Fachkräfte Region Stuttgart

Wenn sich die Gesellschaft wandelt, müssen auch kleine Unternehmen darauf reagieren

Prof. Dr. Uwe Schirmer

Foto: Prof. Dr. Uwe Schirmer

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Demografieorientiertes Personalmanagement ist keine neue Geheimwaffe, sondern vielmehr die intelligente Anwendung bereits vorhandener Personalinstrumente auf die Herausforderungen durch den demografischen Wandel. Diese Feststellung steht am Beginn unseres Gesprächs mit Prof. Dr. Uwe Schirmer, der seit Jahren darüber forscht, wie deutsche Unternehmen die anstehenden gesellschaftlichen Veränderungen bewältigen. Der Experte für nachhaltige Personalpolitik leitet die Bachelor- und Masterstudiengänge Personalmanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach und berät Firmen und Institutionen im Demografiemanagement. Wir sprachen mit ihm darüber, wie sich demografieorientierte Personalkonzepte auch in kleineren Betrieben realisieren lassen.

WRS: Prof. Schirmer, den meisten Unternehmern ist es durchaus bewusst, dass die demografische Entwicklung zu großen Herausforderungen führen wird. Trotzdem belegen Ihre Studien, dass es den Firmenverantwortlichen schwer fällt, daraus praktische Konsequenzen zu ziehen. Wie gut sind die mittelständischen Betriebe für die anstehenden Veränderungen gerüstet?

Prof. Dr. Uwe Schirmer: Leider richten die Unternehmer in kleineren Firmen ihre personalpolitischen Anstrengungen noch viel zu wenig und vor allem nicht langfristig auf die demografischen Risiken aus. In unseren Untersuchungen stellen wir fest, dass sie vor allem mit punktuellen Aktivitäten reagieren, wenn beispielsweise auf eine Stellenanzeige die Bewerbungen ausbleiben oder der Ruhestand eines Leistungsträgers vor der Tür steht. Sie gehen dann vielleicht auf ein oder zwei Bewerberbörsen oder stellen erstmals einen ausländischen Facharbeiter ein, was ihnen kurzfristig durchaus aus der Klemme hilft. Mittelfristig bekommen sie aber neue Probleme, die sich irgendwann nicht mehr mit Einzelmaßnahmen bewältigen lassen.

Wie können sich die kleinen Firmen angemessen darauf einstellen, dass sich das Fachkräfteangebot verändert und die eigenen Belegschaften immer älter werden?

Um eine nachhaltige Wirkung zu erreichen, sollten die Unternehmer ihre gesamte Belegschaft im Blick haben und die Aktivitäten nicht nur auf eine bestimmte Zielgruppe oder eine aktuelle Situation beschränken. Demografieorientiertes Personalmanagement bedeutet, in Lebensphasen zu denken und dafür jeweils passende Angebote zu machen. Dazu gehören Anstrengungen, um begehrte Fachkräfte zu gewinnen, erfahrene Mitarbeiter zu binden und die älteren Beschäftigten darin zu unterstützen, gesund und möglichst lange arbeitsfähig zu bleiben.

Kleine Unternehmen haben dafür aber nur begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung. Viele wissen auch einfach nicht, wie sie am besten damit anfangen, den demografischen Wandel aktiv zu gestalten.

Die Firmen müssen das Rad nicht neu erfinden. Ich empfehle ihnen, sich externe Partner zu suchen und beispielsweise mit Experten der Kammern und Hochschulen zu kooperieren. Über „Das Demographie Netzwerk“ (ddn) wiederum können sie sich intensiv mit Fachkollegen aus anderen Betrieben austauschen, von erfolgreichen Praxisbeispielen lernen und einen schnellen Zugang zu aktuellen Informationen bekommen.

Im Rahmen Ihres „Lörracher Modells“ beschreiben Sie verschiedene Module, an denen sich Firmen beim Einstieg in ein demografieorientiertes Personalmanagement orientieren können. Worauf kommt es an?

Zunächst muss sich die Unternehmensführung grundsätzlich dafür entscheiden, den demografischen Wandel bei allen künftigen Planungen aktiv zu berücksichtigen. Wichtig ist außerdem, eine offene Firmenkultur vorzuleben, die die unterschiedlichen Stärken der einzelnen Altersgruppen ganz bewusst wertschätzt. Der erste praktische Schritt könnte dann darin bestehen, eine Altersstrukturanalyse durchzuführen.

Bei kleineren Unternehmen reicht es im Prinzip schon aus, auf einem Blatt Papier aufzuschreiben, wie sich die Beschäftigten im Betrieb aktuell auf die verschiedenen Altersgruppen verteilen. Anschließend sollte dann auch noch dargestellt werden, wie diese Struktur in fünf oder zehn Jahren aussehen würde, vorausgesetzt man würde nichts unternehmen. Dadurch wird sehr schnell deutlich, in welchen Bereichen es in absehbarer Zeit Handlungsbedarf gibt, weil beispielsweise mit altersbedingten Abgängen zu rechnen ist.

Welche Instrumente helfen dabei, negativen Entwicklungen entgegenzusteuern?

Zur Verfügung steht das gesamte Instrumentarium der Personalarbeit. Die einzelnen Maßnahmen sind gar nicht so kompliziert – vieles wird sowieso schon in den Unternehmen eingesetzt. Das können besondere Anstrengungen in der Personalbeschaffung sein oder gesundheitsorientierte Maßnahmen, um die Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter zu erhalten. Ein Autohaus auf der Suche nach Fachkräften haben wir unter anderem darin unterstützt, die vorhandenen Stellenanzeigen so umzuformulieren, dass diese nicht nur junge Fachkräfte, sondern ausdrücklich auch Arbeitnehmer über 45 Jahren ansprachen. Lohnenswert sind auch alle Aktivitäten, die Mitarbeiter emotional an das Unternehmen binden. Gerade hier haben die kleineren Firmen ihre Stärken, weil sie das familiäre Umfeld und die Rahmenbedingungen ihrer Mitarbeiter meistens sehr gut kennen und mit individuellen Regelungen und Aktivitäten gezielt darauf eingehen können.