Wer heutzutage einen neuen Job sucht, geht online. Zahlreiche Studien zur Bewerbungspraxis belegen, dass sich Stellensuchende in erster Linie in den Jobbörsen im Internet und auf den Webseiten der Unternehmen nach einem passenden Arbeitsplatz umschauen. Laut den von der Universität Bamberg erhobenen „Recruiting Trends 2015“ werden neun von zehn offenen Stellen auf speziellen Karriereseiten der Firmen veröffentlicht. Fast Dreiviertel aller Vakanzen sind zusätzlich in den relevanten Jobbörsen im Internet ausgeschrieben. Beide Kanäle konnten über die letzten Jahre hinweg einen stetigen Zuwachs verzeichnen. Printmedien verlieren dagegen für den Stellenmarkt zunehmend an Bedeutung.
»Immer mehr Menschen nutzen ihr Smartphone oder Tablet zur Stellensuche.«
Vor allem für die Personaler der großen Firmen ist es selbstverständlich geworden, die Möglichkeiten der digitalen Welt zu nutzen, um neue Mitarbeiter zu rekrutieren und für sich als Arbeitgeber zu werben. Unter dem Stichwort E-Recruiting unterstützen elektronische und webbasierte Anwendungen heute sämtliche Prozesse der Mitarbeitergewinnung, angefangen vom Personalmarketing und der konkreten Stellenausschreibung über die Kommunikation mit den Bewerbern bis hin zum endgültigen Auswahlprozess.
Das Herz jeder E-Recruiting-Strategie ist die Karriereseite eines Unternehmens. Berufseinsteiger wie auch Berufserfahrene suchen hier neben aktuellen Stellenangeboten vor allem nach authentischen Einblicken und Hintergrundinformationen zur Unternehmenskultur, den grundsätzlichen Arbeitsbedingungen oder den Sozialleistungen der Betriebe. Außerdem wollen sie bei Bedarf möglichst unkompliziert in Kontakt kommen können – sei es mit dem zuständigen Recruiter, künftigen Fachvorgesetzten oder Mitarbeitern des potenziellen Arbeitgebers.
Weil immer mehr Menschen ihr Smartphone oder Tablet zur Stellensuche nutzen, müssen Karriereseiten, Stellenanzeigen und sämtliche Angebote zum Employer Branding auch auf diesen mobilen Endgeräten funktionieren. Das ist allerdings nicht selbstverständlich. Notwendig ist dafür ein Responsive Design, das sich flexibel an die Displays der verwendeten Endgeräte anpasst. Zukunftsorientierte Personaler setzen zunehmend auf spezielle Mobile Recruiting-Anwendungen, die die wachsende Verbreitung von Smartphones und Tablets für die Personalbeschaffung gezielt nutzen. Apps wie Talentcube oder Viasto machen es zum Beispiel möglich, Bewerbungen auf dem Handy zu managen, Profile als Videopräsentationen aufzuzeichnen oder zeitversetzte Videointerviews zur Vorauswahl der Kandidaten durchzuführen. Weil visuelle Elemente auf kleineren Displays viel besser funktionieren als Text, gewinnen grafische Animationen, Fotos und Bewegtbild-Anwendungen verstärkt an Bedeutung.
»Stellensuchende wollen sich schnell und unkompliziert bewerben.«
Auch die Sozialen Netzwerke sind auf dem Vormarsch, wenn es um Personalmarketing oder Stellenbesetzungen geht. HR-Spezialisten sehen die Personalgewinnung mit Hilfe von Social Media als eine der wichtigsten gegenwärtigen Herausforderungen an. Viele Firmen veröffentlichen ihre Stellenausschreibungen heute zusätzlich in sozialen Netzwerken wie Facebook, Xing oder LinkedIn. Gleichzeitig begleiten sie dort ihre Ausschreibungen durch gezielte Postings und Aktionen, mit denen sie für sich als Arbeitgeber werben. Für solche Employer Branding Aktivitäten sind die Sozialen Medien besonders gut geeignet.
Gepostete Inhalte können individuell auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten und durch Fotos oder Videos ergänzt werden, die einen authentischen Blick hinter die Kulissen gewähren. Für die jüngeren Zielgruppen sind dafür vor allem die Foto-Apps Instagram und Snapjet und die Videoplattform Youtube im Kommen. Eine wachsende Anzahl von Firmen entwickeln bereits spezielle Social Media Strategien, um ihre Aktivitäten langfristig zu planen und mit anderen Maßnahmen zu vernetzen. Und auch eigens benannte Social Media Verantwortliche, die die Plattformen intensiv betreuen, sind keine Seltenheit mehr.
Laut Umfragen haben die Firmen in Deutschland die Bedeutung der digitalen Medien für ihre Wettbewerbsfähigkeit grundsätzlich erkannt. In der praktischen Personalarbeit sind die Erfordernisse und Chancen der Digitalisierung allerdings oft noch nicht angekommen. Nur ein Drittel der Stellensuchenden, die an einer Studie zur Bewerbungspraxis 2015 teilgenommen hatten, konnten Karriereseiten auf ihren mobilen Endgeräten problemlos lesen. Besonders kleineren und mittelständischen Betrieben fehlt es oft noch an Know-how, um die ständig neuen Tools der digitalen Welt für die Personalgewinnung tatsächlich erfolgreich anzuwenden. Viele Entscheider sind außerdem unsicher, ob und welche der verschiedenen digitalen Plattformen und Anwendungen für ihre speziellen Zielgruppen auch tatsächlich relevant sind.
Wenn Firmen sich allerdings nur mit halbem Herzen für E-Recruiting-Maßnahmen entscheiden, ist das besonders nachteilig. Sie sind dann vielleicht in Facebook präsent, posten aber nur alle acht Wochen neue Inhalte und sorgen dadurch eher für negative Resonanz in der Internet-Community. Ähnlich wirken Karriereseiten, die auf einem Tablet oder Smartphone nicht geöffnet oder gelesen werden können. Auch fehlende Kontaktmöglichkeiten oder zu langsame Reaktionszeiten auf Anfragen zerstören die gute Reputation eines Unternehmens. Bewerber haben heutzutage sehr hohe Ansprüche an die Kommunikation mit einem potenziellen Arbeitgeber und erwarten einfache, effiziente und schnelle Abläufe im Bewerbungsverfahren. Eine positive Candidate Experience wird immer wichtiger, um bei Fachkräften zu punkten.
Personalverantwortliche benötigen deshalb Zeit sowie finanzielle und personelle Ressourcen, um die verschiedenen Plattformen professionell zu pflegen und mit den Bewerbern in der gewünschten Form zu kommunizieren. E-Recruiting kann darüber hinaus nur gelingen, wenn die Geschäftsführung tatsächlich den Mut hat, authentische Einblicke ins Unternehmen zuzulassen. Und dafür braucht es wiederum eine Firmenkultur, in der auch gelebt wird, was die Employer Branding Botschaften in den sozialen Netzwerken versprechen. Mittelständische Firmen haben hier wichtige Vorteile: Sie konnten schon immer dadurch punkten, dass sie eine besondere Arbeitsatmosphäre und persönliche Beziehungen pflegen. Ein Blick hinter die Kulissen wäre deshalb wünschenswert. Vorausgesetzt, sie legen ihre Skepsis ab und eignen sich das notwendige Know-how an, könnten sie ihre Trümpfe mit Unterstützung der digitalen Medien künftig noch sehr viel besser ausspielen.