IHK-Studie: "Zulieferer vor der Zerreißprobe – Wie Zulieferer im Automobil- und Maschinenbau den Wandel durch Industrie 4.0 meistern können"

23.02.2018

Fehlende Standards beim Datenaustausch, Fachkräftemangel und Herausforderungen des Veränderungsmanagements treiben die regionale Automobil- und Maschinenbaubranche in ihrem tiefgreifenden Wandel durch die Digitalisierung um. Das zeigt eine heute veröffentlichte Studie, die das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) im Auftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart erarbeitet hat. Mithilfe von strukturierten Experteninterviews und einer Online-Umfrage wurde untersucht, welche Themen die Produzenten an den verschiedenen Stellen der automobilen Fertigungskette derzeit beschäftigen und mit welchen Zukunftsstrategien sie den Herausforderungen begegnen wollen. Empfehlungen für die Erarbeitung und Umsetzung einer solchen Strategie für kleine und mittlere Zuliefererbetriebe ergänzen die Publikation.

"Die Region Stuttgart ist ein Spitzenstandort der Mobilitätstechnologie weltweit. Sie kann diese Position in der Zukunft aber nur halten, wenn in den Betrieben hier vor Ort - vom kleinen Teilefertiger bis zum Weltkonzern - jetzt die Weichen richtig gestellt werden", sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Johannes Schmalzl. "In unserer Befragung zeigt sich, dass der Digitalisierungsdruck in Betrieben aller Zulieferstufen angekommen ist. Zugleich bietet sich mit digitalen Lösungen die Chance, zum Beispiel steigender Variantenvielfalt sowie immer kürzeren Lieferfristen gerecht zu werden."

Übereinstimmend benennen die Experten aus der Praxis vier zentrale Trends in der Automobilbranche: Digitalisierung und Vernetzung der Fahrzeuge, autonomes Fahren, alternative Antriebskonzepte mit Fokus auf die Elektronmobilität und neue Mobilitätskonzepte wie Carsharing. Von den Geschäftsbedingungen und -prozessen innerhalb der automobilen Zulieferkette erwarteten alle Befragten, dass sie durch die Digitalisierung transparenter und intelligenter werden. Ein Schwerpunkt der Digitalisierungsprojekte in den Unternehmen liegt darum bei den Themen "Smart Factory" und "Smart Supply Chain", also vernetzte und intelligente Firmen und Lieferketten. Drei Ansatzfelder werden deutlich, innerhalb derer die Branche offenbar versucht, sich für die neuen Rahmenbedingungen zu positionieren: Kosten senken, Leistungen verbessern oder neue Leistungsangebote schaffen.

Die Impulse, um Industrie 4.0 in den Fabriken Realität werden zu lassen, werden im Moment von einigen Vorreiterunternehmen ganz unterschiedlicher Größe gesetzt. Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind jedoch eher abwartend, wie eine IHK-Untersuchung aus dem Mai 2017 belegt. Zwei Drittel der darin untersuchten KMU aller Branchen in der Region sind hochgradig von ihrem Hauptgeschäftsmodell abhängig. "Die aktuelle Hochkonjunktur beschert auch den meisten kleinen und mittleren Automobilzuliefern volle Auftragsbücher. Diese komfortable Lage gilt es zu nutzen, um den Anschluss an die Industrie 4.0 nicht zu verpassen", so Schmalzl.

Ein Fokus der Studie liegt darum auf sogenannten "Tier 2/n-Zulieferern", die in der automobilen Herstellungskette zwei oder mehr Stufen vor der Endmontage der Fahrzeuge bei den Fahrzeugherstellern (OEM) angesiedelt und auf die Herstellung einzelner Teile spezialisiert sind. Das sind meist KMU, die eng an die Anforderungen der Automobilhersteller angepasst sind und sich in einer gewissen Abhängigkeit zu ihnen befinden. Sie nehmen einen besonders hohen Konkurrenzdruck wahr und gehen Digitalisierungsprojekte vor allem aufgrund dieser Drucksituation an. Deutlich öfter als die OEM sagen sie auch, dass fehlende Standards (60 Prozent), Fachkräftemangel (60), aber auch fehlende finanzielle Spielräume (40) sie bei Digitalisierungsvorhaben einschränken.

Die Studie empfiehlt den kleinen und mittleren Zulieferbetrieben einerseits zu überlegen, welche Produkte und Services man in Zukunft anbieten will, aber auch, wie diese produziert werden sollen. Während Maschinenbauer und OEM offenbar darauf setzen, sowohl ihr Angebot als auch dessen Erstellung zu digitalisieren, kann es sich für Teilezulieferer lohnen, den Digitalisierungsschwerpunkt in nur einem der Bereiche zu setzen.

"Jeder Betrieb in der Zulieferkette ist anders. Mithilfe unserer Leitfragen und Handlungsempfehlungen können Verantwortliche in den Betrieben eine ganz individuelle Strategie entwickeln, um die Digitalisierung für sich zu nutzen und sich zukunftssicher aufzustellen", so Schmalzl. Eine Neupositionierung des Unternehmens könne gelingen, indem man sich in der Lieferkette mit seinem Angebot näher bei den OEM ansiedelt, neue Kooperationen eingeht oder das vorhandene Know-how für neue Produkte oder in Branchen abseits der Automobilindustrie einsetzt, so die Empfehlungen des Fraunhofer Instituts.

Die OEM-nahen Zulieferer spalten sich in der Befragung in zwei Gruppen: Die einen entwickeln innovative Komponenten für autonomes Fahren und Elektromobilität, die anderen suchen abseits der Automobilbranche ganz neue Absatzmärkte, um ihre Abhängigkeit von der Branchenentwicklung zu senken. Für die Automobilhersteller selbst stehen Individualisierung und technische Weitentwicklung bekannter Produkte, aber auch die Entwicklung alternative Erwerbsmodelle im Bereich Mobilität auf der Agenda, beispielsweise Carsharing.

Die ganze Studie "Zulieferer vor der Zerreißprobe" finden Sie hier.

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