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Astrid Zottl, Foto: Astrid Zottl
Als weltweit einziges Unternehmen bietet Hirschmann™ derzeit ein komplettes Produktprogramm für die gewerbliche Datenkommunikation an. Seit 2007 gehört der Neckartenzlinger Technologie- und Weltmarktführer für industrielle Netzwerke mit seinen aktuell rund 700 Mitarbeitern zur amerikanischen Belden-Gruppe. Die Personalreferentin Astrid Zottl betreut das Arbeitgebermarketing für die deutschen Gesellschaften des Konzerns Belden. Wir sprachen mit ihr über die besonderen Persönlichkeitsstrukturen von Ingenieuren und warum es auch als Technologieführer kein Selbstläufer ist, gute Nachwuchskräfte für sich zu gewinnen.
WRS: Frau Zottl, Hirschmann gehört im Industrial Ethernet zu den innovativsten Firmen der Welt. Ist das Unternehmen damit nicht automatisch als Arbeitgeber für junge Ingenieure interessant?
Astrid Zottl: Zweifelsohne haben wir technologisch sehr spannende und faszinierende Projekte zu bieten. Trotzdem stehen die Nachwuchskräfte nicht Schlange, um bei uns zu arbeiten. Eine Rolle spielt es, dass wir im Gegensatz zu früher keine Produkte mehr an Endkunden verkaufen. In der Fachwelt kennt man Hirschmann, aber gerade bei den jungen Ingenieurabsolventen müssen wir uns in den letzten Jahren deutlich mehr darum bemühen, als interessanter Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Das liegt auch daran, dass die Belden-Gruppe, die Hirschmann 2007 übernommen hat, in Deutschland kein Begriff ist.
Welche Wege gehen Sie, um potenzielle Bewerber von Ihren Qualitäten als Arbeitgeber zu überzeugen?
Wir konzentrieren uns in erster Linie auf das Hochschulmarketing. Dazu haben wir eine langfristige Strategie entwickelt und zunächst analysiert, in welchen Bereichen wir zukünftig Fachkräfte benötigen werden. Hirschmann beschäftigt vor allem Ingenieure und andere Spezialisten aus den Bereichen Elektrotechnik, Technische Informatik und Kunststofftechnik. Auch Wirtschaftsingenieure sind für uns interessant. Dementsprechend haben wir definiert, um welche Studiengänge und Hochschulen in Baden-Württemberg wir uns kümmern. Auch die Qualität der Lehre spielt dabei natürlich eine Rolle.
Kooperieren Sie bewusst nur mit Bildungseinrichtungen aus der näheren Umgebung?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Ingenieure sehr bodenständig und relativ wenig mobil sind. Deshalb konzentrieren wir uns vor allem, aber nicht ausschließlich, auf die Hochschulen in der Region. Die Absolventen haben oft mehrere Angebote zur Auswahl und deshalb auch keinen Anlass, weit entfernt von ihren Familien oder dem Freundeskreis nach einer Stelle zu suchen. Um die besten Talente gibt es schon während des Studiums einen enormen Wettbewerb, weil zwischenzeitlich immer mehr Firmen ein sehr professionelles Personalmarketing betreiben. Bereits vom ersten Semester an versuchen wir deswegen, vor Ort präsent zu sein und unseren Bekanntheitsgrad bei den jungen Leuten Schritt für Schritt aufzubauen. Im Rahmen eines Sponsorings haben wir dazu beispielsweise in der Hochschule Esslingen ein komplett neues Netzwerklabor mit Hirschmann-Produkten eingerichtet.
Welche weiteren Marketinginstrumente stehen für Sie im Fokus?
In einem Jahresplan legen wir jeweils im Voraus den gesamten Marketingmix fest, den wir einsetzen wollen. Besonders wirkungsvoll sind Aktivitäten, bei denen wir mit den Studierenden und ihren Professoren persönlich ins Gespräch kommen. Neben der Betreuung von Praktika, Studien- und Abschlussarbeiten gehören zahlreiche interne und externe Veranstaltungen für die potenziellen Nachwuchskräfte dazu. Wir laden beispielsweise die Studierenden zu interaktiven Exkursionen zu uns ein und besuchen natürlich auch die relevanten Firmenkontaktmessen. Immer wieder organisieren wir auch Gastvorlesungen unserer Entwicklungsingenieure an den Hochschulen.
Wie hoch ist der Aufwand, um das Image als Arbeitgeber positiv zu beeinflussen?
Ich investiere rund 40 Prozent meiner Vollzeitstelle für unser Arbeitgebermarketing. Wer systematisches Hochschulmarketing betreiben will, muss vor allem am Anfang viel Zeit einplanen. Es gilt ja zunächst die Kontakte zu den Fakultäten aufzubauen und auch intern einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten, damit sich zum Beispiel die Fachabteilungen beteiligen. Außerdem müssen Werbemittel wie Messestand, Infobroschüren oder Give-aways entwickelt werden.
Gibt es Maßnahmen, die Sie besonders weiterempfehlen?
Sehr effektiv sind die Betriebsbesichtigungen, denn dabei haben wir ein ganzes Semester für mindestens einen halben Tag bei uns zu Besuch. Während dieser Zeit besichtigen die jungen Leute beispielsweise das Testlabor und die Produktion. Anschließend stellt einer unserer Nachwuchsingenieure seinen Arbeitsplatz und damit verbundene Projekte und Produkte vor. Idealerweise bekommen die Studierenden dann noch eine fachliche Aufgabenstellung aus unserer Praxis zu lösen, um den Einblick in die Hirschmann-Welt abzurunden.

Rudolf Kast
Rudolf Kast war mehr als 15 Jahre lang Mitglied der Geschäftsführung und Leiter des Bereichs Human Resources des Waldkirchner Sensorenherstellers Sick. Unter seiner Personalführung wurde das Unternehmen zu einem der Top 100 Arbeitgeber in Deutschland und mit mehreren Sonderpreisen prämiert. Heute gibt er seine Erfahrung als Unternehmensberater weiter und engagiert sich darüber hinaus auch als Vorstand des Demographienetzwerks für eine generationengerechte Personalarbeit. Wir sprachen mit ihm darüber, welchen Nutzen Betriebe durch eine konsequente Lebensphasenorientierung zu erwarten haben.
WRS: Herr Kast, bei einer lebensphasenorientierten Personalpolitik geht es um die flexible Gestaltung von Arbeitszeiten, eine individuelle Personalentwicklung oder Maßnahmen der Gesundheitsförderung. Ist sie also nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen?
Rudolf Kast: Das Konzept baut auf den klassischen personalpolitischen Instrumenten auf, das ist richtig. Eine konsequente Orientierung an Lebensphasen bedeutet allerdings, sämtliche Maßnahmen daraufhin zu überprüfen, inwieweit diese zu den vielen verschiedenen Lebenslagen der Beschäftigten passen und bei Bedarf zusätzliche Angebote zu schaffen. Ziel ist es, für alle Mitarbeitergenerationen geeignete Lösungen anbieten zu können. Dies erfordert ein hohes Maß an Flexibilisierung und verändert das Wertegerüst und die Kultur eines Unternehmens oft maßgeblich.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Instrumente einer lebensphasenorientierten Personalpolitik?
Die Grundlage ist immer eine flexible Arbeitszeitregelung, die es ermöglicht, den vielfältigen Wünschen gerecht zu werden. Arbeitszeitkonten sind hier ein hervorragendes Mittel. Die Flexibilität muss jedoch zum Unternehmen und seinen Kunden passen. Deshalb sind klare Regelungen wichtig: Wann kann flexibel gearbeitet werden, wann eben auch nicht? Man sollte sich hinsichtlich der Flexibilität nicht überfordern.
Wie könnten denn erste Schritte konkret aussehen, gerade auch bei kleineren Unternehmen, die nur begrenzte Ressourcen im Personalbereich haben?
Die Verantwortlichen sollten sich zunächst einen Überblick verschaffen: Was sind typische Themen bei uns, wo gibt es den Wunsch nach flexiblen Regelungen? Was haben wir bereits im Angebot, wo gibt es Bedürfnisse, denen wir nicht gerecht werden? Generell hat es sich bewährt, einen Pilotbereich auszuwählen, um auszutesten, wie sich die flexiblen Bedingungen in der Praxis bewähren.
Die Lebensphasenorientierung ist somit vor allem als Mittel geeignet, um Mitarbeiter zu binden?
Die Zufriedenheit der aktuellen Beschäftigten ist ein wichtiger Aspekt. Da die Arbeitnehmer künftig einige Jahre länger arbeiten müssen als bisher, können altersgerechte Rahmenbedingungen dazu beitragen, dass diese über ihre gesamte Lebensarbeitszeit hinweg motiviert und leistungsfähig bleiben. Es lohnt sich aber auch, über eine angebotsorientierte Vorgehensweise nachzudenken. In diesem Fall stehen nicht nur die aktuellen Bedürfnisse der Belegschaft im Fokus, sondern die Frage, wie man mit einer vorausschauenden Personalpolitik als Arbeitgeber grundsätzlich attraktiver werden kann. Vor allem junge Bewerber fragen heute aktiv danach, welche Rahmenbedingungen ein Unternehmen zu bieten hat, um Berufs- und Privatleben zu vereinbaren.
Flexible Rahmenbedingungen führen zu individuellen Vereinbarungen und damit zwangsläufig auch zu einem höheren Abstimmungsbedarf. Ist deshalb nicht mit deutlichen Vorbehalten bei den Führungskräften zu rechnen?
Selbstverständlich gibt es Befürchtungen hinsichtlich des Aufwands und damit verbunden auch die berechtigte Frage nach dem Nutzen des Ansatzes. Gerade deshalb ist es besonders wichtig, die Führungsebene und auch den Betriebsrat von Anfang an in die Entwicklung des Konzepts miteinzubeziehen. Viele Führungskräfte wissen aber auch, was es an Aufwand bedeutet, wenn Mitarbeiter aufgrund eines Erschöpfungssyndroms oder wegen Überforderung längere Zeit ausfallen. Sie sind deshalb grundsätzlich offen für Maßnahmen, die diesem Risiko entgegenwirken.
Erfolgsentscheidend ist, den Nutzen einer Lebensphasenorientierung an alle Interessengruppen aktiv und klar zu kommunizieren. Hier sind die Personalverantwortlichen oft viel zu zurückhaltend.
Können Sie die Vorteile konkretisieren und Anhaltspunkte dafür geben, wie sich diese am besten im Betrieb vermitteln lassen?
Zu einer guten Informationspolitik gehören beispielsweise Veranstaltungen, Handouts, die Beantwortung wichtiger Fragen (FAQs) im Intranet und generell die konsequente Einbeziehung der Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens. Den Verantwortlichen sollte es leicht fallen, positive Botschaften zu formulieren, denn der Nutzen des Konzepts ist vielfältig und in den meisten Aspekten auch sehr gut messbar:
Das Unternehmen verschafft sich beispielsweise spürbare Vorteile bei der Rekrutierung, was sich konkret an den Bewerberzahlen ablesen lässt. Nachweislich werden zudem Bindung und Loyalität der Mitarbeiter verbessert. Eine niedrige Fluktuationsrate spricht hier eine klare Sprache und beeinflusst gleichzeitig die Wiederbeschaffungskosten. Der finanzielle Aufwand sinkt auch, wenn Beschäftigte nach der Elternzeit schneller wieder ins Unternehmen einsteigen, weil sie die passenden Rahmenbedingungen dafür haben. In vielen Fällen lassen sich zusätzliche Maßnahmen deshalb kostenneutral realisieren. Können sich die Mitarbeiter durch flexible Arbeits- und Auszeiten gut regenerieren, steigt erwiesenermaßen auch die Produktivität. Positive Auswirkungen lassen sich darüber hinaus an verringerten Krankheitstagen ablesen.

Fotos: ITronic GmbH
Einer der ersten Hinweise auf den Standort der ITgroup ist ein großes, blau umrandetes Schild vor dem Firmengebäude in Erdmannhausen, das offene Stellen auflistet. „Die Suche nach passendem Personal beschäftigt uns vom Tag der Unternehmensgründung an“, betont Xenia Troniarsky, die gemeinsam mit ihrem Mann und dem technischen Leiter die Geschicke des Unternehmens lenkt. Als entwicklungsorientierter Spezialist für Mess-, Prüf- und Automatisierungstechnik ist der Familienbetrieb auf gut qualifizierte Facharbeiter und Ingenieure dringend angewiesen. Gleichzeitig ist durch die Nähe großer Konzerne und vieler Technologieführer die Konkurrenz um die begehrten Arbeitskräfte sehr groß. Das Firmenschild ist daher auch nur eines von vielfältigen Instrumenten, mit denen sich das Erdmannhäuser Unternehmen um neue Mitarbeiter bemüht.
»Die Zukunft der ITgroup hängt maßgeblich von einem erfolgreichen Personalmarketing ab.«
„Wir haben uns schon vor vielen Jahren die Frage gestellt, was wir tun können, um unsere Vorzüge als Arbeitgeber bekannt zu machen“, erläutert die kaufmännische Leiterin. Die ersten Aktivitäten mit diesem Ziel organisierte sie noch aus einer Drei- Zimmer-Wohnung, wo die Erfolgsgeschichte von ITronic 1994 ihren Anfang nahm. Ihr Ehemann, der Ingenieur und Medizininformatiker Ingmar Troniarsky, hatte gerades eine Diplomarbeit abgeschlossen und aus einer freiberuflichen Tätigkeit heraus sein eigenes Unternehmen gegründet. Heute beschäftigt die ITgroup 44 Mitarbeiter und hat 2004 ihren ersten Auslandsstandort in Ungarn eröffnet. Zwischenzeitlich entwickelt und baut das Unternehmen Prüftechnik für Kunden nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Zu den Auftraggebern gehören vieler große Automotive-Unternehmen wie Bosch, Porsche, Valeo oder Continental Die Technik des Prüftechnik-Spezialisten sorgt zudem auch dafür, dass die Paketscanner bei DHL ordnungsgemäß funktionieren oder die Oral-B-Zahnbürste richtig zusammengelötet wird.
»Jeder Beschäftigte soll sich wertgeschätzt und herzlich willkommen fühlen.«

Foto: ITronic GmbH
Xenia Troniarsky ist sich sicher, dass die Zukunft und das Wachstum des Unternehmens ganz maßgeblich von einem erfolgreichen Personalmarketing abhängen wird. In der Vergangenheit musste die IT-group bereits Aufträge ablehnen, weil das notwendige Personal dafür nicht gefunden werden konnte. Mit dem Geschäftsführungsteam diskutiert sie deshalb immer wieder neu, wie es gelingen kann, als Arbeitgeber interessant und attraktiv zu bleiben. „Unser besonderes Augenmerk liegt darauf, die aktuelle Belegschaft möglichst eng und langfristig an das Unternehmen zu binden“, erläutert sie die eingeschlagene Richtung. Die IT-group will jedem einzelnen Mitarbeiter das Gefühl vermitteln, herzlich willkommen zu sein und sich als wichtiges Mitglied der Unternehmensfamilie zu sehen.
Um die Zusammengehörigkeit zu fördern, wurde deshalb eine eigene Corporate Identity entwickelt. Seither gibt es Firmenkleidung mit dem Unternehmenslogo und die Arbeitsplätze werden einheitlich mit Schreibmappen und Werkzeugen in den Unternehmensfarben ausgestattet. Es finden ferner regelmäßige Ausflüge, Feste und andere Aktivitäten statt, die die Teambildung unterstützen und bei den Mitarbeitern hervorragend ankommen. „Wir geben uns bei der Planung sehr viel Mühe und halten die Aktivitäten ausdrücklich geheim, um unsere Belegschaft zu überraschen“, erzählt die Unternehmerin. Auch kleine Aufmerksamkeiten zu Geburtstagen, Weihnachten oder Ostern gehören zur Firmenkultur und tragen dazu bei, dass sich die Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen.
Das Familienunternehmen setzt zudem darauf, die eigenen Arbeitskräfte zu entwickeln. Zwei Facharbeiter, die sich berufsbegleitend zum Techniker weiterbilden wollen, werden beispielsweise mit sehr flexiblen Arbeits- und Urlaubszeitregelungen unterstützt. Um auch junge Menschen für das Unternehmen zu gewinnen, arbeitet die ITgroup eng mit den umliegenden Schulen und Hochschulen zusammen und bietet Praktika, Studien- oder Abschlussarbeiten an. Außerdem präsentiert sich der Spezialist für Mess- und Automatisierungstechnik beim IT-Mittelstandstag und ist Teilnehmer beim Career Walk für Studierende und Schüler auf der Messe Motek.
Nach ihrem Motto „Wer wagt, gewinnt“ ist Xenia Troniarsky ständig auf der Suche nach neuen Ideen, um die Personalgewinnung zu optimieren. Teilgenommen hat sie deshalb auch an der Aktion Nikolaus, bei der sich ansässige Unternehmen und Arbeitsmarktakteure Ende 2011 zusammengetan hatten, um spanische Ingenieure für eine Beschäftigung in der Region Stuttgart anzuwerben. Direkt daraus entstanden ist die Anstellung von zwei spanischen Mitarbeitern. Über die neuen Kontakte zur Zentralen Arbeits- und Fachvermittlung (ZAV) konnte die ITgroup später außerdem noch drei griechische und weitere spanische Ingenieure für sich gewinnen. Diese Erfahrungen bestätigen die kaufmännische Leiterin darin, weiterhin ungewohnte Wege zu gehen. Sie weiß allerdings auch, wie wichtig es ist, die einzelnen Schritte professionell umzusetzen. Deshalb hat sich die ITgroup bisher auch noch bewusst gegen Social Media entschieden, weil im Moment dazu einfach die Ressourcen fehlen.
In fast allen Unternehmen gibt es heutzutage Mitarbeiter, die in Teilzeit arbeiten. Noch immer verbinden viele mit diesen Beschäftigungsverhältnissen vor allem die Halbtagesjobs von Müttern, die nach der Elternzeit wieder ins Berufsleben zurückkehren. Tatsächlich gibt es in der gegenwärtigen Arbeitswelt jedoch eine Vielzahl von flexiblen Modellen, mit denen Männer wie Frauen ihre Arbeitszeit organisieren. An Bedeutung gewinnt dabei das Konzept der vollzeitnahen Beschäftigung, bei der die Beschäftigung auf höchstens 75 Prozent verkürzt wird, beispielsweise im Rahmen einer Vier-Tage-Woche oder von verkürzten Tagesarbeitszeiten. Diese Form der Arbeitszeitreduzierung ist beispielsweise für Führungskräfte und hochqualifizierte Fachkräfte interessant, die anspruchsvolle Aufgaben zu bewältigen haben und gleichzeitig mehr Zeit für private Angelegenheiten benötigen. Die Gründe, warum diese Beschäftigten in bestimmten Phasen ihres Lebens keine 100-Prozent-Stelle anstreben, sind vielfältig:
Für viele Mitarbeiter ist es bereits hilfreich, ihre Arbeitszeit nur um wenige Stunden zu reduzieren

W. Heiber Fotostudie/Fotolia.com
Nach wie vor ist die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie einer der wichtigsten Anlässe für Teilzeitarbeit. Im Vergleich zu früher sind heute oft beide Elternteile gut ausgebildet und wollen auch während der Familienphase ihre Karrieren weiterentwickeln. Zudem hegt eine wachsende Zahl der Väter den Wunsch, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Die Pflegebedürftigkeit von Angehörigen ist ebenfalls ein häufiger Grund, warum Beschäftigte keiner Vollzeitbeschäftigung mehr nachgehen können oder wollen. Auch Arbeitnehmer, die sich durch eine berufsbegleitende Weiterbildung wie zum Beispiel ein Master- oder Aufbaustudium weiterqualifizieren wollen, brauchen dafür zeitliche Freiräume. Trotz ihrer privaten Zusatzbelastungen wollen alle diese Mitarbeiter beruflich nicht auf der Stelle treten. Für sie ist, es oft schon hilfreich, wenn sie morgens etwas später kommen oder abends früher gehen können beziehungsweise an einem Tag in der Woche die Möglichkeit haben, sich ganz ihrer Weiterbildung oder der Familie zu widmen. Geeignet sind vollzeitnahe Arbeitszeitmodelle auch für ältere Mitarbeiter, die sich in den Jahren vor ihrem Ruhestand schrittweise aus dem Berufsleben zurückziehen wollen.
Lange Zeit war es die herrschende Meinung, dass eine Führungsrolle oder besonders anspruchsvolle Tätigkeiten überhaupt nicht mit verkürzten Arbeitszeiten zu vereinbaren seien. Viele Personalverantwortliche befürchteten, dass solche Herausforderungen in einem Teilzeitverhältnis nicht angemessen zu bewältigen wären. In der Zwischenzeit hat die Praxis jedoch bewiesen, dass auch die sogenannten High Potentials nicht ständig im Betrieb anwesend sein müssen, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Die Verantwortlichen in den Unternehmen haben vielmehr erkannt, dass sie gerade mit flexiblen Arbeitszeitmodellen die besonders begehrten Fachkräfte gewinnen und gute Mitarbeiter halten können und dabei außerdem sogar ihre Produktivität erhöhen.
Viele Frauen mit Teilzeitverträgen würden ihre Arbeitszeit gerne erhöhen
Vollzeitnahe Beschäftigungsmodelle spielen deshalb unter dem Blickwinkel der Fachkräftesicherung ebenfalls eine bedeutende Rolle. In diesem Zusammenhang sind sie auch ein wichtiges Handlungsfeld der Fachkräfteallianz Baden-Württemberg. Diese hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, das Arbeitsvolumen und die Beschäftigungszeiten der zahlreichen hochqualifizierten Frauen in Teilzeit zu erhöhen und dadurch deren Potenziale für die Unternehmen im Land besser auszuschöpfen. 2011 arbeitete fast jede zweite Frau (48,3 Prozent) in Baden-Württemberg in einem Teilzeitverhältnis. Deutschlandweit war die Quote nur wenig geringer (rund 45 Prozent). Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des damit verbundenen drohenden Fachkräftemangels gilt es, diese Reserve in der Zukunft für die Volkswirtschaft verfügbar zu machen. Vollzeitnahe Beschäftigungsmodelle sind somit nicht nur interessant, wenn es um Arbeitszeitverkürzung geht, sondern ein ebenso wirkungsvolles Mittel, um Teilzeitmitarbeiter mit den typischen 20-Stunden-Verträgen schrittweise an die Vollzeit heranzuführen.
In der Regel lässt sich im Rahmen der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen relativ schnell eine passende Lösung finden, wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit an eine veränderte Lebenssituation anpassen will – vorausgesetzt das betroffene Unternehmen ist grundsätzlich dazu bereit. Vor allem kleinere Betriebe gehen hierbei oft sehr pragmatisch vor und orientieren sich an den konkreten Erfordernissen des Einzelfalles. Sie versuchen die Ziele des Beschäftigten bestmöglich mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen und somit für beide Seiten eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Selbstverständlich sind dafür auch gewisse organisatorische Rahmenbedingungen – wie beispielsweise eine angepasste Besprechungskultur – und ein sehr gutes Selbstmanagement der betroffenen Mitarbeiter notwendig.
Lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle verbessern Motivation und Mitarbeiterbindung
Dass sich diese Anstrengungen für Firmen und Arbeitnehmer lohnen, lässt sich leicht belegen. Arbeitszeitmodelle, die sich bewusst an den Lebensphasen der Beschäftigten orientieren, geben diesen das Gefühl, als Menschen wahrgenommen zu werden und nicht nur eine betriebliche Ressource zu sein. Das steigert nachweislich die Loyalität und die Betriebstreue der Teilzeitkräfte. Die Möglichkeit, berufliche und private Interessen bestmöglich zu vereinbaren, verbessert außerdem die Motivation und auch die individuelle Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter. Arbeitnehmer in Teilzeitverhältnissen sind in der Regel überdurchschnittlich sensibel für „Zeitfresser“ und uneffektive Arbeitsabläufe. Darüber hinaus kann durch den Einsatz von vollzeitnahen Teilzeitmodellen die betriebliche Arbeitszeit relativ flexibel an unterschiedliche Auftragsvolumina angepasst werden. Somit wird es für die Betriebe erheblich erleichtert, auf konjunkturelle Schwankungen und Krisen optimal zu reagieren.
Die dmc diconium digital solutions gehört zu den größten Internet-Dienstleistern in Deutschland. Sie entwickelt komplexe E-Commerce-Lösungen für Kunden wie Intersport, die Deutsche Telekom oder Galeria Kaufhof. Rund 250 überwiegend hochqualifizierte Mitarbeiter sind aktuell an den Standorten Stuttgart und Berlin beschäftigt. „Fachkräfte mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund und profunden Kenntnissen in der IT-Entwicklung oder im Consulting sind rar“, betont der Geschäftsführer Andreas Schwend.
Um die positive Entwicklung der letzten Jahre fortzuschreiben, muss dmc immer wieder neue Talente für sich gewinnen. Über das Schwabenland hinaus ist das Unternehmen – trotz seiner führenden Stellung in der Branche – nicht automatisch für alle interessanten Bewerber ein Begriff. Die E-Commerce-Schmiede betreibt deshalb ein gezieltes Arbeitgebermarketing und arbeitet sehr systematisch daran, bekannter zu werden und sich als attraktiver Brötchengeber zu positionieren. Gemeinsam mit vier Kollegen bildet die Personalreferentin Alexandra Beisch das Human-Resources-Team bei dmc. Für das Employer Branding und die Rekrutierungsmaßnahmen nutzen die Personalexperten sehr gezielt auch die sozialen Medien – bereits seit 2007 engagiert sich das Unternehmen auf entsprechenden Online-Plattformen.
Xing war der Einstieg in das Social-Media-Engagement – die Internet-Kontaktplattform ist ideal geeignet zur Direktansprache von potenziellen Mitarbeitern. Zielgruppe sind vor allem Professionals ab 30 Jahren im deutschsprachigen Raum. Diverse Filtermöglichkeiten erleichtern es den Recruitern, nach interessanten Kandidaten zu recherchieren. Die Agentur hat auf der Online-Plattform auch ein kostenpflichtiges Unternehmensprofil platziert und schaltet mehrmals jährlich Stellenanzeigen. Rund 500 Euro investiert das Unternehmen für eine Anzeige, die dann zum Beispiel für drei Monate aktiv ist. Ganz ähnlich funktioniert auch LinkedIn, allerdings mit einem internationalen Fokus. Weltweit sucht dmc hier beispielsweise nach begehrten Web-Entwicklern und bekommt schon mal mehrere Hundert Bewerbungen auf eine Anzeige. Die Qualität der Rückmeldungen ist dabei sehr unterschiedlich, sodass das Personalteam relativ viel Aufwand betreiben muss, um geeignete Profile auszuwählen. Das Ergebnis allerdings lohnt den Einsatz: dmc hat bereits mehrere Mitarbeiter – unter anderem zwei hervorragende Web-Entwickler aus der Ukraine – über diesen Weg eingestellt.
»Bei Facebook darf auch der Humor nicht zu kurz kommen.«
Seit 2009 sind die Experten für Online-Shops auch auf Facebook aktiv. „Hier geht es vor allem darum, dmc als Arbeitgebermarke zu etablieren und potenzielle Mitarbeiter neugierig auf uns zu machen“, erläutert Alexandra Beisch das Engagement. Sie erlebt Facebook als ein sehr emotionales Medium, bei dem der Humor nicht zu kurz kommen sollte. Dazu posten sie und ihre Kollegen regelmäßig Bilder, Videos und Geschichten aus dem Arbeitsalltag bei dmc oder informative Interviews mit aktuellen Mitarbeitern und Praktikanten. Die vielfältigen Beiträge vermitteln sehr authentisch, warum die Kollegen besonders gerne bei dmc arbeiten und geben der Agentur ein lebendiges und sympathisches Gesicht.

dmc digital media center GmbH
„Wir sind locker, humorvoll und gleichzeitig hochprofessionell“ ist das Motto, das sich die Personalfachfrau als Leitlinie für die Auswahl der Inhalte formuliert hat. Die Suche nach neuen Web-Entwicklern unterstützt sie beispielsweise durch Porträts von zwei Mitarbeitern aus dem aktuellen Team mit dem Hinweis: „Diese beiden könnten schon bald Ihre Kollegen sein.“ Wie Arbeiten bei dmc funktioniert, zeigen auch die Videos „WUNDERVOLL“ und „WUNDERVOLL ZWEI“, die das Unternehmen auf YouTube veröffentlicht hat. Unter Arbeiten@dmc finden sich dort zudem weitere Kurzinterviews mit Mitarbeitern, die zum Beispiel beschreiben, was ein E-Commerce-Consultant oder ein Projektmanager bei dmc alles können sollte.
»Jedes Unternehmen sollte sein Image in den sozialen Medien genau beobachten.«
Um Bekanntheit und Image weiter zu verbessern, beteiligt sich die Stuttgarter E-Commerce-Schmiede darüber hinaus regelmäßig an Arbeitgeber-Wettbewerben wie der Initiative TOP JOB, von der sie 2013 für ihre professionelle Personalarbeit und eine hohe Mitarbeiterorientierung prämiert wurde. Auch auf der größten deutschen Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu ist dmc aktiv dabei. Das Recruitingteam hat dort ein Firmenprofil hochgeladen und Fragen zum Unternehmen beantwortet. So nimmt es aktiv Einfluss auf das Unternehmensbild, das über das Bewertungsportal vermittelt wird.
Alexandra Beisch weist in diesem Zusammenhang darauf hin, wie wichtig das sogenannte Monitoring ist. Jedes Unternehmen sollte genau beobachten, welches Meinungsbild in den sozialen Netzwerken über die eigene Firma transportiert wird. Bei Bedarf kann es dann direkt darauf reagieren. Grundsätzlich empfehlen Social-Media-Fachleute den Betrieben, selbst aktiv für zahlreiche positive Rückmeldungen zu sorgen. dmc motiviert deshalb alle Mitarbeiter, ihre ehrliche Meinung auch öffentlich auf den entsprechenden Bewertungsplattformen kundzutun. Und das mit Erfolg: Denn die Internetagentur hat zwischenzeitlich das Top Company Gütesiegel bei kununu erworben.

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Auf dem Weg zur agilen Organisation muss jedes Unternehmen seinen eigenen Routenplan entwickeln. Es gibt keine allgemein gültigen Regeln, die für alle Betriebe passen. Dennoch können Firmen aus den Erfahrungen lernen, die andere Unternehmen mit agilen Methoden gemacht haben. Wir haben die wichtigsten Aspekte für Sie zusammengefasst:
1. Agilität braucht Strukturen
In agilen Organisationen sind wenige, aber verbindliche Leitplanken erforderlich. Dazu gehören eindeutige Rollenbeschreibungen, ein klarer organisatorischer Rahmen und Kommunikationsstrukturen.
2. Notwendig ist eine individuelle Vorgehensweise
Methoden wie Scrum können nur als Orientierung dienen, wenn das agile Managementprinzip auf die gesamte Organisation übertragen werden soll. Es ist wichtig, die Rahmenbedingungen der Branche und die Besonderheiten des eigenen Betriebs im Blick zu behalten.
3. Transparenz und Beteiligung sind Schlüssel zum Erfolg
Führungskräfte und Mitarbeiter sollten von Anfang an in den Veränderungsprozess eingebunden werden. Individuell passende Strukturen können nur geschaffen werden, wenn sie die Erfahrungen und Kompetenzen der Menschen in den Betrieben berücksichtigen.
4. Agiles Arbeiten heißt Vertrauen
Agile Methoden funktionieren nur, wenn die Unternehmenskultur darauf abgestimmt wird. Die Beteiligten müssen lernen, Verantwortung abzugeben und durch gegenseitiges Vertrauen zu ersetzen.
5. Die Teams müssen im Wandel unterstützt werden
Selbstorganisation ist kein Selbstläufer, sie muss vielmehr gelernt werden. Dazu benötigen die Menschen Schulungsangebote und die Möglichkeit, die neuen Rollen und Methoden einzuüben.
6. Es braucht Geduld und die Bereitschaft, Unsicherheit auszuhalten
Agile Methoden geben die Richtung vor, die Ergebnisse lassen sich jedoch nicht präzise voraussagen. Wer solche Strukturen einführt, sollte einplanen, dass es Zeit braucht, bis die Veränderungen Wirkung zeigen.
7. Die Einführung agiler Strukturen ist niemals abgeschlossen
Agilität bedeutet, sich flexibel an neue Rahmenbedingungen anzupassen, Ergebnisse immer wieder zu hinterfragen und sich fortlaufend zu verbessern. Einmal angestoßen, ist dieser Prozess deshalb niemals abgeschlossen.

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Wie gelingt es, in hochdynamischen Märkten wettbewerbsfähig zu bleiben und dem ständigen Veränderungsdruck erfolgreich zu begegnen? In der Softwareentwicklung wurde diese Frage mit der Einführung agiler Methoden beantwortet. Projekte können dadurch in selbstorganisierten Teams gesteuert werden. Branchenübergreifend denken deshalb immer mehr Firmen darüber nach, sich agil zu organisieren. Mit weitreichenden Folgen – auch für das Personalmanagement.
Agil zu sein heißt zunächst nichts anderes, als sich schnell und flexibel an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. In einer digitalisierten Wirtschaft, in der die Kundenwünsche immer individueller und die Prozesse immer vernetzter werden, ist diese Fähigkeit existenziell. Die meisten Projekte lassen sich heutzutage nicht mehr detailliert vorausplanen. Entwicklung und Leistungserstellung erfolgen vielmehr Schritt für Schritt, in engem Austausch mit den Kunden. Regelmäßige Feedbackschleifen führen zu zahlreichen Anpassungsschritten bis letztendlich ein wettbewerbsfähiges Resultat herauskommt. Dazu braucht es gerade in kleineren Firmen das Wissen und die Erfahrung jedes einzelnen Mitarbeiters.
Demgegenüber stehen jedoch die traditionellen Hierarchien der Betriebe, in denen Entscheidungen über mehrere Stufen abgestimmt werden. Schnell und flexibel zu reagieren ist so kaum möglich. Als Fitnessprogramm für mehr Innovations- und damit Wettbewerbsfähigkeit empfehlen deshalb immer mehr Experten die Einführung agiler Strukturen. Diese schaffen den Rahmen für selbstorganisierte Teams, in denen Projekte kurzfristig gesteuert werden können. Sie haben allerdings auch gravierenden Einfluss auf die Firmenkultur und krempeln die Art und Weise, wie kommuniziert, geführt und gearbeitet wird, grundlegend um.
Scrum verteilt die Führungsverantwortung auf mehreren Schultern
Scrum, die bekannteste agile Methode, ist eine Form, Projektarbeit zu organisieren. Dabei werden die Führungsaufgaben zwischen mehreren Personen aufgeteilt. Ein sogenannter Product Owner übernimmt die fachliche Verantwortung. Er formuliert gemeinsam mit dem Kunden die Anforderungen an ein Produkt, passt diese bei Bedarf an und kommuniziert das Ergebnis regelmäßig ins Team hinein. Dieses wiederum ist selbstverantwortlich für die Umsetzung zuständig. Die Mitglieder orientieren sich an Wochenzielen und unterstützen sich bei Bedarf gegenseitig. Zur Seite steht ihnen ein Scrum Master, der für einen reibungslosen Prozess sorgt und die Kompetenzen des Teams kunden- und marktgerecht entwickelt. Die disziplinarische Führungskraft ist von der fachlichen Verantwortung entlastet und kann sich gezielt um die langfristige Strategie und die individuelle Förderung der Mitarbeiter kümmern. Was zunächst kompliziert klingt, macht es möglich, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo auch das notwendige Wissen ist. In weiterführenden Ansätzen werden die Gruppen- oder Abteilungsleiter ganz abgeschafft und ihre Aufgaben von den agilen Führungskräften, dem Team und der Personalabteilung gemeinsam erledigt.
Klassische HR-Tools stoßen an ihre Grenzen
Für den erfolgreichen Wandel gilt es, sorgfältig abzuwägen, was zur Kultur, dem Marktumfeld und den Menschen im jeweiligen Betrieb passt. Methoden wie Scrum können immer nur als Orientierung dienen. Im Veränderungsprozess übernehmen die Personalverantwortlichen die zentrale Aufgabe, einen passenden Rahmen zu schaffen, damit agiles Arbeiten überhaupt möglich wird. Dazu gehört beispielsweise die Beschreibung und Abgrenzung der neuen agilen Rollen. Welche Personen passen zu uns und wie werden wir unsere Mitarbeiter künftig beurteilen, entlohnen und entwickeln? Auch solche Fragen müssen ganz neu beantwortet werden.
Mitarbeiterjahresgespräche und langfristige Zielvereinbarungen machen im agilen Umfeld zum Beispiel keinen Sinn mehr. Zielformulierung, Leistungsbewertung und häufige Rückmeldungen finden hier regelmäßig im Team statt. Bei fehlenden Hierarchien müssen außerdem auch die Karrieremodelle neu gedacht werden. Die Teammitglieder brauchen die Perspektive, sich fortlaufend fachlich weiterentwickeln zu können.
Als Orientierung für alle Beteiligten hilft es sehr, eine Vision und gemeinsame agile Werte zu formulieren. Denn: Agilität braucht klare Strukturen und Regeln. Ergänzend dazu sollte das Personalwesen Angebote entwickeln, die Führungskräfte und Mitarbeiter ganz gezielt zum agilen Arbeiten befähigen und motivieren. Spezielle Schulungen können beispielsweise dazu beitragen, eine agile Kommunikations- und Führungskultur zu schaffen, die durch Offenheit, Feedback und gegenseitige Wertschätzung geprägt ist.
Agilität bedeutet automatisch, sämtliche Führungs- und Personalinstrumente immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Dies erfordert auch zwangsläufig ein neues, agiles Rollenverständnis der Personalverantwortlichen. In agilen Organisationen reicht eine reine Dienstleistungsmentalität nicht mehr aus. Als Impulsgeber, Berater und Motivatoren werden die Personalmanager vielmehr zu strategischen Partnern von Geschäftsführern und Führungskräften.

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Es gibt eine Vielzahl von Betrieben, die von sehr guten Erfahrungen berichten können, wenn sie Mitarbeiter mit und ohne Behinderungen gemeinsam beschäftigen. Diese Arbeitgeber loben den positiven Einfluss, der dadurch für das gesamte Betriebsklima entsteht und ganz besonders die hohe Zuverlässigkeit und Motivation, die ihre Beschäftigten mit Behinderung jeden Tag im Team vorleben. Die meisten Unternehmen weisen zudem darauf hin, dass es nicht vorrangig die Fördergelder sind, die sie zu ihrer Personalpolitik bewegen.
»Arbeitgeber loben die hohe Zuverlässigkeit und Motivation der Beschäftigten mit Behinderung.«
Sie alle stehen im Wettbewerb, der höchste Ansprüche an die Qualität ihrer Produkte stellt. Menschen mit einem Handicap zu beschäftigen, rechnet sich für diese Firmen. Wenn diese Mitarbeiter am richtigen Platz eingesetzt werden, erzielen sie hervorragende Arbeitsergebnisse. Schwerbehinderte Arbeitskräfte zu beschäftigen, ist deshalb beispielsweise oft sehr viel profitabler, als einfache Tätigkeiten ins Ausland zu verlagern.
Als behindert im Sinne des Gesetzes gilt ein Mensch, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert ist und er dadurch zum Beispiel Hilfen für die Teilhabe am Arbeitsleben benötigt. Wenn vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung von 50 oder mehr festgestellt wird, spricht der Gesetzgeber von einer Schwerbehinderung. Ist die Aufnahme oder der Erhalt des Arbeitsplatzes behinderungsbedingt gefährdet, kann die Agentur für Arbeit bereits Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30, aber weniger als 50, schwerbehinderten Arbeitskräften gleichstellen.
Der klassische Acht-Stunden-Job ist heutzutage nur noch selten anzutreffen. In der modernen Arbeitswelt existiert eine Vielzahl von flexiblen Arbeitszeitmodellen, mit denen Unternehmen die Beschäftigung ihrer Mitarbeiter organisieren. An Bedeutung gewinnt das Konzept der vollzeitnahen Teilzeit, bei der die Arbeitszeit auf höchstens 75 Prozent verkürzt wird, beispielsweise im Rahmen einer Vier-Tage-Woche oder von verkürzten Tagesarbeitszeiten.
»Unter dem Blickwinkel der Fachkräftesicherung sind Modelle zur vollzeitnahen Teilzeit ein wichtiges Instrument.«
Dies ist insbesondere für Führungskräfte und hoch qualifizierte Fachkräfte interessant, die verantwortungsvolle Aufgaben zu bewältigen haben und gleichzeitig mehr Zeit für private Angelegenheiten benötigen. Die Gründe, warum auch immer mehr Beschäftigte mit Personal- oder Projektverantwortung ihre Arbeitszeit reduzieren wollen, sind vielfältig: Neben der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen sind gesundheitliche Aspekte, die Entscheidung für eine berufsbegleitende Weiterbildung oder der Wunsch nach mehr Selbstverwirklichung dafür maßgeblich.
Vollzeitnahe Teilzeit kann Arbeitszeitreserven von Teilzeitbeschäftigten erschließen

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Auch unter dem Blickwinkel der Fachkräftesicherung sind Modelle zur vollzeitnahen Teilzeit ein wichtiges Instrument. Sie dienen dazu, Arbeitszeitreserven von Mitarbeitern auszuschöpfen, die bisher deutlich weniger als 75 Prozent arbeiten. Im Fokus stehen hier vor allem die Potenziale von zahlreichen gut qualifizierten Frauen, die einen Teilzeitvertrag haben. 2013 war fast jede zweite Frau (45 Prozent) in Baden-Württemberg in einem Teilzeitverhältnis beschäftigt. In der Region Stuttgart war die Quote nur wenig geringer. Viele dieser weiblichen Fachkräfte würden gerne deutlich mehr arbeiten, wenn es entsprechende Teilzeitangebote mit höherem Stundenvolumen und passenden Rahmenbedingungen gäbe. Ihre Arbeitszeitreserven verfügbar zu machen, wird zukünftig vor allem für Branchen mit einem drohenden Fachkräftemangel an Bedeutung gewinnen.
Online-Befragung zu Teilzeitangeboten regionaler Arbeitgeber
Inwieweit das Konzept der vollzeitnahen Teilzeit im Alltag der Unternehmen in der Region Stuttgart tatsächlich eine Rolle spielt, sollte unter anderem eine von der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) finanzierte Online-Befragung klären. Sie war vom „Forum für Chancengleichheit im Erwerbsleben“ angeregt worden, um ein grundsätzliches Stimmungsbild zur Teilzeitpraxis in der Region zu gewinnen. Mit der Durchführung der Erhebung wurde das an der Universität Bamberg angesiedelte Bamberger Centrum für Empirische Studien (BACES) beauftragt. Gestreut wurde die Befragung über die Verteiler und Newsletter der Forumsmitglieder und den Talente-Verteiler. Insgesamt haben sich 151 Arbeitgeber aus allen Branchen der Region beteiligt – mit rund 37 Prozent war der Dienstleistungssektor am stärksten vertreten. Vom Kleinbetrieb bis zum Weltkonzern haben Firmen aller Größenklassen an der Befragung teilgenommen, der Schwerpunkt lag bei Betrieben bis zu 250 Beschäftigten.
Flexible Teilzeitangebote sollen gute Mitarbeiter im Unternehmen halten
Die Wichtigkeit von Teilzeitangeboten wurde grundsätzlich von allen teilnehmenden Betrieben bestätigt. Für die Mehrheit sind flexible Arbeitszeitmodelle ein zentrales Instrument, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten. Rund 81 Prozent der Befragten erhoffen sich dadurch, ihre Beschäftigten enger ans Unternehmen zu binden. Bemerkenswert ist außerdem, dass knapp drei Viertel der Firmen damit auf konkrete Nachfragen ihrer Beschäftigten reagieren. Für die Mitarbeiter scheint es also tatsächlich eine große Bedeutung zu haben, bei Bedarf ihre Arbeitszeiten flexibel an veränderte Lebensbedingungen anpassen zu können. Zwei Drittel der befragten Betriebe gehen folgerichtig davon aus, dass flexible Teilzeitangebote auch ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern. Eine Mehrheit der Firmen sieht im Angebot von Teilzeit ferner einen Beitrag zur Deckung des Personalbedarfs, flexibleren Betriebszeiten und einer besseren Auslastung der betrieblichen Ressourcen. Insgesamt gesehen waren diese Motive jedoch weniger wichtig.
Zu wenige Jobangebote mit mehr als 30 Wochenstunden
Welche Teilzeitmodelle in den Betrieben vorherrschen und wer davon Gebrauch macht, wurde ebenfalls nachgefragt: Beschäftigungsverhältnisse unter 15 Wochenstunden sind in der Region sehr selten und fast ausschließlich Frauen vorbehalten. Modelle mit mehr als 30 Wochenstunden bieten ebenfalls nur wenige der befragten Unternehmen an – diese nutzen interessanterweise mehr Männer als Frauen. Der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Anforderungen scheint also auch für männliche Beschäftigte immer wichtiger zu werden. Die vollzeitnahe Teilzeit spielt bei den regionalen Arbeitgebern offensichtlich noch eine untergeordnete Rolle. Die Mehrheit der Teilzeitverträge liegt vielmehr zwischen 15 und 30 Stunden. Insgesamt betrachtet ist Teilzeit nach wie vor eine Domäne der Frauen. Bemerkenswert ist jedoch, dass bei knapp 40 Prozent der befragten Firmen die Stundenumfänge der Frauen in den letzten Jahren zugenommen haben. Dies bestätigt die These, dass bei den Frauen in Teilzeit Ressourcen brach liegen, die durch bedarfsgerechte Teilzeitangebote und familienfreundlichere Rahmenbedingungen erschlossen werden könnten.
Mittelständler punkten durch besonders individuelle Rahmenbedingungen
Trotz vielfältiger Motive bieten die regionalen Arbeitgeber reduzierte und familienfreundliche Arbeitszeiten in erster Linie an, um dadurch gute Mitarbeiter langfristig zu binden und die Personalgewinnung zu erleichtern. Durch besonders individuelle und flexible Rahmenbedingungen erhoffen sich die Mittelständler entscheidende Pluspunkte, um ihre besten Kräfte auch bei einer Veränderung der privaten Rahmenbedingungen im Betrieb zu halten. Die Möglichkeit, sich dadurch zusätzliche Arbeitszeitressourcen zu erschließen, wird von den Verantwortlichen zwar gesehen, spielt aber bei den Motiven für Teilzeitangebote eine eher nachrangige Rolle.