Fachkräfte Region Stuttgart

„Raum ist der beste Katalysator, um die Kultur im Unternehmen zu verändern“

Foto Dr. Stefan Rief

Dr. Stefan Rief

Das Einzelbüro mit festem Schreibtisch und Familienfoto gehört in vielen Firmen der Vergangenheit an. Globale Märkte erfordern heute flexible und mobile Mitarbeiter – gleichzeitig machen digitale Technologien neue Formen der Selbstorganisation und Zusammenarbeit möglich. Beides hat Einfluss darauf, auf welche Weise die Unternehmen ihre Arbeitsräume gestalten. Nachhaltige Büro-und Arbeitskonzepte stehen im Mittelpunkt der Forschungs- und Beratungstätigkeit von Dr. Stefan Rief. Er ist Leiter des Competence Centers Workspace Innovation beim Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Wir sprachen mit ihm über Arbeitsräume der Zukunft und haben dabei auch erfahren, warum das Work Space Design von Google nicht immer ein geeignetes Vorbild für schwäbische Mittelständler ist – seine konsequente Umsetzung hingegen schon.

 

WRS: Herr Dr. Rief, Work Space Design ist zurzeit in aller Munde. Ganz offensichtlich scheint die Gestaltung von Arbeitsplätzen, Räumen und Gebäuden immer mehr an Bedeutung zu gewinnen?

Stefan Rief: Die Art, wie und wo wir arbeiten, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten drastisch verändert. In unserer globalisierten und digitalisierten Welt sind die Firmen gefordert, sich immer wieder neu zu organisieren. Eine durchdachte und inspirierende Arbeitsumgebung spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle. Wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen die Betriebe technologisch auf dem neuesten Stand sein, die besten Fachkräfte für sich gewinnen und möglichst optimale Rahmenbedingungen schaffen, die die Leistungsfähigkeit, Motivation und Kreativität ihrer Wissensarbeiter fördern. Bei räumlichen Veränderungen stehen heute die Bedürfnisse der Mitarbeiter im Fokus, während früher vor allem eine effiziente Flächennutzung angestrebt oder organisatorische Veränderungen abgebildet wurden.

Sind unkonventionelle Büroräume, wie beispielsweise die umgebaute Skigondel bei Google in Zürich, tatsächlich relevante Erfolgsfaktoren oder einfach nur Marketinggags, die ein besonders cooles Image vermitteln?

Solche Maßnahmen müssen immer in ein Gesamtkonzept eingebettet sein und daraufhin überprüft werden, ob sie auch wirklich zur Kultur der jeweiligen Firma passen. Raumkonzepte sind kein Benchmarking-Thema, das man so einfach von den amerikanischen Unternehmen auf unsere Verhältnisse übertragen kann. Die Campus-Kultur mit Wohnzimmeratmosphäre von Airbnb beispielsweise ist vor allem für jüngere Mitarbeiter reizvoll. In Deutschland brauchen wir sehr viel flexiblere Konzepte, die auch für Ältere attraktiv sind und gleichzeitig berücksichtigen, dass wir künftig nicht nur im Büro oder Homeoffice arbeiten werden, sondern in Verkehrsmitteln, in Coworking Spaces, in der Wohnung pflegebedürftiger Eltern oder im Stadtpark. Raum ist der beste Katalysator, um die Arbeitskultur nachhaltig zu verändern. Wer sich also beispielsweise mehr Transparenz und interdisziplinären Austausch zwischen den Abteilungen wünscht, kann dies durch räumliche Maßnahmen gezielt fördern.

Wie können Firmen sinnvoll vorgehen, wenn sie ihre Arbeitsumgebung neu gestalten wollen?

Die wichtigste Frage heißt zunächst: Was ist unser Arbeitsszenario für die Zukunft – wie wollen wir in fünf oder zehn Jahren arbeiten? In diesem Zusammenhang sollten die Betriebe auch darüber nachdenken, welche Mitarbeiter und Rahmenbedingungen sie künftig für ihre Entwicklung brauchen. Gleichzeitig ist es erforderlich, die aktuelle Situation sorgfältig zu analysieren: Wie ist die gegenwärtige Arbeitskultur? Welche Bedürfnisse und Wünsche haben unsere jetzigen Mitarbeiter? Was hat sich bewährt und wo müssen wir uns verbessern? Sowohl die Prozesse als auch die technologischen und räumlichen Rahmenbedingungen sollten auf den Prüfstand kommen

Wir arbeiten heute bereits sehr flexibel und mobil. Wie lässt sich die fortschreitende Digitalisierung in zukünftigen Raumkonzepten abbilden?

Auch die modernste Büroinfrastruktur nützt nichts, wenn die Vorgesetzten erwarten, dass ihre Mitarbeiter acht Stunden am Schreibtisch sitzen. Führung und Belegschaft müssen sich also darauf verständigen, wie viel Anwesenheit und persönliche Kommunikation in der Zukunft notwendig sein werden, wo es Rückzugsmöglichkeiten braucht oder bei welchen Aufgabenstellungen man sich auch digital austauschen kann. Für die verschiedenen Arbeitssituationen können dann die passenden räumlichen und technischen Rahmenbedingungen geplant werden.

Kleinere Unternehmen verfügen meist nur über begrenzte Budgets. Können diese trotzdem moderne Arbeitswelten schaffen, die für ihre Belegschaften auch in der Zukunft attraktiv sind?

Nicht getan ist es damit, irgendwo einen Billardtisch aufzustellen oder die Firmendachterrasse mit einer Grillstelle auszurüsten. Eine räumliche Umgestaltung sollte wirklich relevante Verbesserungen bewirken. Wo können wir was am besten tun? – Das ist die wichtigste Frage. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist es entscheidend, konsequent vorzugehen und Maßnahmen zum Beispiel nicht nur für einzelne Firmenbereiche zu realisieren.