„Geh in deiner Arbeit auf, nicht unter.“ Mit dieser Aufforderung des französischen Schauspielers und Regisseurs Jacques Tati endet eine Infobroschüre der Brückner-Gruppe, mit der das Familienunternehmen über seine umfassenden Sozialleistungen informiert. Das Motto steht sinnbildlich für eine zukunftsorientierte Personalpolitik, die das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben als zentrale Grundlage der Firmenkultur versteht. Der Leonberger Systemanbieter für Textil- und Beschichtungsmaschinen hat eine spezielle Work-Life- Balance-Strategie entwickelt, die vielfältige Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur flexiblen Arbeitsgestaltung und zum Gesundheitsmanagement beinhaltet und die Mitarbeiter in ihren unterschiedlichen Lebensphasen anspricht. Für seine vorbildliche Personalarbeit wurde der Anlagenbauer mit dem Demografie Exzellenz Award 2012 ausgezeichnet.
»Wir wollen den demografischen Wandel für eine Neuorientierung unseres Personalwesens nutzen.«
„Uns geht es nicht nur um gesundheitsfördernde Maßnahmen, sondern um einen ganzheitlichen Ansatz“, betont die Eigentümerin Regina Brückner, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann Axel Pieper leitet. Sie will den Betrieb mittel- und langfristig so umorganisieren, dass junge und ältere Mitarbeiter optimal zusammenarbeiten und jeder Einzelne der rund 320 Beschäftigten in seinen Kompetenzen wertgeschätzt wird. Dafür sollen die Arbeitsbedingungen so gut wie möglich auf die individuellen Lebenssituationen abgestimmt werden. Ein Fokus liegt auch darauf, die wertvollen Erfahrungen der älteren Mitarbeiter systematisch an jüngere Kollegen weiterzugeben. Die Geschäftsführerin hat sich ganz bewusst dafür entschieden, den anstehenden demografischen Wandel für eine Neuorientierung des Personalmanagements zu nutzen und somit das Unternehmen bestmöglich für die Zukunft zu rüsten.
Bereits seit 1949 konstruiert und entwickelt Brückner individuelle und innovative Maschinen zur Textilveredelung für Kunden auf der ganzen Welt und fertigt die hochkomplexen Anlagen bis heute ausschließlich in Deutschland. Das Unternehmen ist dabei auf hochqualifizierte und motivierte Mitarbeiter angewiesen. Insbesondere für die technischen Bereiche wird es jedoch auch für den Mittelständler immer schwieriger, passende Fachkräfte zu finden. Im Wettbewerb um begehrte Ingenieure und Facharbeiter konkurriert er mit Firmen wie Daimler, Porsche oder Bosch, die nur wenige Kilometer entfernt ansässig sind. Auch deshalb engagiert sich das Familienunternehmen besonders intensiv dafür, die eigenen Mitarbeiter möglichst eng an den Betrieb zu binden.
Ausgangspunkt der neuen Personalstrategie bildete eine Mitarbeiterbefragung, die 2011 zum ersten Mal in der Firmengeschichte durchgeführt wurde. Gefragt wurde unter anderem nach der Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen, nach möglichen Belastungen am Arbeitsplatz, dem betrieblichen Gesundheitsschutz und der Feedbackkultur im Unternehmen. Es zeigte sich beispielsweise, dass rund 40 Prozent der Belegschaft regelmäßig an Rücken- oder Nackenschmerzen litt und die Hälfte der Mitarbeiter auch zu Hause sehr häufig an die Arbeit dachte. Auf der anderen Seite gaben fast 60 Prozent der Befragten an, nicht zu wissen, dass es bei Brückner Angebote zur Gesundheitsförderung gibt.
»Unsere Work-Life-Balance-Strategie bietet hohe Flexibilität, fordert aber auch viel Verständnis von allen Beteiligten.«
Darauf aufbauend wurde unter dem Titel vit@work ein Work-Life-Management- Konzept mit den fünf zentralen Bausteinen Gesundheit, Familie, Flexibilisierung von Ort und Zeit, generationenübergreifendes Denken und flankierende Maßnahmen entwickelt. Ein Lenkungsteam schuf den Rahmen, in dem sich Geschäftsführung und Mitarbeiter regelmäßig zum Programm austauschen konnten und konkrete Maßnahmen entwickelt wurden. Das vit@work-Konzept reicht von hochflexiblen Arbeitszeitmodellen, Familienpflegezeit, Home-Office-Strukturen und Sabbaticals über die Umgestaltung von Großraumbüros, der Kantine und Schaffung einer Grünfläche für Pausen im Freien bis hin zu gesundheitsfördernden Maßnahmen. Es gibt freies Obst und Wasser für alle und Zuschüsse zu Massagen und Krankengymnastik. Professionalisiert wurde zudem der Austausch zwischen den verschiedenen Mitarbeitergenerationen.
Ältere Arbeitnehmer und Kollegen, die bereits im Ruhestand sind, führen dazu für Nachwuchskräfte und alle anderen interessierten Mitarbeiter regelmäßig technische Schulungen und Führungen an den komplexen Brückneranlagen bei den Kunden vor Ort durch. Einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Work-Life-Balance-Strategie leistet auch die Personalleiterin Inge Reichart. Auf ihrem Schreibtisch landen beispielsweise die Anträge von Mitarbeitern, die mehr Zeit brauchen, um sich um ihre Familien zu kümmern, ein Sabbatical beantragen wollen oder in den Jahren vor ihrem Ruhestand nur noch eine Vier-Tage-Woche anstreben. Die Personalchefin sucht dann nach individuellen Lösungen und muss dabei auch im kollegialen Umfeld der Betroffenen viel Überzeugungsarbeit leisten. „Wir sind auf die Kompromissfähigkeit aller Beteiligten angewiesen”, betont sie. Vor allem wenn Führungskräfte betroffen sind, ist es deshalb besonders wichtig, dass die Geschäftsführung den Wunsch nach Flexibilisierung zu hundert Prozent unterstützt. Regina Brückner und ihr Mann sind davon überzeugt, dass ihre Belegschaft das Entgegenkommen der Firma langfristig zurückzahlen wird – beispielsweise in Form von Motivation, Produktivität und Unternehmenstreue. „Wir bieten unseren Mitarbeitern ein hohes Maß an Freiheit und erwarten dafür Engagement, Eigeninitiative und Kreativität“ steht es deshalb auch in den Unternehmensleitlinien geschrieben.