eine Kultur, die ich unter dem Begriff „Menschlichkeit“ zusammenfassen möchte. Prägend dafür sind die grundlegenden Werte Fairness, Offenheit und Teamgeist, die von den beiden Geschäftsführern und dem Management vorgelebt werden. Diese Haltung ist auch das Fundament unserer Employer-Branding- und Recruiting-Aktivitäten. Darüber hinaus sind wir vor allem ein hochinnovatives Unternehmen – nahezu alle Vectorianer sind technologieverrückt. Kandidaten, die ähnlich ticken, können wir ein ideales Umfeld bieten.“
Ob jemand fachlich, aber auch hinsichtlich seiner Werte und Einstellungen zu Vector passt, finden die Personalverantwortlichen am besten im persönlichen Kontakt heraus. Dazu werden auch die Fachabteilungen und künftigen Kollegen am Recruitingprozess beteiligt. Zunächst gilt es jedoch, von den begehrten Fachkräften überhaupt wahrgenommen zu werden. Denn die schwäbische Technologieschmiede ist ein typischer Hidden Champion und in der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt. Bevor sie ihre Trümpfe ausspielen können, müssen die Recruiter deshalb das Interesse ihrer Zielgruppen gewinnen. Personalleiter Marcell Amann weiß allerdings aus Erfahrung: „Wenn wir Kandidaten erst mal bei uns vor Ort haben, ist es meist relativ einfach, diese von unseren Qualitäten zu überzeugen.“
Jungakademiker sollen frühzeitig Einblick ins Unternehmen gewinnen
Ein Schwerpunkt im Recruiting sind die Nachwuchskräfte, weil sie sich erfahrungsgemäß besonders schnell in die komplexen Technologien des Unternehmens einarbeiten. Vector will möglichst frühzeitig mit den jungen Leuten in Kontakt kommen und lädt dazu beispielsweise Studierende regelmäßig zu Fachvorträgen und Erfahrungsberichten nach Stuttgart-Weilimdorf ein. Dort treffen sie auf Mitarbeiter aus den Fachabteilungen und können einen authentischen Einblick in die spannenden Projekte des Technologiebetriebs gewinnen. Gelegenheit dazu gibt es auch auf rund 30 Recruitingmessen im Jahr und im Rahmen von Praktika, Abschlussarbeiten oder Stipendien.
Erfahrene Fachkräfte gewinnt Vector sehr erfolgreich über Empfehlungen aus den eigenen Reihen – mehr als ein Drittel aller Einstellungen gehen darauf zurück. Auch hier pflegen die IT-Spezialisten eine Kultur der offenen Türen: Mitarbeiter können Interessierte jederzeit ins Unternehmen einladen und ihren Arbeitsplatz vorstellen. Wie die eigene Belegschaft die Attraktivität ihres Arbeitgebers bewertet, erheben regelmäßige Mitarbeiterbefragungen. Die Ergebnisse haben dem Softwarebetrieb wiederholt einen Spitzenplatz beim Arbeitgeberwettbewerb „Great Place to Work®“ eingebracht.
Technologien erleichtern die Suche nach geeigneten Personen
Die Recruiter identifizieren passende Kandidaten außerdem durch Active Sourcing mit Tools wie dem Xing Talentmanager und dem Linkedin Recruiter. Mit technologischer Unterstützung können sie gezielt nach Fachkräften suchen, die beispielsweise bereits Berührungspunkte mit agilen Arbeitsformen hatten. Interessante Personen werden möglichst kurzfristig zum persönlichen Gespräch gebeten, denn gute Leute haben meist viele Eisen im Feuer. Aber auch Vector stellt hohe Anforderungen an die fachliche und persönliche Eignung seiner Bewerber und überprüft unter anderem mit situativen Fragen, ob jemand mit seiner Einstellung auch in den Hochleistungsbetrieb passt.
Wer letztendlich eingestellt wird, entscheiden die Vectorianer immer im Team – maßgeblich dafür sind, auch in digitalen Zeiten, noch immer die Einschätzung und das Bauchgefühl der Menschen, die am Recruitingprozess beteiligt waren.

Prof. Peter M. Wald, Foto: Leipziger Personalforum/Claudia Koslowski
Wie können mittelständische Betriebe herausfinden, welche Mitarbeiter zu ihnen passen? Und wie können sie geeignete Personen von ihren Qualitäten als Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb überzeugen? Ein Experte für solche Fragen ist Professor Peter M. Wald von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK). Er lehrt und forscht zu aktuellen Entwicklungen im Personalmanagement und interessiert sich besonders für die Auswirkungen der Digitalisierung. Über relevante Personalthemen bloggt er auch regelmäßig in seinem Leipziger HRM-Blog. Im Interview erklärt er, warum Bewerbungsunterlagen weniger wichtig werden und stattdessen der persönliche Kontakt für den nachhaltigen Rekrutierungserfolg eine entscheidende Rolle spielt.
WRS: Herr Professor Wald, beim jährlichen Leipziger HR Innovation Day diskutieren Sie auch die neuesten Entwicklungen im Recruiting. Was empfehlen Sie kleineren Firmen, die heute offene Stellen besetzen möchten?
Professor Peter M. Wald: Sie müssen präsent sein, und zwar genau dort, wo sie ihre Zielgruppen antreffen. Auf der Suche nach Azubis oder Berufseinsteigern sind das natürlich vor allem die sozialen Medien, aber auch Events. Hinzu kommen regionale Printmedien, die sich eher an die Bezugspersonen der jungen Leute, wie Eltern oder Großeltern, richten. Ambulante Pflegekräfte lassen sich möglicherweise mit einer gut gemachten Radiowerbung erreichen. Akademiker mit Berufserfahrung wiederum können gut über die sozialen Plattformen Xing oder Linkedin angesprochen werden. Es ist also zunehmend wichtig, differenziert vorzugehen.
Müssen die Firmen also möglichst viele Kanäle gleichzeitig bearbeiten?
Sie sollten immer zuerst klären, welche Zielgruppe sie im Visier haben. Dann brauchen sie einen Weg, um vom entsprechenden Personenkreis wahrgenommen zu werden und mit Vertretern in einen ersten Kontakt zu kommen. Auf allen möglichen Plattformen ein bisschen was zu machen, macht wenig Sinn. Erfolgversprechender ist, die wirklich passenden Medien zu nutzen und anschließend sehr viel in den Aufbau und die Pflege der Beziehungen mit interessanten Kandidaten zu investieren. Dabei spielt die Candidate Experience, also das Erleben des Bewerbungsprozesses durch die Kandidaten, eine maßgebliche Rolle für den Rekrutierungserfolg.
Was können die Firmen denn konkret tun, um bei ihren Bewerbern einen positiven Eindruck zu hinterlassen?
Gerade bei den jüngeren Zielgruppen sollten sie die Hürde für den Erstkontakt möglichst niedrig halten. Sogenannte One-Klick-Bewerbungen, bei denen sich Interessenten ganz unkompliziert mit ihrem Social-Media-Profil vorstellen können, werden immer wichtiger. Die Bewerber wollen außerdem individuell angesprochen werden – Standardmails sind also tabu. Gerade kleineren Betrieben empfehle ich außerdem, interessante Kandidaten möglichst schnell zu sich einzuladen und für diesen Termin viel Zeit einzuplanen. Wenn sie sich bei diesem ersten Vor-Ort-Termin gut präsentieren, ist das die beste Gelegenheit, das Interesse der potenziellen Auszubildenden oder Mitarbeiter zu verstärken. Ob die jeweiligen Personen auch über notwendige Fähigkeiten für eine Ausbildung oder Stelle verfügen, lässt sich dann im nächsten Schritt überprüfen.
Funktioniert das auch bei Akademikern und erfahrenen Experten?
Unsere Studie über die Erwartungen von Informatikstudenten und IT-Berufsstartern hat zum Beispiel ergeben, dass auch diese den persönlichen Kontakt sehr schätzen. Sie wollen gerne aktiv angesprochen werden, und zwar am liebsten von Mitarbeitern aus den Fachabteilungen. Arbeitgeber, die also zunächst möglichst perfekte Bewerbungsunterlagen sehen wollen und bei Jobmessen lediglich mit klassisch agierenden Personalern auftauchen, haben heute oft das Nachsehen.
Wie lässt sich denn überprüfen, ob jemand wirklich zur Unternehmenskultur passt?
Um die kulturelle Passung, den sogenannten Cultural Fit, zu analysieren, muss sich ein Unternehmen zunächst mit der eigenen Kultur auseinandersetzen und abseits aller Floskeln für sich klären: Was ist uns wirklich wichtig und was möchten wir nach innen und außen darstellen? Daran anschließend gibt es heute viele technische Möglichkeiten, um in den sozialen Medien nach passenden Personen zu suchen. Beispiele dafür sind der Xing Talentmanager oder der Linkedin Recruiter. Betrieben, denen das Budget oder die Überzeugung für solche technischen Lösungen fehlen, verbessern ihr Recruiting aber auch schon dadurch, dass sie nicht nur nach den Fachkenntnissen schauen, sondern in den Vorstellungsgesprächen zum Beispiel danach fragen, wie sich eine Person in verschiedenen berufsrelevanten Situationen verhalten würde.
Wenn selbstlernende Maschinen immer mehr übernehmen, braucht es dann überhaupt noch Personaler in den Betrieben?
Ja, aber ihre Rolle verändert sich. Personalexperten werden immer mehr zu Beziehungsmanagern, die möglichst persönliche Verbindungen zu interessanten Kandidaten und zur eigenen Belegschaft gestalten und pflegen. Ich empfehle den Personalexperten DEMut zu entwickeln – und meine damit Digitalkompetenz, Empathie für die Bedürfnisse der Menschen und Mut, neue Wege zu gehen.
Die Kompetenz seiner Belegschaft ist einer von drei Werten, an denen der Baudienstleister Mörk sein Handeln ausrichtet. Um diese zu fördern, hat das Unternehmen seine Personalentwicklung neu aufgestellt und eigens eine Weiterbildungskoordinatorin verpflichtet. Mit seinem konsequenten Qualifizierungsansatz ist es Preisträger beim Innovationspreis Weiterbildung Region Stuttgart 2017.
„Die Expertise der Mitarbeiter ist unsere wichtigste Ressource“, betont der Geschäftsführer Matthias Schäfer. Ständige Weiterbildung ist schon immer Teil der gelebten Firmenkultur und gleichzeitig eng mit der strategischen Entwicklung von Mörk verzahnt. „Als Bauunternehmen arbeiten wir laufend daran, unsere Dienstleistungen von der Entwicklung der Projekte bis zur Übergabe der Immobilie an die Erfordernisse der Kunden anzupassen. Welche Leistungen wir zukünftig für unsere Kunden anbieten können, wird maßgeblich davon bestimmt, was wir uns heute an Wissen und Fähigkeiten aneignen.“
Bereits in der fünften Generation ist das Leonberger Familienunternehmen in der Bauwirtschaft aktiv. Gegenwärtig arbeiten rund 110 Mitarbeiter in Projekten im Wohn-, Industrie- und Kirchenbau – angefangen von der ersten Idee bis zum schlüsselfertigen Objekt. Das Geschäft ist anspruchsvoll und mit wachsenden technischen und regulatorischen Anforderungen verbunden. Die dafür notwendige Weiterbildung war lange Zeit eine individuelle Angelegenheit zwischen den Führungskräften und ihren Mitarbeitern. Im Rahmen der regelmäßigen Entwicklungsgespräche wurde festgelegt, was für die Förderung jedes Einzelnen passend ist.
Matthias Schäfer, MÖRK GmbH & Co. KG
„‘Was müssen wir noch lernen?‘, fragen wir uns regelmäßig im Führungskreis, wenn es um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von Mörk geht. Die Weiterbildung der Belegschaft ist eine bedeutsame Investition für uns. Ich bin fest davon überzeugt, dass unser Bildungsengagement wertvolle Früchte trägt und uns am Markt wichtige Vorteile verschafft. Und nur wenn die Mitarbeiter Neues dazulernen und ihre Fachgebiete immer besser beherrschen, werden wir auch als Betrieb agil und wandlungsfähig bleiben.“
Weil mit dem Wachstum des Unternehmens auch der Aufwand für die Vorgesetzten steigt, entscheidet sich Matthias Schäfer dafür, die Personalentwicklung neu zu strukturieren und intern zu bündeln. Ein weiterer wichtiger Schritt erfolgt mit der Einstellung der Weiterbildungskoordinatorinnen Birgit Sliwka-Koch und Elternzeitvertretung Yvonne Lehmann, die fortan alle Aktivitäten zentral steuern und das Konzept weiterentwickeln. In den darauffolgenden Monaten stellen die Verantwortlichen sämtliche Prozesse auf den Prüfstand. Um Planungssicherheit zu gewährleisten, definieren sie ein eigenes Weiterbildungsbudget und legen fest, dass künftig jeder Mitarbeiter im Jahr bis zu sechs Arbeitstage für seine Entwicklung nutzen kann.
Basis des neuen Konzepts ist ein Jahresprogramm, das den Schwerpunkt auf baufachliche Themen und Sozial- und Methodenkompetenz setzt. Erstellt wird es von der Geschäftsführung in Zusammenarbeit mit den Führungskräften – berücksichtigt werden unter anderem die ermittelten Bedarfe aus den Mitarbeitergesprächen. Auch die Belegschaft wird aktiv eingebunden und kann zusätzliche Vorschläge einreichen. Eine besondere Rolle spielen zudem interne Experten, die jeweils für eines der rund 50 Gewerke eines Bauvorhabens zuständig sind. Sie sind angehalten, relevante Neuerungen aus ihrem Fachgebiet im Schulungsprogramm zu platzieren und inhaltlich bei der Konzeption zu unterstützen.
Yvonne Lehmann, MÖRK GmbH & Co. KG
„Um unsere Bildungsangebote auf Qualität und Praxistauglichkeit zu überprüfen, haben wir ein systematisches Controlling eingeführt. Sämtliche Maßnahmen werden dazu in Datenbanken erfasst und in einem Feedbackprozess bewertet. Die Teilnehmer sollen beispielsweise drei wesentliche Kernaussagen jeder Schulung dokumentieren. Ob und wie sich Lerninhalte auf die Praxis auswirken, reflektieren wir in speziellen Transfergesprächen, die die Mitarbeiter circa sechs Wochen nach jeder Maßnahme mit ihren Teamleitern führen.“
Im Rahmen der Mitarbeitergespräche werden nach wie vor individuelle Weiterbildungspläne festgelegt. Maßnahmen können aus dem internen Schulungsprogramm stammen, aber auch aus externen Seminaren, Einzelcoachings, Messe- oder Vortragsbesuchen bestehen. Bewusst möchte der Geschäftsführer auch persönliche Kompetenzen wie die Fähigkeit zur Problemlösung oder zur Achtsamkeit gezielt fördern. Das Unternehmen pflegt eine werteorientierte Firmenkultur und hat sich nicht nur zu hoher technischer Kompetenz, sondern auch zu aufrichtigem und zuverlässigem Handeln verpflichtet. Mit einer ganzheitlichen Qualifizierungsstrategie will es seine Belegschaft darin unterstützen, diesem Werteanspruch auch gerecht zu werden.
Mittwochmorgens 7:30 Uhr: Die 57 Mitarbeiter von Türenmann treffen sich in der Firmenlobby zum gemeinsamen Lernen. 30 Minuten lang geht es beispielsweise um die neuesten Entwicklungen rund um den Rollladen oder die Auffrischung des gemeinsam entwickelten Firmenleitbilds. Die Mittwochspräsentationen sind Teil eines Weiterbildungsprogramms, mit dem der Handwerksbetrieb das fachliche Know-how und die Sozialkompetenz seiner Mitarbeiter permanent vertieft und erweitert. Für sein durchdachtes Förderkonzept wurde er mit dem Innovationspreis Weiterbildung Region Stuttgart 2017 ausgezeichnet.
Das Feuerbacher Unternehmen hat sich auf den Einbau von Türen und Fenstern, Innenausbau und einen Reparaturservice spezialisiert. Für alle, die ein kaputtes Fenster oder ein defektes Türschloss haben, ist der Handwerksbetrieb rund um die Uhr erreichbar. Der 24-Stunden-Notdienst steht exemplarisch für eine außergewöhnliche Serviceorientierung, durch die sich Türenmann von seinen Wettbewerbern unterscheiden will.
Mit seinen beiden Geschäftsführer-Kollegen Matthias Groß und Ralph Werner ist sich der Türenmann-Chef Tobias Rehder darin einig, dass ihre Mitarbeiter nicht nur fachlich auf dem neuesten Stand sein müssen, sondern zum Beispiel auch Beratungsgeschick und gute Umgangsformen benötigen, um die Kunden rundum zufriedenzustellen. „Wir verkaufen Produkte, die auch unsere Konkurrenten im Angebot haben – es sind deshalb die Menschen hinter Türenmann, mit denen wir beim Ringen um den Kundenauftrag die entscheidenden Punkte machen müssen“, beschreibt er die Motivation für die außergewöhnlichen Bildungsanstrengungen des Unternehmens.
Tobias Rehder, Türenmann Gmbh + Co. KG
„Ich bin davon überzeugt, dass die Kompetenzen aller Beschäftigten permanent und ganzheitlich gefördert werden müssen, wenn daraus tatsächlich ein Wettbewerbsvorteil entstehen soll. Der Kompetenzbegriff hat bei Türenmann vielfältige Facetten – das haben wir auch in unserem Leitbild festgehalten. Neben technischen und handwerklichen Fertigkeiten geht es um soziale und kommunikative Fähigkeiten, eine grundlegende Dienstleistungsmentalität sowie wirtschaftliche Gesichtspunkte. Und auch Know-how über Gesundheits- und Umweltschutzbelange gehören zu den Anforderungen, die wir an uns stellen.“
Die drei Geschäftsführer haben die Organisation des Handwerksbetriebs in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt modernisiert. Dabei spielen auch digitale Prozesse eine zunehmend wichtige Rolle. Ein riesengroßer Bildschirm zeigt heute auf einen Blick, bei welchem Auftrag die Teams gerade im Einsatz sind. Die Fahrtwege der Monteursfahrzeuge können mit einem Programm zur Routenoptimierung geplant und zugesagte Termine auch punktgenau eingehalten werden. Eine durchdachte Produktausstellung bietet die Basis für Beratungsgespräche mit den Kunden. Damit solche Neuerungen auch funktionieren, brauchen die Mitarbeiter die richtige Einstellung und das notwendige Know-how.
In den Mittwochspräsentationen werden deshalb regelmäßig Themen behandelt, bei denen die Führungsriege, aber auch die Mitarbeiter selbst Lern- oder Optimierungsbedarf erkannt haben. Es sind jeweils intensive 30 Minuten, in denen Tobias Rehder die volle Aufmerksamkeit seiner Belegschaft fordert.
Dass es der Feuerbacher Betrieb mit seiner Personalentwicklung ernst meint, zeigt auch das jährliche Trainingslager. Die gesamte Belegschaft fährt dazu in ein Sporthotel oder eine ähnliche Einrichtung. Zweieinhalb Tage lang werden dort wichtige Lerninhalte vertieft. Der Zeitraum gilt für die Beschäftigten als Arbeitszeit, der Handwerksbetrieb ist währenddessen geschlossen. Im ersten Drittel der Klausur stehen fachliche Themen auf der Agenda, die beispielsweise von einem Lieferantenvertreter referiert werden. Die restliche Zeit dient dazu, unterstützt durch einen externen Coach, die sozialen Kompetenzen der Belegschaft zu trainieren. Im Fokus stehen unter anderem interdisziplinäres Arbeiten, das Verhalten gegenüber Kunden oder ein gemeinsames Führungsverständnis.
Weiterbildung ist für den Handwerksbetrieb zudem ein Beitrag, um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen. Denn es wird immer schwieriger, erfahrene Handwerker am Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Das Unternehmen setzt deshalb darauf, benötigtes Know-how innerhalb der aktuellen Belegschaft aufzubauen. Wenn es um Inhalte geht, die nicht für alle Mitarbeiter von Interesse sind, nutzt es dafür auch gezielte Kleingruppenschulungen oder Einzelcoachings. Mit individuellen Angeboten unterstützt werden zudem Nachwuchs-Handwerkerinnen mit Führungsambitionen.

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Um jungen Menschen den Übergang von der Schulzeit in die Berufsausbildung und das Erwerbsleben zu erleichtern, ist es sinnvoll, dass Schule und Wirtschaft eng zusammenarbeiten. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, bei denen die Jugendlichen Industrie und Handwerk besser kennenlernen und sich einen Einblick in verschiedene Ausbildungsberufe verschaffen können. Dazu gehören Techniktage, Berufserkundungen, Praktika oder spezielle Projekte, die die Betriebe gemeinsam mit den Kammern anbieten. Ist eine Kooperation längerfristig angelegt und schriftlich vereinbart, spricht man von einer Bildungspartnerschaft.
Arbeiten Schulen und Unternehmen über mehrere Monate zusammen, eröffnen sich zusätzliche Lernchancen für die Schüler. Sie erweitern ihre naturwissenschaftlich-technische Bildung, entwickeln Sozial- und Methodenkompetenz und verbessern so auch ihre Ausbildungsreife. Gleichzeitig gewinnen sie wichtige Impulse für die zukünftige Berufswahl.
Davon profitieren indirekt auch die Betriebe. Es gibt aber auch einen unmittelbaren Nutzen für die Unternehmen: Denn die regelmäßigen Aktivitäten innerhalb einer Bildungspartnerschaft führen automatisch dazu, dass sie in ihrem regionalen Umfeld bekannter werden und künftige Nachwuchskräfte frühzeitig auf sich als mögliche Arbeitgeber aufmerksam machen.
Die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer in der Region Stuttgart haben ein umfassendes Beratungsangebot entwickelt, um interessierte Partner beim Aufbau und der Pflege einer Bildungspartnerschaft zu unterstützen: Dazu gehören Erstberatung, die Vermittlung geeigneter Partner, Impulse für geeignete Aktivitäten oder auch die Bereitstellung einer Mustervereinbarung. Auch während der konkreten Umsetzung der Kooperationsmaßnahmen stehen die Experten der Kammern beratend zur Seite.
Mit zahlreichen Programmen unterstützt der Bund Unternehmen darin, Weiterbildungsmaßnahmen umzusetzen. Die wichtigsten im Überblick:

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Das Programm WeGebAU fördert Maßnahmen für ungelernte Beschäftigte und ältere Mitarbeiter. Abhängig vom Alter werden die Kurskosten ganz oder teilweise übernommen. Bei Geringqualifizierten zahlt der Bund die vollen Lehrgangskosten, wenn die Weiterbildung zu einem Berufsabschluss führt. In Unternehmen bis zu 250 Mitarbeitern werden außerdem auch 75 Prozent der Lehrgangskosten für ältere Beschäftigte ab 45 Jahren übernommen, wenn deren Schulungszeit zumindest teilweise in die Arbeitszeit fällt. Weiterbildungen für Jüngere werden bis zu 50 Prozent gefördert – vorausgesetzt der Arbeitgeber trägt mindestens die Hälfte der Lehrgangskosten.
Fachbezogene Weiterbildungen wie beispielsweise Fortbildungen zum Fachwirt werden mit Weiterbildungsstipendien gefördert. Die finanzielle Unterstützung beträgt maximal 7.200 Euro für drei Jahre. Die Zielgruppe sind junge Fachkräfte unter 25 Jahren, die in ihren Ausbildungen oder in ihrem Beruf besondere Leistungen erbracht haben.
Unabhängig von ihrem Alter erhalten Fachkräfte mit Berufsausbildung und Praxiserfahrung Aufstiegsstipendien, wenn sie sich durch ein Erststudium beruflich weiterentwickeln wollen. Wenn das Studium berufsbegleitend stattfindet, beträgt die Fördersumme jährlich 2.400 Euro. Voraussetzung ist ein Berufsabschluss mit der Note 1,9 oder besser.
Auch das neue Aufstiegs-BAföG ist ein altersunabhängiges Förderangebot für Mitarbeiter, die sich in einem Lehrgang oder an einer Fachschule auf eine berufliche Fortbildungsprüfung vorbereiten. Gefördert werden Fortbildungskosten und ggf. Unterhaltsbedarf der Mitarbeiter.
Mit der Initiative Zukunftsstarter werden Betriebe unterstützt, die jungen Erwachsenen ab 25 Jahren und geringqualifizierten Beschäftigten, die umschulen oder einen Berufsabschluss nachholen wollen, einen Ausbildungsplatz anbieten. Die Förderung umfasst Arbeitsentgeltzuschüsse für weiterbildungsbedingte Ausfallzeiten sowie Pauschalen zu den Sozialversicherungsbeiträgen.
Mit Prämiengutscheinen übernimmt der Staat die Hälfte der Kosten für eine Weiterbildung bis zu maximal 500 Euro. Die jeweiligen Mitarbeiter müssen dazu durchschnittlich mindestens 15 Stunden pro Woche erwerbstätig sein oder sich in Eltern- oder Pflegezeit befinden und dürfen über ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von maximal 20.000 Euro (als gemeinsam Veranlagte 40.000 Euro) verfügen.
Unsere Arbeitswelt wandelt sich nachhaltig, branchenübergreifend und in hoher Geschwindigkeit. Dies betrifft nicht nur Arbeitsprozesse und technische Anlagen, sondern auch die Menschen in den Betrieben. Sie müssen gewohnte Arbeitsweisen über Bord werfen, ihr Fachwissen immer schneller auffrischen und sich neue, digitale Kompetenzen aneignen. Die Beschäftigten bei diesen Herausforderungen mit passenden Qualifizierungsmaßnahmen zu unterstützen, gehört zu den entscheidenden Stellschrauben, um die digitale Transformation erfolgreich zu bewältigen. Menschen bleiben die wichtigste Ressource für die Unternehmen, das gilt auch in Zeiten des Wandels. Darin waren sich auch 95 Prozent der Entscheider einig, die in einer gemeinsamen Studie der Universität Hamburg und der Sopra Steria Consulting zu den Kriterien digitaler Exzellenz befragt wurden. Gleichzeitig bescheinigten nur sieben Prozent der Befragten ihren eigenen Belegschaften ausreichende Kompetenz, um den Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden.
Fachkräfte mit dem passenden Kompetenzprofil sind rar
In der Fachwelt werden vielfältige Anforderungen an die Beschäftigten diskutiert: Sie sollen nicht nur die neuen Medien beherrschen, sondern auch in selbstorganisierten und virtuellen Teams zusammenarbeiten können und sich in vernetzten Strukturen zurechtfinden. Notwendig sei zudem, dass die Beschäftigten fehlende Kompetenzen regelmäßig und eigenverantwortlich reflektierten und überwiegend selbstorganisiert, im Austausch mit ihren Kollegen oder online in virtuellen Seminaren lernten. In den Firmen gibt es jedoch nur wenige Personen, die einige oder sogar alle diese Kriterien erfüllen. Und auch auf dem Arbeitsmarkt finden sich nicht genügend Nachwuchskräfte oder erfahrene Bewerber, die das gewünschte Kompetenzprofil vorweisen können.

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Weiterbildung findet zunehmend während des Arbeitsprozesses statt
Trotzdem müssen sich Entwicklungskonzepte auch daran orientieren, welche langfristigen Ziele die Unternehmen verfolgen. Wohin sich die Firmenkultur entwickeln soll und welche Leistungen ein Unternehmen zukünftig anbieten will, ist nach wie vor relevant dafür, welche Kompetenzen die Mitarbeiter in der Zukunft benötigen. Solche strategischen Aspekte in Lerninhalte und -formate zu übersetzen bleibt eine wichtige Aufgabe der Personalexperten. Zusätzlich braucht es jedoch mehr Angebote, um aktuelle Probleme zu lösen, die sich zum Beispiel durch die Einführung neuer Technologien und veränderter Abläufe ergeben. In agilen Zeiten können sich die Unternehmen nur am Markt behaupten, wenn sie ihre Arbeitsabläufe in kurzen Zeitschleifen immer wieder hinterfragen und zusätzlich notwendiges Know-how möglichst schnell generieren. Informelle Lernformate, die das Lernen direkt in den Berufsalltag integrieren, gewinnen deshalb an Bedeutung. Hier lernen die Mitarbeiter arbeitsbegleitend und in kurzen Zeitabschnitten, indem sie mit ihren Kollegen Erfahrungen austauschen, aktuelle Lösungsstrategien reflektieren und sich gegenseitig in neuen Fertigkeiten schulen.
Personalexperten schaffen den Rahmen für selbstorganisiertes Lernen
Welche Weiterbildungsmethoden wann am besten geeignet sind, hängt von den Inhalten und von den Voraussetzungen der Teilnehmer ab. Digitale Medien und Online-Tools machen es möglich, dass Lernprozesse von den Mitarbeitern selbst organisiert werden und zeit- und ortsunabhängig stattfinden können. Beschäftigte mit wenig digitaler Lernerfahrung sollten Schritt für Schritt an solche Technologien herangeführt werden. Aber auch die Präsenzformate haben nach wie vor Relevanz. Langfristig angelegte Personalentwicklungsprogramme wird es allerdings immer weniger geben. Die Personalabteilungen übernehmen stattdessen die Rolle als sogenannte „Enabler“, die die Mitarbeiter dazu befähigen, ihre Kompetenzen selbstständig zu entwickeln. Dazu stellen sie die passenden Lernformate und Tools zur Verfügung und schaffen den notwendigen Rahmen. Es braucht beispielsweise eine geeignete Lernkultur und flexible Arbeitsstrukturen, um den Einsatz digitaler Lernmedien und informeller Formate überhaupt erst möglich zu machen.
Kommunikation ist das Lieblingswort von Bernd Umbach, sagen seine Mitarbeiter. Der Geschäftsführer des Internationalen Bundes (IB Süd) ist davon überzeugt: Wer will, dass sich seine Belegschaft einbringt, muss dafür sorgen, dass sie über den Betrieb Bescheid weiß. Und zwar über die Arbeit der Geschäftsführung genauso wie über die Projekte der Kollegen.

Internationaler Bund (IB) Süd
Seit mehr als 27 Jahren ist er bei seinem Arbeitgeber – zwischenzeitlich kennt Bernd Umbach den Betrieb in- und auswendig. Doch das war nicht immer so. In seinen ersten Jahren arbeitet er zwar mit sehr viel Herzblut für seine eigenen Projekte, darüber hinaus hat er aber wenig Einblick, was bei seinem Arbeitgeber passiert. Ähnlich geht es zu dieser Zeit den meisten seiner Kollegen. Dabei gibt es schon damals vieles, auf das die Belegschaft stolz sein könnte: Denn seit 1949 leistet der IB einen maßgeblichen Beitrag dafür, benachteiligte Menschen in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu integrieren. Zum vielfältigen Portfolio gehören Arbeitsmarktdienstleistungen, Schulen und zahlreiche Angebote der Sozialen Arbeit. Zwischenzeitlich beschäftigt das Unternehmen deutschlandweit rund 14.000 Menschen und ist damit einer der großen Dienstleister für Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit im Land.
2009 wird Bernd Umbach Geschäftsführer des IB-Süd: Heute ist er für rund 1.600 IB-Mitarbeiter in Württemberg und Bayern verantwortlich. Im Zuge einer grundlegenden Umorganisation werden die über 100 Standorte seines Verantwortungsbereichs in sieben Regionen mit jeweils einem zentralen Ansprechpartner zusammengeführt. Die Führungskräfte vor Ort sollen so mehr Verantwortung und Freiraum erhalten, die Mitarbeiter besser in Veränderungsprozesse eingebunden werden.
Der neue Geschäftsführer will das Unternehmen aber noch weiterentwickeln. Wo wer ansetzen muss, offenbaren die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung: Demnach sind zwar rund 75 Prozent der Beschäftigten mit ihrem direkten Arbeitsumfeld sehr zufrieden. Gleichzeitig würden aber nur 55 Prozent ihren Arbeitgeber weiterempfehlen. Das bestätigt, was Bernd Umbach längst ahnt: Der IB hat ein Imageproblem. Und zwar nicht nur extern, sondern auch bei seinen eigenen Mitarbeitern. Die Analyse ergibt: Viele wichtige Informationen aus dem Führungskreis kommen offensichtlich nicht in der Belegschaft an. Denn die meisten Beschäftigten wissen zum Beispiel nach wie vor kaum etwas über neue Programme und die Zukunftspläne des Unternehmens.
Der Führungskreis ist sich einig: Der IB braucht eine neue Kommunikationskultur. Es soll selbstverständlich werden, sich über alle Ebenen und Fachbereiche hinweg mit relevanten Informationen zu versorgen und wichtige Themen gemeinsam voranzubringen. Klar ist auch: So etwas lässt sich nicht einfach verordnen. Deshalb geht die Geschäftsführung in Vorleistung und wendet sich von nun an regelmäßig an ihre Belegschaft. Bernd Umbach und sein Kollege Axel Dornis nutzen die Betriebsversammlungen, das Editorial der Mitarbeiterzeitung oder auch Workshops, bei denen sie präsent sind. In besonderen Fällen sprechen sie ihre Mitarbeiter auch direkt über den Mailverteiler an. Anlässe gibt es genug: Beispielsweise organisatorische Veränderungen, neue Projekte oder Programme, aber auch wichtige gesellschaftliche Fragen, zu denen die Geschäftsführer Stellung beziehen.
Bernd Umbach, IB Süd
„Früher dachte ich, unsere Kommunikation lässt sich mit einigen Workshops verbessern. Heute weiß ich: Neue Spielregeln zu entwickeln, ist ein Dauerlauf. Es geht nur nach dem Motto: sich verständigen, ausprobieren, diskutieren, anpassen. Aber der Nutzen ist groß: Mitarbeiter, die mitreden und Entscheidungen nachvollziehen können, werden nicht nur zufriedener und haben weniger Konflikte. Sie identifizieren sich mit ihrem Arbeitgeber und senden so auch die richtigen Botschaften, wenn es darum geht, neue Kollegen zu rekrutieren.“
Gleichzeitig werden bereichsübergreifende Plattformen geschaffen, auf denen die Beschäftigten aus allen Ebenen und Fachbereichen miteinander diskutieren und gemeinsam an Verbesserungen arbeiten. Ein Beispiel dafür ist der Tag des Personals, an dem sich rund 80 Mitarbeiter darüber verständigen, wie der IB neue Fachkräfte einstellt. Dazu gehören die Experten aus dem Personalbereich genauso wie Mitglieder des Betriebsrats und die Regional und Bereichsleiter vor Ort, die das Personal letztendlich verpflichten. Ein ähnliches Format ist für Verwaltungsthemen geplant.
Das neue Marketingkonzept wird an einem sogenannten Inseltag erarbeitet. Daran beteiligen sich die Experten aus dem Kommunikationsbereich und Mitarbeiter aus allen hierarchischen Ebenen. Eine Marketingexpertin sitzt heute zudem in einem Raum mit der Personalabteilung und gestaltet das Mitarbeiterhandbuch im ständigen Austausch mit den Kollegen. Die insgesamt mehr als 100 Führungskräfte des IB treffen sich zweimal im Jahr zu einer Strategiekonferenz. Im Frühjahr geht es um die Analyse und Weiterentwicklung. Im Herbst stehen Schulungen zu Kommunikationsthemen auf der Tagesordnung.