Arbeitswelten von morgen – Methoden und Technik als Wegbegleiter - Rückblick Q-Guide live
27.11.2025Transformation braucht starke Weiterbildung
Die Industrieregion Stuttgart steht vor bedeutenden Weichenstellungen – und eine starke Basis für die Qualifizierung und Weiterbildung von Fachkräften ist wegweisend für die Zukunftsfähigkeit der Region. Um solide Qualifizierungs- und Weiterbildungsstrukturen aufzubauen, braucht es neue Perspektiven und eine enge Vernetzung der Akteure jenseits von Silos. Genau hier setzt die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) n mit den Partnern des Weiterbildungsverbunds Region Stuttgart (WBV) und ihrer Plattform Q-Guide an.
Unter dem Motto: „Arbeitswelten von morgen – Methoden und Technik als Wegbegleiter für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden“ haben sich Vertreter*innen von Unternehmen, Gewerkschaften, HR sowie Führungskräfte und WBV-Partner bei Q-Guide live am 13. November in der Garage 229 in Stuttgart mit möglichen Lösungswegen auseinandergesetzt.
Von heute in die Zukunft: Wo stehen wir, wo geht es hin?
Dr. Sabine Stützle-Leinmüller, Leiterin des Geschäftsbereichs Fachkräfte und der Koordinierungsstelle des WBVs bei der WRS, setzte im gemeinsamen Auftakt mit dem Staatssekretär a.D. und Regionalbeauftragten für Qualifizierung und Weiterbildung, Peter Hofelich, wichtige Impulse. Sie lenkte den Blick darauf, dass die Region schon viel erreicht habe, jedoch für die Zukunftssicherung der Innovationsregion eine strategische Weiterbildung im Fokus stehen müsse. Vor allem die Kooperation zwischen Mensch und Maschine und die Einbindung von KI seien von höchster Relevanz. „KI kann uns kreativer, besser, menschlicher machen – vorausgesetzt, wir kennen ihre Möglichkeiten und Grenzen, übernehmen Verantwortung und ergreifen bestmögliche Chancen“, plädierte sie für die Entmystifizierung der Technologie.
Auch Peter Hofelich sprach sich für eine richtungsweisende Transformationsstrategie aus. Weiterbildungen werden laut ihm aufgrund der demografischen Situation eine entscheidende Rolle spielen. Genau wie KI schaffen sie Potenziale, gerade auch für Menschen über 50 oder bei Branchenwechseln. Demnach können eine stabile Qualifikationsbasis und gute technologische Rahmenbedingungen ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal sein, das der Region einen echten Vorsprung sichert.

Transformation der Arbeitswelt: Zukunft sichern – Fachkräfte, Qualifizierung, Innovation
Verschiedene Stakeholder tauschten beim Panel-Talk Perspektiven aus: Michael Kaiser (Geschäftsführer der WRS), Nora Lämmel (Gewerkschaftssekretärin der IG Metall Region Stuttgart), Thorsten Würth (Referatsleiter Arbeitsmarktpolitik und Weiterbildung bei Südwestmetall), Claudius Audick (Referatsleiter für Berufliche Fortbildung bei der IHK Stuttgart), Anna Friederike Steiff (Community Managerin Region Stuttgart bei der KI-Allianz Baden-Württemberg), Mustafa Kalay (Betriebsrat bei der Robert Bosch GmbH) und Dennis Röhrig (Geschäftsführer des Blechbearbeitungsunternehmens Röhrig GmbH) diskutierten mit Daniela König, Leiterin des Regionalbüros für berufliche Fortbildung Stuttgart/Böblingen und Moderatorin des Tages, über den Umgang mit diesen aktuellen Themen.

Zu Beginn beleuchtete Mustafa Kalay, wie Herausforderungen rund um das Verbrenner-Aus bei Bosch in Feuerbach zu langfristigen Veränderungen führten. Der Standort und seine Mitarbeitende waren stark im Bereich dieselbetriebener Antriebstechnologien verwurzelt, weshalb das Programm „Mission to Move“ damals ins Leben gerufen wurde und dabei half, die Belegschaft um- und weiterzuqualifizieren. Unter anderem wurden Fach- zu Elektrofachkräften umgeschult. Mit Erfolg: „Mission to Move“ soll in naher Zukunft bei Bosch auf rund 50.000 Beschäftigte ausgeweitet werden.
Auch der Blick auf ausländische Märkte beschäftigte die Panel-Teilnehmer*innen. Mustafa Kalay beobachtet unter anderem in China einen höheren Investitionsmut und ein schnelleres Tempo für neue Entwicklungen als in Deutschland. Das stellt einige Branchen hierzulande vor Herausforderungen.
Anna Friederike Steiff der KI-Allianz Baden-Württemberg beurteilte Deutschlands Position im internationalen Vergleich als gut und schlecht zugleich: Unsere Forschung bewege sich auf Exzellenzebene, doch stimmte sie Mustafa Kalay zu: In den USA und China kämen Fördermittel breiter und schneller zum Einsatz. Die USA habe durch viel Mut und weniger Angst vor Fehlern einen Vorsprung, während China mit riesigen Investitionsvolumina und klarer Zielsetzung auf Geschwindigkeit setze. Deutschland sei nicht so schnell dabei, seine Top-Forschung in die Wirtschaft zu bringen.
Michael Kaiser betonte, dass Stuttgart eine industriestarke Region sei und bleibe. „Unternehmen müssen auf KI setzen, neue Technologien gezielt dort einbringen, wo sie Effizienz steigern und ihre Mitarbeitenden rechtzeitig und zweckmäßig dafür qualifizieren“.
Wie das im Mittelstand aussehen kann, erzählte Dennis Röhrig. Bei der Röhrig GmbH werde KI aufbauend auf der Digitalisierung implementiert, insbesondere LLMs (Large Language Models) seien in der Softwareentwicklung äußerst nützlich. Lösungen werden seiner Erfahrung nach sehr schnell in der Belegschaft angewendet. Das sei begrüßenswert, unterstreiche jedoch andererseits die Notwendigkeit, die Mitarbeitenden rasch zu schulen und Vereinbarungen zum Datenschutz festzulegen – auch, um internes Firmenwissen zu sichern.
Solches Wissen geben Ausbilder*innen an Nachwuchsfachkräfte weiter. Thorsten Würth hob deshalb Besonderheiten bei der Ausbildung hervor, was das Know-how zu neuen Technologien angeht. Er sieht in naher Zukunft zusätzlichen Schulungsbedarf bei Ausbilder*innen, sie würden sonst womöglich angesichts der Schnelllebigkeit des Wandels von Auszubildenden überholt.
Viele Unternehmen bräuchten KI-Anwendungen, die individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Doch solche Angebote sind meist teuer, insbesondere für mittelständische Unternehmen, so Claudius Audick. Er plädierte deshalb für angepasste Förderungen, um die Unternehmen bei der Digitalen Transformation zu unterstützen und betonte: „Wir dürfen nicht vernachlässigen, dass die Digitale Transformation nicht nur aus KI und LLMs besteht.“ Gutes Prompting beschleunigt zwar die Arbeitsprozesse und ist Teil des Gesamtbildes, aber Digitale Transformation sei auch Cloud-Technology, Cybersecurity und insbesondere digitale Resilienz sowie allgemeine digitale Kompetenzen. Der Bund reagiere inzwischen agiler auf neue Entwicklungen, dennoch müssen KMUs gezielt erreicht werden, um ihnen den Weg durch die Vielzahl an Angeboten zu passenden Lösungen zu ebnen. Für ihn steht fest: „Wir befinden uns an einem Scheideweg, was die digitale Transformation angeht“.
Fachkräfte, Politik und Kooperation als Erfolgsfaktoren
Nora Lämmel fasste die Lage treffend zusammen: „Zukunft braucht Menschen – und Menschen brauchen Zukunft“. Sie forderte eine langfristige, nachhaltige Strategie und eine wegweisende Personalplanung, um Menschen gezielt zu qualifizieren. Es brauche eine starke politische Flankierung, um den umfassenden Stellenabbau zu stoppen. Er führe zu fehlenden Steuergeldern in den Kommunen, was wiederum deutliche Einschnitte im sozialen Bereich zur Folge hätte.

Eine weitere Aufforderung an die Politik kam von Michael Kaiser. Er betonte, dass Deutschland schneller auf die weltweiten Arbeitsmöglichkeiten qualifizierter Fachkräfte reagieren müsse und deshalb Anerkennungsverfahren beschleunigen sollte. Dazu sagte er: „Qualifizierte Menschen können heute weltweit arbeiten. Deshalb muss die Anerkennung ihrer Abschlüsse in Deutschland unkomplizierter gestaltet werden. Fast-Track-Verfahren könnten helfen, dringend benötigte Stellen schneller zu besetzen.“ Außerdem merkte er an, dass die Region darüber hinaus auf eine Diversifizierung in Geschäftsfelder wie IT, Mikrosystemtechnik, Luft- und Raumfahrt sowie Greentech setzen müsse, um zukunftsfähig zu bleiben.
Der Tenor: Handeln ist jetzt die Devise. Alle Panel-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer waren sich einig, dass wir jetzt von der Diagnose ins Tun kommen müssen, um die Region voranzubringen. Wie? Mit einem engen Schulterschluss von Wirtschaft, Wissenschat und Politik, einem offenen und ehrlichen Umgang miteinander, langfristig angelegten Plänen und gegenseitiger Unterstützung aller regionalen Unternehmen, Bündnisse und Organisationen.
Vision trifft Praxis: Innovative Technologien in der Wirtschaft
Aus Worten wurden Taten: Im Anschluss an die Diskussion lernten die Teilnehmenden in fünf parallel stattfindenden Zukunftsräumen mehr über verschiedene Anwendungsformen von KI in Unternehmen. Die Workshops mit Raum für Austausch und Reflexion boten eine gute Gelegenheit zum Eintauchen, Ausprobieren und Impulse mitnehmen.
Im ersten Zukunftsraum gaben Robert Köhler und Markus Löpsinger (Bosch) sowie David Kunz (FAPS Uni Erlangen), Dr. Christoph Runde und Sven Haschke (VDC) Einblicke in „XR-Upskill“, ein Verbundprojekt mit der FAU Erlangen-Nürnberg und dem Virtual Dimension Center, das immersive Technologien (eXtended Reality) für die Aus- und Weiterbildung in der Elektromobilität nutzt. XR kommt in der Wirtschaft bereits branchenspezifisch zum Einsatz: zum Beispiel, um Prototypen zu erstellen, Produkte wie komplexe Maschinen zu designen und zu visualisieren, oder aber für Therapien und Rehas. Ziel des Projekts XR-Upskill ist es, das Know-how zu diesen Anwendungen weiterzugeben und für KMU sowie Berufs- und weiterführende Schulen zugänglich zu machen.

Im zweiten Workshop mit Victoria Rachmetow (Blockbrain) und Fabian Frommer (Seifert Logistics) ging es um den Einsatz von KI für das Wissensmanagement und den Generationenwechsel am Beispiel Seifert. Das Unternehmen hat sich gefragt: Wie können wir Wissen sichern, KI als Lernpartner nutzen und Prozesse damit effektiver machen? Angesicht des demografischen Wandels ging es in erster Linie darum, Expert*innenwissen mit KI zu erfassen und den Mitarbeitenden zur Verfügung zu stellen, damit es auch in Zukunft nutzbar ist. Bei Seifert wird durch Interviews gewonnenes sowie auf dem Sharepoint abgelegtes Wissen des CEOs Axel Frei zur Erstellung eines digitalen Zwillings analysiert. Dieser sogenannte Knowledge Bot ist auch nach der Beschäftigung des Geschäftsführers in der Lage, Informationen zu verwalten und weiterzugeben. Dabei ist der Faktor Datensicherheit nicht zu vernachlässigen.
Wissen teilen, Kompetenzen entwickeln
Welf Schröter (Forum Soziale Technikgestaltung) stellte die Sicht von Betriebs- und Personalräten auf KI zusammen mit Christian Purz (Gesamtpersonalrat Stadt Stuttgart) vor. Ein wichtiges Anliegen ist es, die KI als Werkzeug für demokratische Arbeitsgestaltung zu verstehen und zu nutzen. Generell sei es wenig zielführend, KI blind in Prozesse zu integrieren und zu hoffen, dass sie dadurch effizienter werden. Für einen zielgerichteten und kontrollierten Einsatz von KI helfe das Prinzip des „mitbestimmten Algorithmus“ – Beteiligte sollen die Integration von neuen Technologien verstehen und aktiv mitgestalten. Eine realistische Einschätzung dessen, was KI überhaupt leisten soll oder kann, hilft bei der Implementierung. Welf Schröter plädiert generell dafür, Rahmenbetriebsvereinbarungen ständig anzupassen, weil die Arbeitswelt fortlaufend im Wandel und ein Vordenken und -greifen sinnvoll sei.
Wie Zukunft im Unternehmen gemeinsam gestaltet werden kann, stellte Johannes Guischard (STIHL) im dritten Workshop vor. Der Q-Guide-Entwicklertisch bietet ein innovatives Beteiligungsformat für die betriebliche Weiterbildung. In der Pilotumsetzung bei STIHL stand die zentrale Frage: Wer kann was zu einer Lösung beitragen? Und in der Folge: Wie wird dieses Wissen sichtbar, teilbar und nutzbar? Ein wirksames internes Wissensmanagement ist oft nicht vorhanden und die Frage nach dem Zeitpunkt und der Sinnhaftigkeit von Qualifizierung ist besonders im Umgang mit älteren Mitarbeitenden meist nicht geklärt. Hinzu kommen Probleme wie Mikromanagement und eine unklare Aufgabenverteilung sowie die unklare Definition von Kompetenzen im Team. Deshalb setzt der Entwicklertisch bewusst auf Ergebnisoffenheit; Lösungen entstehen erst im Prozess. Der runde Tisch schafft dafür einen hierarchiefreien, geschützten Raum, in dem sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen können. Gewohnte Regeln aus dem Unternehmensalltag sollen bewusst in den Hintergrund treten.

Im fünften Zukunftsraum probierten die Teilnehmenden den QualiMonitor der AgenturQ aus: Dr. Stefan Baron und Ipek Güler (AgenturQ) präsentierten das Tool zur datenbasierten Gestaltung strategischer Weiterbildung. Ziel des Fragebogens ist es, Handlungsbedarfe sichtbar zu machen und zukünftige Kompetenzanforderungen zu planen. Der QualiMonitor zeigt, welche Kompetenzen im Unternehmen gut aufgestellt sind und wo Lücken geschlossen werden sollten. Tarifgebundene Unternehmen erhalten eine kostenlose Beratung durch die AgenturQ. In ergänzenden Workshops werden die Ergebnisse des QualiMonitors vertieft und Handlungsempfehlungen erarbeitet. Der Austausch zwischen den Teilnehmenden und die gemeinsame Diskussion stehen neben dem Planen der nächsten Schritte im Mittelpunkt. Diese Weiterbildungsbedarfsanalyse ist umfassend und berücksichtigt sowohl fachliche als auch überfachliche Kompetenzen. Auch Future Skills können betrachtet werden.
Vom Austausch ins Handeln: Weiterbildung aktiv gestalten
Die Bereitschaft, Wissen zu teilen und gemeinsam neue Wege zu entwickeln, ist groß. Das haben die Diskussionen in allen Räumen gezeigt. Ob es um die Erfassung und Nutzung von Wissen, den mitbestimmten und bedarfsgerechten Einsatz von KI oder die Schulung von Mitarbeitenden mittels XR ging – der Schlüssel für eine resiliente Region ist eine offene Kommunikation und Zusammenarbeit zu neuen Technologien. Mit dem Q-Guide der WRS und ihrer WBV-Partner*innen stehen Unternehmen konkrete Instrumente zur Verfügung, um Zukunftskompetenzen systematisch zu entwickeln. Austausch, Neugierde und Experimentierfreude stärken den Wissenstransfer und schaffen eine Weiterbildungskultur, die auch in einer Zeit der Umbrüche Chancen eröffnet und Orientierung gibt.

Fotos: Leif Piechowski